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2öie geht e« ben Äiinftlern, bie tocreinjelt reifen? Sie ßnb genötpigt, um nid?t ipr fteine« iBcrmögen mit einem fütale auf« Spiel ju fepen, ßcp einige Heine SSirtuofen beijugefetten, bie fie billig erhalten haben, eine 2Irt bau Trabanten, nur baju beftimmt, baß '•Programm auSjufütten. Sie golge ba»on ift, baß ßcp baß 'publi cum fepr wenig angejogen fühlt, wenn eß einen enormen Anfcplag- jettel fteht, auf bem ber Äünßler, ben eß hören möchte, ein ober jwei fDlal nur »ortommt, woburep man alfo, um ihn ju hören, genötpigt wirb, minbeftenß jwei Stunben ßcp ju langweilen- SBenn bemgemaß ber Sünftler, ber ein folcpc« Eorccert »eranftaltet, 300 bejaplenbe fßer- fonen jufammenbringen tann, fo muß er mit einem folgen Erfolge (ehr jufrieben fein. ©ibt man bagegen ein Programm auß, auf bem brei ober hier Slawen »on SBirtuofen erften Stange« glänjen, fo tanu man barauf rechnen, einen bollen ©aal ju haben, mag ber ©efepmad ber „Silettanti" fein, welcher er will. »on Professor Ij. Bischoff. (An« ber tölnifcpen 3«ttung.) „Stacp bem, waß bereit« in biefen JBlättern über bie berühmte ©ängerin gefagt ift, müffen wir junäcpß bie Sloßj in Str. 25 über ben glänjenben Erfolg be« Soncerte« im ©ürjeniep am 23. b. SJi- betätigen. Sa« Kölner fßublitum, beffen leitenbe Steen ju £ob ober Sabel bon Äunßfcißungen oft fepwer ju ergrünben fmb, wie ba« bet ben Bupörerfcpaften in großen Stabten wohl immer ber gatt iß, würbe offenbar gleich burep bie erße Seißung ber Sängerin, ben Vertrag ber Arie Sonijetti’8 au« Pinba bon Epamounp, bermaßen mit fortgeriffen, baß e« alle tpeil« in ihm aufleimenbe, tpeil« ihm bon außen beigebrachte SSebenlen »oUßänbig »ergaß unb ßcp bem Einbrud eine« ©efange« ünbebingt Igütgab, beffen originelle AuSfüp* rixtig burep eine wunberbar mertwürbige unb jugleicp liebliche unb bi« in bie pöcpfte Siegion woplHingeube Stimme etwa« fo Ueber- rafepenbe« hatte, baß eine fo allgemeine Sewunberung ober, wenn bie mußlalifcpen Puritaner e« lieber wollen, SSerwuuberung alle ßu- pörer ergriff. Unter biefem Sauber brach ba« 'publifum in einen ge waltigen ©türm »on Applaus wieberpolt au«, — eine Spatfa^e, welcpe atterbing« ben Sieg ber Sängerin über bie Sßorurtpeile fcpla- genb befunbete, SJorurtpeile, welche weniger eine grünblicpc Sritit auswärtiger blätter (beuu nur einem Auffafce besSournal« be33ru- pette« tönnen wir ba« eben gebrauchte Sciwort tpcilweife juertcuneu), als »ielmepr einjelne burep »erfepiebenartige fDtotioe unb jum Spcil auch bur<p bie für un« ganj ungewohnte Art ber Antünbtgung unb Empfehlung »eranlaßte Eingebung percorgerufeu patten, äßir ßnb ber feften Ueberseugung, baß biefe überrafepenbe Sffiirtung be« ©efange« von Earlotta fßatti überall bicfelbc fein wirb; e« iß niept möglich, bem ßinbrude einer plöplidjen elcctrifcpen Sicpterfcpeinuiig ju wtber- ftepen, bie felbß auf ben ffllinben wirft, unb ebenfo »erhält e« fiep mit bem Aufleuchten ber pellen, 'popen Söne Earlotta’« unb ben fprüpenben gunten iprer melobifcpen Ornamente in ßoloratur-gi- guren, Srittern, Staccato’« u. f. w. Aber e« iß niept blo« biefe« Slinten unb gunteln ber unbe greiflichen Staturgaben, wa« un« blenbet, fonbern bie SBepanblung berfelben erregt in »icler Jpinßcpt faß