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DRITTES GEWANDHAUS-KONZERT DONNERSTAG, DEN 22. OKTOBER 1914. Leitung: Professor Arthur Nikisch. Vysehrad. Symphonische Dichtung (aus dem Zyklus »Mein Vaterland«) von Friedrich Smetana. »Bei dem Anblicke der ruhmvollen Feste Vysehrad wird der Dichter an Lumirs Waryto- klänge in der Vergangenheit gemahnt. Vor seinen Augen erhebt sich Vysehrad in dem gewesenen Glanze, gekrönt mit goldgeschmückten Heiligtümern und stolzen, von Kriegsruhm erfüllten Bauten der Premyslidenfiirsten und Könige. In den Burghöfen strömt die tapfere Ritterschaft unter lustigen Klängen der Zimbeln und Trompeten zu den festlichen Turnieren zusammen; hier reihen sich die im Widerschein der Sonne in reicher Rüstung prangenden Kriegerscharen zu siegreichen Kämpfen; Vysehrad erzittert von herrlichen Lobeshymnen und dem Jubel der siegesfrohen Ritterschaft. In die Betrachtung des vergangenen Ruhmes des erhabenen Fürstensitzes vertieft, erblickt der Dichter auch den Untergang desselben. Die entfesselte Leidenschaft stürzt in erbitterten Kämpfen die erhabenen Türme, vernichtet die glorreichen Heiligtümer und stolzen Fürstenhallen. Statt der erhebenden Gesänge und der Jubelhymnen erzittert Vysehrad von wilden Kriegsszenen. Die schrecklichen Stürme haben ausgetobt, Vysehrad ist ein stummer, verödeter Denkstein des gewesenen Ruhmes geworden; aus seinen Ruinen erklingt traurig still der Widerhall des längst verstummten Gesanges des Sängerfürsten Lumir!« Vier biblische Lieder mit Klavierbegleitung von Anton Dvorak, gesungen von Frau Lula Mysz-Gmeiner, K. u. K. Kammersängerin. a) Höre, Gott, mein Flehen. Höre, Gott, mein Flehen, o, hör’ auf mein Gebet! denn meine Zuversicht bist du, ein fester Schutz vor Feinden. In deinem Zelte wohn’ ich ewiglich geborgen unter deinen Fittigen. Herr! mein Gott bist du allein! Dich such’ ich früh am Morgen, nach dir dürstet meine Seele, sehnet sich mein Leib, hier in diesem dürren, wasserlosen Lande. Gern sing’ ich deinen Ruhm mein Leben lang und hebe meine Hand’ empor und rufe deinen heil’gen Namen! b) An den Wassern von Babylon. An den Wassern von Babylon saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hingen wir auf an den Weidensträuchem. Denn die uns in’s Elend getrieben, forderten Gesang von uns, höhnten und spotteten unser: »Singet uns Ge sänge Zions!« Wir aber sagten: »Wie können wir singen auf entweihtem Boden. Jerusalem, wenn ich je deiner vergesse, Jeru salem, o! so vergesse du auch meiner!«