Volltext Seite (XML)
Zum besseren Verständniss des „Carnevals“ von Robert Schumann. Diese Composition mag als ein Abbild flüchtigen Carnevalslebens angesehen werden, wie es sich etwa auf einem Maskenballe conzentrirt und in buntem Wech sel entfaltet. Schattenspielartig treten einzelne Gestalten auf, theils allgemeine, wie Pierrot und Arlequin, Pantalon und Colombine, theils ganz besondere, wie Chopin, Paganini; aber nur für wenige Momente wird das Einzelne sichtbar, um rasch von einem Neuen verdrängt, oder von dem umfluthenden Strome verschlungen zu wer den. So viel im Allgemeinen. Im Einzelnen nur ein Paar Worte über die letzte Nummer „Marsch der Davidsbündler gegen die Philister“. Es hatte sich in jener Zeit, da diese Compo- sition entstand, ein Bund lebhafter, für die Kunst enthusiastisch entbrannter Geister gebildet, welche sich die Davidsbündler nannten und in deren Mittelpunkt Robert Schumann stand. In Wort, Schrift und That bekämpften sie jene Pedanterie und Heuchelei, welche in der Kunst z. B. sich dadurch äussern, dass sie in dem chablonenartigen Nachahmen von Formen, welche sich im Laufe der Zeit gebildet haben und durch grosse Meister in den Grundzügen allerdings zu ewigen Normen erhoben worden sind, das allgemeine Heil erblicken und die blosse, nüchterne Cor- rektheit gerne als die eigentliche „Classicität“ auf den höchsten Thron erheben möchten. In dieser Stimmung wurzelt wohl hauptsächlich die ganze Composition — von einem damit verbundenen rein musikalischen Scherze abgesehen, dessen Er örterung hier zu weitläufig wäre — sie findet aber in dem letzten Stücke ihren ent schiedensten Ausdruck. Die Melodie eines alten, sehr bekannten Volksliedes bildet die Grundlage desselben. Alles Uebrige bleibe der Fantasie des Hörers überlassen.