noep größere« Erßaunen, obfepon fte, wa« wir gleicp bemerfen wollen, ber Sorrectpeit einer ßrengen teepnifepen Scpule IcineSWeg« überall entfpriept, ja, ßellenweife noep gar SJlancpes ju wünfepen übrig läßt hierbei muß man inbeß berüdßcptigen, baß Earlotta fßatti erß feit jWei bi« brei Sapren ßngt, unb baß, wenn wir gerecht fein wollen, wir bei einer in Amerila unb urfprünglicp für Amerila gebilbeten Sängerin gleich bei iprem crßen Erfcpetnen bei un« niept ben SJlaßßab bes beutjepen ©efebmade« unb ber poben gorberungcn anlegen bürfen, welche wiruuraUju ge neigt ßnb, bei berühmten Virtnoßtätcn bes Auslanbe« geltenb ju maepen, wäprenb boep unfere eigenen heutigen Sängerinnen auep niept« weniger al« »oUtommcue ©efaugSlünftlerinnen ßnb. 22enn nun aber Earlotta fßatti ipre popen Söne niept etwa blo« in ßoloratur-giguren anwenbet, bei benen, wie jeher Sänger weiß, ber Anlauf unb ein gewißer Entrain bas augenblidlicpe ©elingen ber £>öpe erleichtert, fonbern baS pope c, d, e itacp einer fßaufe. piano unb mit ber größten ateinpeit einfefct, e« anfcpweUcn unb abfepwetten läßt unb bann ben barauf folgenben nodj pöperen Son im fcpmclsenben Ligato anßpließt unb ebenfalls leife »ertlingen läßt, fo iß biefe messa di voce auf biefen Sönen fo lange wir beuten tönnen unb »ielleicpt überhaupt noep nie bagewefen, unb fie iß waprlicp niept blo« neu, fonbern au<p föpön, fepr fepön, unb nitpt blo« natürlich fepön, fonbern amp lünßlerifcp jepön. Sie beweiß, wa« au« einer ©ängerin mtt folcpen Spitteln burep noep erpöpte, fiep über aUe teep- nifchen unb äßpetijepen Setail« gleichmäßig erßredenbe Stubien in SSerbinbung mit reicherer Erfahrung für eine »ollenbete fiünftlerin Werben tann. Aber niept nur bie betriebene fepöne Emifßon ber popen Söne, fonbern auch b ’ e Ausführung teepnifeper Scpwieriglciten be« colorir- ten ©efange« beßätigen tpeilwelfe bie eben auSgefprocpene lleber- jeugung. Sei bem Sortrag ber Sßaßagen unb Serjierungen jeigeu ßcp fiunß unb ötatur bei ipr in einem mertwürbigen SBettßreite, in Welcpem päußg bie leptere ben Sieg über bie erftere baoonträgt, inbem bie Sängerin oft eine fepwierige gigur mit ©lanj perauS- fcpleubert, wobei nid;t ju »ertennen iß, baß 3Jtutter fJlatur, bie ipr ba« ®euie bes ®efange« »erliepen pat, ben größten Sant »erbient. Saran« ergibt ßcp benn bie SSapruepmung, bie Stiemanb, ber fie wieberpolt pört, leugnet, baß ße eine gleichmäßige Eorrectpeit ber Scpule noep nidpt erreicht pat, inbem, wie gefagt, einzelne ißaffagen unb Ornamente tünßlerifcp »oHtommen unb je nacp iprem Eparatter mit ®rajie unb anmutpigem Steij ober mit Scpwuug unb -Straft »orgetragen werben, anbere bagegen gerabegu gefagt ben Stempel be« SJlangel« an Scpule an fiep tragen unb Weber correct noep ganj gefepidt peraustommen. Es tann alfo felbßoerftänblicp »on einem ißergleicpe ber fßatti mit ben großen Sängerinnen einer Beit, bie freilidp amp fepon jur SSergangenpeit geworben ift, mit 4>ennriette Sonntag unb Sennp £inb, niept bie fßebe fein- Sa« Einzige »on toirtuofen SortragSweifen, worin bei ipr Statur unb Stunß »oüßänbig Ein« geworben ßnb, iß ipr Staccato, worin ße bi« jum popen f hinauf einzig in iprer Art baftept. Ser Simbre iprer Stimme im Allgemeinen iß niep ju befepreiben. Sie befifct tiefere