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s. März 1S0S „Auerthalzeitung." Nr. »1 « Leipzig, 28. Febr. Eine bedeutende Vermehrung «rhiett die hiesige Schutzmannschaft mit dein i.März d. I. E- wurden nämlich mit diesem Tage 58 neue Schutzleute eingestellt. Die Executive >»rd dann incl. der Crtmtnal-, pvlitif.'cii und Sittenpolizei aus l Polizeihauptmann, 8 Leutnants, 2 Jnipeklvien, 26 Oberwachtmeistern, 62 Wachtmeistern, und 532 Schutz männern, inSgemmmt also aus 636 Mann bestehen. Die starke Vermehrung machte sich eineStheilS infolge des WachSthums der Stadt, anderntheils aber auch in der mangelhaften Besetzung der einzelnen Wachen nothwendig. s Leipzig, 28. Februar. In ocm Monat Februar sind in dem hiesigen Stadtgebiet 8 Selbstmorde, 7 Selbstmordversuche und 3 Unfälle mit tödtlichem Aus gange zu verzeichnen, währeno im Januar 12 Selbst mord« zur Anzeige gebracht worden waren. — Heute wurde ein vielfach vorbestrafter 32 Jahre alter Kauf mann aus Dresden wegrn Betrugs verhaftet, der un längst erst aus dem Zuchthaus entlassen worden ist. Derselbe hatte einem Mädchen vor 2 Jahren, unter der Angabe, daß er sie zu heirathen beabsichtige, 1000 Mark abgeschwindelt, eine Manipulation, die er früher öfters zur Ausführung gebracht hat. — Fünf Rowdys, die vor einigen Tagen einen Arbeiter mit Messerstichen tractirt hatten, wurden heute ermittelt und verhaftet. ES sind mehrfach bestrafte jugendliche Handarbeiter aus VolkmarSdorf. 8 Döbeln, 28. Februar. Hier sind in einer der etzten Nächte 15 in Blei gefaßte Scheiben eines Bogen- ensters der Kirche zertrümmert worden, ohne daß die fohen Burschen ermittelt werden konnten. Kieselsteine, rn der Größe eines Eies, die zu dem Zertrümmerung iwerk verwendet worden sind, hat man im Innern des Gotteshauses gesunden. - Dresden, 28. Februar. Eine überraschend schnelle Anschwellung der Elbe hat der starke Regensall zur Folge gehabt. Nachdem der Wasserstand in den letzten Tagen um ein Geringes gesunken war, ist in ver gangener Nacht ein io plötzlicher Wosserwuchs einge treten, daß heute früh der Strom überall über die Ufer trat und beispielsweise die Terrassenuferstraße am Tampsschifslandcplatze in vollerBreite überschwemmt hatte. Die mit dem Wegschafsen der Gascandelaber rc. beschüttiglen Arbeiter standen bei ihrer Bergungs arbeit im Wasser, das noch rasch welker steigt. 8 Deuben. In der Sächsischen Armaturenfabrik A.-G., vorm W. Michalk in Döhlen, begegnete einem daselbst beschäftigten Schmied ein merkwürdiger Un fall. Während des Schmiedens zerbrach plötzlich der Stiel des von seinem Zuschläge! geschwungenen, 20 Pfund schweren Hammers, wodurch letzterer mit voller Wucht auf die Hand des Schmiedes niedersauste und ihm einen Finger vollständig zerquetschte, so daß er längere Zeit arbeitsunfähig bleiben düste. Virirtes. b Der Conkurs des Malers Diefenbach Der be kannte Maler und „Apostel* Diefenbach halte sich. wie seiner Zeit mttgetetll, in Wien gezwungen gesehen seinen EonkurS anzumelden. Die Eonkursmass« be- stand hauptsächlich auS Bildern und Zeichnungen von Diefenbach und seinen Schülern FiduS und Paul von Spaun. Ein Tbeil der Bilder kam freihändig zum Verkauf und erzielte ganz ansehnliche Preise, da« Meiste wurde dieser Tage öffentlich vcrsteigert mit kläglichem Erfolge. Manche Arbeite» wurden mit vier, fünf Kronen bezahlt. Der auf 10 000 Kronen eingeschätzte EykluS Per aspera ad astra erhielt ein Gebot von 800 Kronen, und die ganze Auktion brachte überhaupt nur 9640 Kronen ein, während im frei händigen Verkauf ca. 14000 Kronen erzielt wurden. b Ein ländliches Sittenbild wurde in der Ver- handlung entrollt, die kürzlich vordem Schwurgericht des Landgerichts 2 zu Berlin stattfand. Unter der Anklage dcS KindermordcS stand die 25jährige unver ehelichte Marie Deutschen vor Gericht. Die .'i »geklagte hat oreimal außerehelich geboren, zuletzt im Juni vorigen Jahres während sie in Lichterfelde in Dienst