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» UN- Anzeiger für -as Erzgebirge NLMVK-.« Lä-7Ä-E '.^.LMWr>N«ZÄ21 n>. 14» Vlenstag, -en 2S. Juni 1-21. 1ö. Jahrgang. Das Wichtigste vom läge. gm Nn»wttriitzen Au»sHutz de» Retch»- ^ges.der heute -usanmventritt, werden die Inter pellationen Wer Oberschlelsien und die Sank, tionenvon de» Regierung beantwortet werden * Ein vom Reichstag eingesetzter Unterausschuß soll praktische Vorschläge zur Behebung dar Wohnungsnot ausarbeiten. Tie Sanktionen Haven eikel ungeheure Er- schGtterung des Wirtschaftslebens im Rhein- land'hervorgerufen. In 183 Betrieben wurden 11 939 Kurzarbeiter festgestÄlt. o Zur Ablösung der den Elsaß-Lotbriygern zustehenden Ansprüche^an die deutschen So zialversicherungen hat Deutschland an Frank reich 6 5 Millionen Franken zu za h le n. * Infolge des Ergebnisses dar Ka m mera bsti m- mung hat das italienische Ministerium be schlossen. zurückzutreten. Aus äen Memoiren cies Ireiherrn von Schoen. Die verstümmelte deutsche Kriegserklärung. — Englands Sichrrhcitkpolitik. — Der belgische Einmarsch. — Die Tendenzlüge über die deutsche Kriegsschuld. Ter frühere deutsche Botschafter in Paris Freiherr v. Schoen hat jetzt nach seinen eigenen Aufzeichnungen Erinnerungen herausgegebcn.. die — weil der Verfasser in den letzten Jahren vor dem Weltkrieg und bei dessen sähem Ausbruch fl.'s Vertreter des Deutschen Reiches an der Quelle der weltpolitischen Verwicklungen in Paris ivar — von ganz besonderer Bedeutung.siuo. v. Schoen schreckt nicht davor zurück, begangene Fehler als solche einzugestehen. Wer mit dem Willen, unbesan-en zu urteilen, an die Lektüre herantritt, wird die Ehrlich kett des Verfassers anerkennen.und sein Buch als eine Veröffentlichung begrüßen, die zur Widerlegung der Tendenzlüge von Deutschlands Kriegsschuld ftnrobl als Ganzes durch den einheitlichen StimmungsauSdruck. wie In vielen sachlichen Einzelheiten ein neues, wertvolles Material bedeutet. Ueber die Kriegserklärung Deutsch lands an Frankreich und die Verhängnisvollen Begleitumstände einer verstümmelten Depesche des Reichskanzlers berichtet Herr v. Schoen: Am Nachmittage^ des S., August s1S14), in den Stunden der höchsten Spannung, traf e'in Telegramm in Ziffern mit der Unterschrift des Reichs kanzlers ein, ein Zeichen, daß eS sich um eine beson ders wichtige Sache handelte. Ich war nicht im Zwei fel, daß eS das entscheidende Wort enthielt. Nun trat die überaus peinliche Lage ein daß das Telegramm sich als derart verstümmelt erwies, .daß trotz ange strengter Bemühungen nur Bruchstück« zu ent ziffern waren. Immerhin war so viel zu entneh men, daß französische Luftangriffe auf Nürn berg. Karlsruhe, Wesel ftattgefunden hätten«.daß ich um 6 Uhr meine Pässe fordern, .den Schutz der Deutschen, dem amerikanischen Botschafter übergeben und abreifen sollte. Zu einer Rückfrage wegen des nicht lesbaren Teiles blieb keine.Zeit. Ta mir auch auf anderem Weg« bekannt geworden war,, daß wir unS durch einen französischen Fliegerangriff.auf.Nürnberg zur Kriegs erklärung veranlaßt sahen, mußte ich mich entschließen, das wenige, was aus dem Telegramm deutlich zu ent nehmen war, zur Begründung der Kriegserklärung.zu benutzen. Ter nicht lesbare Teil des Telegramms be traf, wie ich später erfuhr, nicht unerh «dliche f.ran- zösi'scho Feindseligkeiten an der elsässi- sch en Grenze, die von geschlossenen Truppenabtei- lungen trotz der zugesagten Zchinkilometerzone, über schritten worden war. Erft geraume Zett, nachdem der Krieg bereit» im Gang war, Hat sich ergeben, daß die Angaben von französischen Fliegerangriffen auf.ver hängnisvollen Irrtümern beruhten. Sie scheinen ledig- lich Erzeugnif.sehocherregter Phantasien ge wesen zu sein. Wie es kommen konnte, daß solchen irri gen Meldungen bet unseren leitenden