164 men Herrschaft verbunden sind, wo keine Religionsparthei herrschend ist, und wo die Gesetze, mit Ausnahme einiger örtlichen Abänderungen-, dieselben sind — selbst hier ist ein auffallender Unterschied im Charakter zwischen den südlichen und nördlichen Pro vinzen, welcher deutlich auf den Einflufs des Klimas hinzeigt. Manche Philosophen ha ben freilich diesem Einflüsse zu grofses Gewicht beigelegt, denn die Erfahrung zeigt, dal’s kein Theil der Erde unvermögend ist, Männer von grofsem Geiste nnd Fähigkeiten her vorzubringen; der Trieb diese Fähigkeiten auszubilden ist aber doch in verschiedenen Klimaten verschieden. Die südlichen Völker wenden sich zu denjenigen Künsten und Wissenschaften, denen eine hohe und feurige Einbildungskraft vorzüglich zusagt; die Nordländer wählen die ernsteren Beschäftigungen des Verstandes, und während jene ihre Anlagen dazu verwenden, neue Entdeckungen zu machen, so bemühen sich diese, diesel ben zu verbessern. Diese Betrachtungen müfsen dahin führen wechselseitige Achtung zu erzeugen: denn wäre Civilisation nur Eigenthum eines Landes, oder wäre die Errichtung der bürgerlichen Gesellschaft und die Verfeinerung nur auf die nördliche oder südliche Hälfte unserer Erde beschränkt worden, so würden die Fortschritte in Künsten und Wis senschaften sehr zurückgeblieben seyn. Das Gesagte läfst sich eben so wohl auf die Beschaffenheit des Gefühl vermögens als auf die Richtung des Geistes anwenden, welches sich an verschiedenen Orten auf ver schiedene Art äufsern wird. Kehrt z. B. ein Südländer zu seinem Vater von dem er meh rere Jahre entfernt war zurück, so fällt er nieder auf seine Knie, benetzt die väterliche Hand mit Thränen, und mit Worten voll Gefühl schildert er, wieviel er durch diese Ab wesenheit litt. Der Nordländer wird in einer ähnlichen Lage, die Hand des Vaters an die Brust drücken nnd sagen: meine Empfindungen sind stärker als dafs ich sie in Worten aussprechen kann. Wer möchte läugnen, dafs beide gleich zärtliche Söhne w’aren, unge achtet der Ausdruck ilirer Empfindungen so verschieden ist. — Dieselbe Bewandnifs hat es mit der Religion. Die verschiedenen civilisirten Völker Europens beten alle densel ben Schöpfer des Weltalls an, und haben alle dieselbe Offenbarung; die Völker des Südens unterscheiden sich hingegen sehr in ihren religiösen Gebräuchen, von denen des Nordens und bei allen Annäherungen welche die Zeit im Wesentlichen der Religion her- beifiihren möchte, wird dennoch immer ein Unterschied in den religiösen Formen des Nordens und Südens bleiben. Wenn man einen Platz auf der Diligence nimmt, so bestimmt die Beschaffenheit der Reisegesellschaft lediglich der Zufall. Das Glück wollte mir bei meiner Rückreise von