stand. Als Vater des letzten Klndes nahm sie tun Arbeiter Gräfke in Anspruch Derselbe gab ihr auch nach seinem schwachen Können kleinere Unterstützungen. Die Angeklagte gerieth in große Noth, sie war völlig mittellos und besaß nicht einmal eine anständige Kleidung, so daß sie hätte einen Dienst annehmen können I Außerdem war das Kind, das sie nicht in Pflege geben konnte, eine große Last. Ende September erschien sie mit dem Kinde auf dem Arm bei Gräfke in Lichterfelde und bat um weitere Unterstützung. Gräfke, der inzwischen erfahren hatte, daß die Deutschen sich auch mit anderen Männern abgegeben hattf, ver weigerte jede weitere Unterstützung mit der brutalen Aeußerung: „Wirf doch das A . gegen die Wand!" Nun wanderte die Angeklagte, die zu ihrer ebtnsalls armen Schwester, bei der sie Aufnahme gesunden hatte, nicht zurückkehren mache, mit dem Kinde planlöS um her. Drei Tuge hielt sie sich in Marienfell e auf, wo st» bei mildihätigen Leuten während der Nacht Obdach sand. Dann mußte sie weiter wandern. Am Abende des 5. October befand sie sich in Lankwi^. Sie war den ganzen Tag auf den Beinen gewesen. Als es dunkel geworden war und sie mehrfach Abweisung er fahren hatte, wenn sie um Unterkunft bat, pai.te sie die Verzweiflung. Sie begab sich außerhalt de» Dorfes; ging aas einen Acker und legte ihr 4 Monate altes Kind hinter den Zaun. Dann verstopfte »e den Mund des Kindes mit Erde und kleinen Steinchen. Das ame Wesen mußte ersticken. Die Angeklagte ent fernte sich erst, nachdem es. wie sie sich ausdrückte, „nicht mehr mit den Beinchen zappelte". Sie vegab sich wieder zu ihrer Schwester, der sie erzähltes daß sie ihr Kind aus bequeme Art los geworden sei.! Ein alter, freundlicher Herr, den sie unterwegs kennen ge lernt Hube, habe einen so großen Gefallen an dem Kinde gefunden, daß er sie gebeten habe, es ihm zu schenken. ES währte eine Zeit, bevor die Kindesleiche gefunden und die unnatürliche Mutter ermittelt wurde. Die Angeklagte legte von vorn herein ein offenes Ge- ständniß ab. Der Spruch der Geschworene» lautete Ein Preis der Tapferkeit. Eine Erzählung aus der deutsch-französischen Kriegszeit. 1) Von Adolf Reiter. ^Nachdruck verboten. Oestlich vom Riesengebicge, und zwar im walo- bewachsenen Fuße desselben in Preußi ch-Schlesien, ragt noch jetzt eine uralte deutsche Bucg stolz empor: die Fatkenburg wollen wir sie nennen. Sie liegt etwas einsam; denn nur einige WirthschaftSgebäude und kleine Wohnhäuser sieht man in respektvoller Nähe, und diese sind noch durch -inen großen park artigen Garten von der Burg getrennt Es war ein kalter Winterabend; Mutter Holle hatte fürsorglich eine dichte Decke über das Erdreich gezogen. Hinter den rn der Ferne noch sichtbaren Höhen des Gebirges segelte der Vollmond langsam hervor, und nur das Rauschen eines reißenden Baches in der Nähe übertönte das melancholische Säuseln des winterlichen Windes. Gleichwie am Tage, so war an diesem Abend auch in der Dunkel heit dir Falkenburg sehr weit sichtbar, da man durch daS auS der großen Zahl ihrer Fenster herauS- strahlende Licht dies wahre Monument alter Bau- kunst schon in großer Fern» erkennen konnte, denn vom Burgherrn, dem Rittergutsbesitzer und Major a. D. von Falkenburg, sollte heute ein großer Skat abend gegeben werden, wie man einen solchen bei den dortigen Gutsbesitzern schon seit vielen Jahr zehnten her gekannt hat. Es sollten sich heute auf der Falkenburg etwa dreißig Herren versammeln. Selbstredend waren solche Abenl e nicht allein diesem Spielkarten-Turnier, sondern auch ernsteren Sachen gewidmet. Landwtrthschaftliche Angelegenheiten, Wiesen- und Wald-Kultur, auch Politik wurden be sprochen, aber die Hauptsache blieb doch der darauf folg» nde gemüthltche Skat. Herr von Falkenburg wohnte mit seiner neunzehn jährigen Tochter auf seinem Stammsitze seit fünf Fahren allein; vor dieser Zett war ihm dir Frau gestorben. Auch hatte er außer seiner Tochter