Stellen daS Go») wicht von Tatsachen, und zwar von so bedeutungsvollen Tatsachen,, beigelegt werden konnte, daß sie zur Begrün dung Kiner Kriegserklärung herbeigezogen wurden, ist unerfindlich. Was die Grenzüberschrettungen franzö sische« Truppenteil« betrifft, die ich infolge äußerer Um stände in meiner letzten Mitteilung an die französische Regierung übergeben mußte, so sind sie unserseits so einwandfrei feftgestellt, daß französische Ableugnungen sie nicht ungeschehen machen. Ein widriges Geschick hatte mich aber gezwungen, mich auf AnKrben zu beschränken, die den Franzosen reichlich Stoff zu der Behauptung geliefert haben, daß wir den Angriff mit lügenhaften Vorwänden begründet hätten. Laß der eigentliche politische Grund zur Kriegser klärung einzig und allein — alle anderen akuten Fälle, wie z, B. per serbisch-österreichische Konflikt, hätten geglättet werden können — in der Revanchesücht Frankreich» einerseits, vor allem in der kühlberech- nenden Politik de» englischen Veldsacke» zu suchen ist, führt v. Schoen sehr präzis Und unwiderleglich au». Er schreibt z. B. über die englischen Beweggründer Las dem englischen Empfinden am nächsten liegende Gebiet des wirtschaftlichen Konkurrenzkämpfe» war es, auf dem zuerst eine Beeinträchtigung de» guten Verhält- ntsses zwischen Deutschland und England erwuchs, al» wir -um Schutzzollsystem übergingen und im Gefolge dieses Wechsels unser Wirtschaftsleben zu rasch sich entwickelndem Aufschwung gelangte, .unser Handel, unsere Industrie, unsere Reederei zu eurer Mr Eng land beunruhigenden Höhe emporstiegeu. Tie Unruh« wurde zur Besorgnis, als unsere Leistungen uns be fähigten. als erfolgreiche Mitbewerber Englands auf dem Weltmarkt zu erscheinen, die Möglichkeit sich er öffnete, Paß wir England im Welthandel etn- zuh ölen vermöchten, als wir ferner mit der Er werbung Ansehnlichen Kolonialbesitzes in die Weltgoli- tik einrraten und als wir, endlich, in logischer Folge jenes Hinausgehens in di« Welt, !zum Bau, Kur Aus rüstung und zur Bewegung einer Flott« schritten, deren Stärke und Tüchtigkeit den Engländern eine reich lich fließende Quelle des Unmutes, der Sorge und des Argwohns wurde. Aber nicht allein sein« weltumspan nenden Handelsweg« glaubte England durch unsere Stär ke zur See bedroht, sondern auch, seine heimatliche Stel-> lung. Tas Gespenst einer deutschen Landung erschien beängstigend vor den ehedem sorglosen Augen, und der Gedanke tauchte auf. ob es nicht ratsam sei,, dem Ausbau der deutschen Flotte mit Gewalt entgegen- zmreten, ehe «in solches Unternehmen zu gefahrvoll würde. ' ' von Schoen schreibt: Die Vergewaltigung Belgiens war nicht nur ein strategischer und politi scher Ferner, .,andern auch, wie von berufener Stelle von vornherein eingeräumt werden mußte, ein Bruch, des Völkerrechtes. Sie war «s ungeachtet der Berufung aui die l-tot, ungeachtet des nachträglich, «ntdeckjten Beweises, daß Belgien sich im Hinblick auf einen deutschen.Ein marsch mit den Ententemächten eingelassen hatte Sie war ein schwerer Verstoß wider Recht und Ehre, der uns die Aechtung der Welt zugezogen und unseren Gegnern Waffen geliefert hat, mit denen sie uns nicht ni in der wirksam bekämpft haben, .wie mit den blutigen. Tie Härten der Kriegführung und der Besetzung haben ein übriges getan, um den Haß unserer Winds .im wilden Feuer aufflammen zu lassen. Trotz dieser nach, seiner Ansicht unleuubaren poli tischen Schwächung unserer Rechtslage kommt von Schoen doch zu dem Schlüffe, baß nicht wir die Hetzer zum Kriege gewesen sind, sondern die Gegenseite, .und daß es eine bewußte Lüge ist, wenn von der Entente von einer alleinigen Kriegsschuld Deutschlands ge- sprochen wird. ' Alles in allem, Deutschland ist nicht frei von Schuld, übe» «S ist.nicht schuldig in dem Sinne und in