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— i5i — und eben soviel zum Herabsteigen; auf ebener Erde macht es in einem Tage kaum fünf zig Schritt. Der Saft der Blätter reicht hin seinen Durst zu stillen. Es hat ganz die Stimme wie eine junge Katze.“ — Der Graf Büffon der diese an Ort und Stelle ge machte Beschreibung las, und vielleicht ein Thier dieser Gattung erhielt, welches auf der Seefahrt viel gelitten hatte, fafste den Gedanken, diefs Thier sey blos zum Elend ge schaffen. Hätte dieser grofse Naturkenner es in seiner Heimath gesehen, er würde an ders geurtheilt haben. Das Faulthier, welches mit den’aller beweglichsten Geschöpfen in demselben Klima lebt, gehört zu den Beweisen der wunderbaren Weisheit des Urhe bers der Natur; denn bei der kläglichsten Trägheit ist es so bewunderungswürdig einge richtet, dafs es nicht unglücklicher ist als irgend ein anderes Wesen der Schöpfung. An Kraft in den Schenkeln übertrifft es alle bekannten Thiere von derselben Gröfse, und diese gewinnt dadurch noch, dafs die breiten Klauen nicht von langen Zehen unter- brohen werden; mit denselben hält es sich auf den Bäumen wie mit den Wider haken eines Ankers fest. Die Farbe und selbst die Gestalt des Haares gleichen dem verwelkten Moose, und dienen dazu das Thier auf dem Baume zu verbergen, besonders wenn es den bräunlichrothen Fleck auf den Schultern hat, und dicht am Stamme des Bau mes liegt: dann gleicht es so genau einem Stück von einem Aste, von dem das übrige ab gebrochen ist, dafs es die Jäger oft täuscht. Da die Ohren flach anliegen, und von der dicken Wolle bedeckt sind, so wird es von keinem Lärm bei Tage im Schlafe gestört; das Haar welches von allen Seiten her den Vorderkopf überwächst, schützt die Augen vor der Blendung durch die scharfen Sonnenstrahlen. Seine Nahrung bestehet in Blät tern, und da es nicht viel verzehrt, und alles schnell nachwächst, so findet es auf einem Baume fast für sein ganzes Leben genug, und es hat vielleicht nie nöthig weitere Wan derungen anzutreten, als wenn es ein Weibchen sucht; zu dieser Zeit können sie auch mehrere Tage lang sich ohne Unbequemlichkeit aller Nahrung enthalten. Man kann also nicht sagen, dals diesem Geschöpfe aller Genufs fehle, oder dafs es geschaffen sey um elend zu seyn. Den Menschen hingegen, welcher zum thätigen Leben geschaffen ist, wenn dieser seine Fähigkeiten vernachlässigt oder auf eine verkehrte Art anwendet, kann man mit Grund elend nennen. In Hinsicht vieler Uebel, wie Büffon richtig bemerkt, „sind die Thiere im Ganzen glücklicher. Sie haben nichts von den Geschöpfen ihrer Gattung zu befürchten, und das Uebel fliefst für sie nur aus einer Quelle, während es zwei für den Menschen giebt. Die Quelle des moralischen Uebels welche es selber eröffnet hat, ist ein Strom der zum