Srußtöne,'.bie reept tlangbott finb, ba« ttJlebium ber Stimme pat mepr einen franjößfepen al« einen italienifcpen Eparacter, aber fepon mit bem jweigeßriepenen D unb E beginnt ein heiler, nidjt burep fein Sßolumen imponirenber, aber intenß» tlangbotter, echter Sopran, beffen Söne bi« jum breigeßriepenen F überall mit gleicher Sonßärte unb ohne alle ©cpärfe fepwingen. fDlan tann alfo tm ®runbe niept fagen, baß ße eine „Heine" Stimme pabe, benn in ben getragenen Sönen ber eigentlichen Sopran-Stegion wirb rbie Stimme burep bie Sntenßtät be« Sone« groß, füllt bie auSgebepnteftcn Stäume, wie j. S3. unferen ©ürjeniep-Saal, »oütommen au« unb ift felbß bei bem leifeßen Anfape be« piano noep überall hörbar- Sie Stimme »on Earlotta fßatti iß mithin jebenfall« ein fßpänomen, ba« niept blo« ben SJlußter unb ©efangleprer, fonbern amp ben fßbOßoIogen unb Sttuflitcr in pobent ©rabe intereffiren muß. Allein beßpalb bie unläugbare, ganj außerorbentlicpe fßJirtung ber Stiftungen ber Sängerin auf ba« fßublitum unb ipren ganzen lünßleriicpcn 2Bertp blos auf ba« fßppßfcpe rebuciren ju wollen, ift eine fdjreienbe Ungerecptigleit, bie nacp allem, wa« wir in biefem Artilel lobenb ober tabelnb per»orgepoben paben, Sebem einleucpten wirb, ber un fere SBeurtpcilung mit iprem @efange-»ergleicpt. Eine Sritit, welcpe auch bei außerorbentlicpen Erfcpeinungen nur barauf auSgept gleden auhufpüren, iß nur bie unfrige unb, wa« bie £>auptfacpe iß, förbert auep leinesweg« bie fiunft, juntal wenn bie Abßtpt, wo niept ju tränten, boep wenigßen« eine Stolle ju fpielen, burcpblidt. Un« fepeint e« eine richtigere Aufgabe ber Äritif gerabe bei eminenten Salenten ju fein, ipnen, mit freubiger Anertennung iprer glüdlicpen 5Be»orjugung burep bie Statur, woplwottenbc SSinte ju geben, bie ße auf bie unenblicpe <>öpe ber fiunß aufmertfam machen, welcpe jn ertlimmen felbß bem ®enie niept opne Süiüp’ unb Arbeit gegeben iß. grantfurtcr Journal. 4. gebr. 1864. Sie Stimme »on Earlotta fßatti iß ein wunberbare« Spiel ber Statur, wie ju erjeugen biefe ßcp nur feiten gefällt; ße fängt baerß reept an, Wo ße bei anberen aufpört. ®i« auf einige Söne in ber SDtitte, bie einen »erfcpleierten Simbre paben, iß ße 5war in iprem ganjen Umfang, unb biefer iß auep nacp ber Siefe pin niept unbe- beuteub, wopllautcnb, pell unb »on gleichmäßiger Stärte, bie weniger in ber gülle be« Sone«, al« in bem feparfen unb beßimmten Au«- brud bejfelben liegt, bietet aber niept« §er»orragenbe« unb Außer gewöhnliche«. 3pre eigentbümlidpe Sebeutung beginnt erß beim jweigeßriepenen a. SBenn Earlotta fßatti bie barüber liegenben Söne bi« jum breigeßriepenen f feß einfefet, »om leifeßen fßiano bi« jum fcpattenbßen gorte anfepwellen läßt, ße in glodenreiner golge mit einanber »erbmbet ober auf ipiien trillert unb bann mit einer Jeden SJerjierung wieber in ba« Sleicp be« ©ewopnten perabßeßjt, bann tann man ßcp be« ®efüpl« niept entfcplagen, baß pier bie Statur etwa« ganj SOterfwürbige«, ein Heine« SBunber gefepaßen pabe. gragt man aber nun, wa« bie Sunft für biefe Stimme getpan pat, fo ßellt ßdp halb perau«, baß Earlotta fßatti mepr eine mit einem großen gefanglicpcu Salent »on ber Statur begabte, al« eine burep bie fiunft »erebdte Sängerin iß. Sie überwinbet mit £eicptigleit Schwierig-