dem« Matze, mit dem es belastet wird. Es hat geirrt und ge fehlt..aber nicht sowohl aus Mangel an friedlichem Wil len,.wie aus Mangel an sicherer Führung durch di« Wirren der großen Politik. ES hat, wie all« Mächte, mit der Möglichkeit kriegerischer Verwich lungen gerechnet und sich entsprechend gewappnet, .aber es hat nicht den großen Krieg gesucht, nicht vorsätzlich auf.ihn hingearbettet, nicht, wie die Gegner sagen, den Krieg pewollt. Die Ilaggensrage im Reichstage. (Netchstagssitzung vom 27. Juni.) —o— Ter Antrag auf Strafverfolgung des Abg. Hölle in (Kommunist) wirb an den GeschäftSordnungs- auSschutz Perwiesen, der gegen einen anderen Kommu nisten des gleichen Sinnes abgelehnt. Tann stehen wie der mehrere Nachtragsetats zur Erledigung. Ein An trag des Sozialdemokraten Hoch wünscht beim Arbeits ministerium, die Wiedereinsetzung der gestrichenen Mil- lionen für die bessere Schulung der Betriebsrat-Mit glieder. Ter Antrag findet eine Mehrheit, ebenso dis Bereitstellung pon 500 000 Mark, bi« im nächsten Etat zur Förderung des Heimstätten- und Genossenschafts baues ausgeworsen werden sollen. Zum BerkehrSmini- sterium wird eine Entschließung angenommen, die sich für die ausreichende Subvention der am Verkehr zwi schen dem Reich und Ostpreußen beteMgten Schiffspefell- schäften ausspricht. Wie erwartet, entwickelt stch über den nunmehr auf .der Tagesordnung stehenden Antrag der nichtsozialistischen Parteien über die Flaggenfrage «in« lebhafte Debatte. Ter Antrag will den Erlaß des Reichspräsidenten außer Kraftffetzen, wonach.dte schwarz weiß-rote ' Handelsflagge durch Hinzufügung eines fchwarz-rot^oldenen Vierecks in der linken oberen Ecke abgeändert werden soll. Ter BolkSparteiler Gilde- m eist er - Bremen wandte sich vor allem gegen das drohende Zweiflaggensystem und verwies auf die Stim mung der Ausländsdeutschen. Es bestehe geradezu eine Gefahr für den Aufbau de« deutsch«« Ueberseehandel», wenn die Flagge geändert wirb- Ter Mehrheitssozial demokrat Tr. David hatte dagegen besonder» den Ein druck im Innern im Auge und kam dabei erst Auf Wei mar.und auf die erste Zeit nach dein 9. November zurück. Graf Westarp geriet in große Erregung, als David auf dte wesentlich zurückhaltendere Stimmung per Deutsch nationalen in d«u eMen Tagen der Revolution -u sprechen kam — und erhielt «inen Ordnungsruf, al» er David einen Verleumder nennt. Lieser warnt auch vor dem schlechten Eindruck auf di« Arbeiterschaft, -ie die Beseitigung der Farben des neuen Reiche» mit schwer«« Mißtrauen aufnehmen Mrd«. Li« Sozialdemokrat«» zollten ihrem Sprecher lauten Beifall, al» er schwarz- weitz-rot di« Kampffahnv d«r Monarchischen Reaktion nannte und erklärte, daß dieser Vorstoß gegen da» neue Reich nur ein erster Anfang.fei. Ter Deutschnatio nal« Ober fahren leugnete diese Tendenz und ärgert« die Sozialdemokraten seinerseits, indem er anführte, daß ja ein Sozialist in Hamburg an der Spitze der Schwarz-. weitz-rot-Bewegung steh«. Ter Unabhängige Breit- scheid betonte, datz trotz Oberfohven eine Verfassung«. Linderung porliege, daß aber auch der Erlaß des Reichs präsidenten verfassungswidrig sei, weil die Reichsfarben feit zwei Jahren feststünden. Gegen ^7 Uhr griff dann noch der demokratische Abg. Heile in die vollends ins parteipolitische Fahrwasser geratene Debatte ein. Er pro testierte mit Nachdruck gegen die dauernden VerungliMP. fungen, die die neuen Reichsfarben in den Wahlversamm lungen der Teutschnationalen erfahren und stellte nock» einmal fest, daß per Wunsch Stuf Beibehaltung von schwarz-weitz-rot einmütig von allen seefahrenden Krei sen vertreten werde. Der neue Vrientkrieg. (Von unserem Berliner Mitarbeiter.) Tie großen Weisen von Versailles haben geglaubt, durch ihre willkürliche Regelung der Weltverhältnisse unter dem Drucke ihrer