Volltext Seite (XML)
— 150 — Ich komme nun zu den vierfüfsigen Thieren, unter denen das Faultheir eines der sonderbarsten ist *). Es giebt hier zwei Gattungen davon; das drei - zehige, welches man von seinem wolligen Haar auch Schaaf-Faulthier nennt, und das Hunds-Fault hier, mit glattem Haar und spitzer Schnauze. Das Faulthier mit drei Zehen ist das auffallendste, seiner Gestalt und seinen Bewe- wegungen nach. Es wird etwa zwei Fufs grofs, und hat ein plumpes Ansehen. Der Kopf ist im Verhältnifs der Dicke des Leibes klein, und rundlich; die Schnauze stumpf. Die Augen sind klein, rund und schwarz; die kleinen Ohren liegen flach am Kopfe an, und sind ganz von dem Haare bedeckt, welches den Kopf umgiebt, und nach dem Vorder kopfe zuwächst. Die vorderen Schenkel sind länger als die hinteren, und die Tatzen an beiden haben drei Zehen die sich in sehr lange und starke Krallen endigen. Die Farbe des Thieres ist hellgrau, mit untermischtem dunklerem Haar; doch bei den ausgewachse nen sieht man oft auf dem Rücken, gegen die Schultern zu, einen grofsen braunröthli- chen Fleck, der von schwarzem Haar umgeben ist, und durch welchen ein schwarzer Streif mitten durch läuft Der Schwanz ist sehr kurz. Dr. Fermin sagt, in seiner Beschreibung des Faulthiers: „Es braucht eine unsägliche Zeit um einen Baum zu besteigen; jede Bewegung, die es machen muls, prefst ihm ein wiederholtes Geschrei aus; es ruht jeden Augenblick, und W'enn es einmal auf einen Baum gelangt ist, so steigt es nicht eher herab, als bis kein Laub mehr darauf ist. Leidet es Hunger, so denkt es daran sich auf einen anderen Baum zu verfügen; das Herunterklettern und die Wahl eines anderen Baumes zum Wohnsitz nimmt ihm aber so viel Zeit weg, dafs es aufserordentlich mager wird, ehe es w'ieder seine Nah rung findet. Es braucht zum wenigsten zwei Tage um einen hohen Baum zu ersteigen, hart, dafs es in wenig Tagen starb. Ich stellte einen kleinen Spiegel in den Käfig, um zu sehen was diefs für eine Wirkung auf das Weibchen haben möchte; es schien aber die Täuschung bald zu entdecken, und nachdem es sich eiuige Wochen hindurch, während welchen es wenig Nahrung genofs, abgezehrt hatte, starb es vor Gram. Ich gestehe, dafs mir diefs sehr nahe ging, nicht blofs weil ich diefs Paar zu einem Geschenk bestimmt hatte, sondern ich bedauerte auch das unglückliche Geschöpfchcn, welches in den Wäldern von Surinam fröhlich hätte leben können, wenn es nicht freiwillig zu dem Männchen zurückgekehrt wäre. Hätten die Alten diese zärtlichen Vögel ge kannt, sie würden gewifs den Wagen der Venus mit ihnen statt der Tauben bespannt haben. Ge genseitige Zuneigung der Geschlechter findet man bei allen Thierarten; eine so beständige Anhäng lichkeit, auch nach der Trennung, ist selten. Sie verdienten daher vor allen dem Genius zuge sellt zu werden, der das Feuer anf Hymens Altäre anzündet. •) Bradypus Tridactylus. W.