überragenden Waffenmachr den Frieden Herstellen zu können. Aber ihre Friedensver träge sind Papier, dte Tatsachen spotten solcher Kon struktionen. Tie Welt wird vom ersehnten Frieden noch so lange fern sein, bis wirklich Vereinbarungen unter den Völkern vorliegen, dte nach Möglichkeit alten ihren natürlichen Interessen entsprechen. Wie kehr gegenwär tig noch die Weltkugel nur einem vernarbten Krater gleicht, aus dem zu jeder Stund« erneut die Flammen emporschlagen können, lehrt «in Blick auf den nahe» Orient. Tort ist der Friedenszustand überhaupt noch nicht Tatsache geworden. Tie Wurzeln der türkischen Kraft lagen von jeher nicht in Europa und nicht an den Dardanellen und in Konstantinopel. Tas alle» waren vielmehr nur Außenposten, di« aus Prestigegründen jahrelang von den jeweiligen Machthabern am Bospo rus überschätzt wurden. Die eigentliche Türkei ist das Kernland von Kleinasten. Hier sind die OSmanen in der überragenden Mehrzahl,, und nur dte Westküste Klein asiens weist einen starken griechischen Einschlag Auf. Bald nach dem Friedensschluß stand ein« neue Türkei da, Pt« sich mit dem Sitz in Angora eine eigen« Regie rung gab. Es war ihr gelungen, den Kern der türki schen Truppen dorthin zu retten. Er wurde sehr bald reorganisiert und durch Neuaushebungen auf den Stand einer schlagkräftigen Armee gebracht. Ter Führer der Angoraregierung Kemal Pascha war in der Wahl seiner Mittel äußerst .skrupellos. Heute bekämpfte er di« Franzosen, morgen dte Engländer, ganz.offen voll zog er den Anschluß an die Räteregierung in Moskau und gewann so gegenüber den Engländern eine nicht un gefährliche Machtposition. Turch. kluges Verhandeln hat Lloyd Georg.« ver sucht. .die Gefahr für Indien zu bannen. Er ließ sich monatelang von dem bolschewistischen Handelsdelegier- ton Krassin auf per Nase herumtanzen. Schließlich führte das Interesse Sowjetrußlands an Handelsverbin dungen mit Westeuropa und das englische Verlangen nack> Ruh« in Asten zu einem Vertrag. Aber niemand kann wissen, wann eS den Bolschewisten gefällt, wieder ein mal andere Seiten anzuschlagen,. Wenn da» innere Be dürfnis nach einem Ablenkungskrieg, aufkommt, ist Les- Herren in Moskau das Hemd der Selbstbehauptung näher als der Rock des britischen Handelsvertrages. Darum hat man von Moskau aus die Beziehungen zu Angora, Persien und Afghanistan von jeher und Mr alle Fälle liebevoll gepflegt. England hat darum Bedacht darauf genommen, .sich auch von der anderen Sette her zu si chern. Tie Loslösung der Türkei und eine Verständi gung mit ihr war das Programm, das irr zielbewußter zäher Arbeit von Towningstreet aus verfolgt Wurde. Al» diese- Ziel nur dadurch zu erreichen war, Haß der. Friedensvertrag pon Sevres umgestoßen werden mußte, hat England diese Konsequenz, in keiner Weise gescheut. Lord Curzon fuhr nach.Paris und entwickelte dort sein Programm. In Frankreich, wo man des Aberglaubens lebt, datz die verschiedenen Friedensschlüsse wirklich gött lich« Weisheit seien, war man zunächst entsetzt, da Man möglichst an keinem d«r Verträge rütteln lassen möchte Aber schließlich erklärt« man vaS Einverständnis zu einer VermtttlungSaktion, die freilich stark« Konzessio nen an die Türkei zur Voraussetzung.halt«. In Griechenland befindet man sich tn einer schwierigen Situation. Ti« Entente hat Smyrna und Thrazien den Griechen im Vertrag von Sevre» -uge- sprochen. Ter Traum des Groß-Griechenland- war schon erfüllt.er soll nun plötzlich entschwinden. Ta» vermag eine Regierung schwer zu ertragen, dte die nationale Stimmung so außerordentlich erregt hat und die nament lich nach Her Rückberufung Hörrig Konstantin» außen politisch« Niederlagen doppelt scheut. Die griechtsch« Re gierung Hat darum -war derklausuliert, aber doch hin reichend deutlich die Vermittlung der Alliierten abge-