Gertrud, welche im väterlichen Hause von einer hochgebildclen Erzieherin unterrichtet worden, keinen Menschen weiter, de» er als seinen Verwrndten betrachten konnte." Während die Herren sich unten in den weiten glänzenden Räumen n^ch und nach etnfanden, ver- blieb Gertrud, eine reizende junge Dame, in ihrem behaglichen eine Treppe hoch gelegenen Boudoir noch immer allein. Sie hatte herst< > keine Lust, unten zum Empfang der Herren zu erscheinen. Auf ihrem Fauteuil saß sie in graziöser Haltung und las in einem Gustav Freitagschen Buche, welches sie aber in einer unerklärlichen Unruhe bald weglegte. „Mein Gort, was soll au; mir werden?" rief sie halblaut vor sich hin. „Verliebt bin ich noch lange nicht, und doch ahne ich, daß ich bald eine Fra» sein werde — sein muß! — oder mein guter Vater vertiert vollständig seine Geduld. Wie merkwürdig! ich habe die Masern gehabt, auch am Keuchhusten ge litten, habe überhaupt die meisten Kinderkrankheiten überstanden - jedoch zum Verlieben, welches wohl auch nur eine krankhafte Erscheinung in der Jugendzeit sein nrag, ist es bei mir noch nicht gekommen, und . . . . . herein!" durch ein Klopfen an die Thür wurde Gertrud in ihrem Selbstgespräch gestört. Sie erhob sich schnell und eilte zur Thür hin; ihr Vater, ein alter Herr in elegantem GesellschaftSanzuge tral herein. „Weißt Du denn nicht, meine Tochter, daß wir um 7 Uhr speisen wollen? ES ist bereit- 6, und Du bist noch immer nicht unten." „Entschuldige Papa, daran habe ich nicht gedacht. Sind Deine Gäste bereits alle da?" „Fast alle; auch Herr Wilhelm Berg ist bereits a »gelangt und Hat sich angelegentlich nach Dir erkundigt, ebenso Herr Siegfried von Goldenstetn. Komm nun doch bald und unterstütze Deinen Vater." „Gewiß, Papa, in 15 Minuten bin ich fer tig." Sie klingelte. Munter und hurtig erschien ein flinke» Mädchen, ihre Kammerjungfin. unr auf Schuldig de» Todtschlag», n'chdem d r ver- thrstiger, Rechtsanwalt Heine, «»»geführt hatte, daß die Angeklagte sich in einem solchen Zustande der Verzweiflung befunden habe, daß ihr die Ueberlegung gerauht worden sei. Da» Urtbeil lautete auf zwölf Jabre Zuchthaus und lojährige.r Ehrverlust b Dekorativ. „Zu unserer Abenda s.llschast kannst Du noch die beiden jungen Doti». » etnladen; die eine Wand in unserem Salon sicln so kahl auS l" (>L. Bl.") b Einladend. Reisender (zum Hausknecht) - K»», gen Sie, ist da» Belt auch tnsrktensrei ? — Hau»D8cht: Das will ich meinen, ich habe doch erst gestern für 30 Pfg. Insektenpulver eingesireut l b Dürfen „liöhere Töchter" seidene Unterröcke tragen? Diese wichtige Frage wurde kürzlich WtPäda gogischen Tonsetl de» Tambowschen Mädch«igtzMtta- siuui» verhandelt. Einer der Lehrer hatte närMich eine formelle Beschwerde beim Director de» Gymna sium» darüber eingeretcht, daß die Schülerinnen ihn mit dem Rauschen der ,etdenen .Unterröcke bet der Ausübung seiner pädagogischen Thätigkeit störten. Da» Resultat dieser der Entscheidung de» EonseilS av- heimgestellten Beschwerde war da» streng« Verbot für die Schülerinnen, derartige Kleidungsstücke (naiürlich nur, fall« sic au» seidenen Stoffen angesertigt sind) fernerhin zu tragen. b Ueber alkoholfreies Bier hat in der letzten Sitz ung des BerwaltungSf'NatS zu München, wie wir aus der Münchner Allg. Ztg. ersehen. R chtSanwalr Beckh nachstehende appttitlichenMittheilungen gemacht: .Der Brauereidirekto« Karl Michel hatte «in Quantum Apotheker LaeuenS alkoholfreien Bieres bezogen und dieses dem Magistrat München zur Untersuchung über, g ben. Die von der kö»igl. UntersuchungSanitat für NahrungSmitt l vorgenommene Ana'yse hatte folgen, de« Ergebniß: „DaS Getränk ist mit Kohlensäure tm- prägnirt, besitzt eine rolhbraune Farbe und einen sehr erheblichen rorhbraunen Bodensatz. BeimOeffnen der Flasche schäumte dal Getränk stark in Folge des Kohlensäuregehalts, d-rSchaum war auffallend orange gesärbr. Die chemische Untersuchung ergab, daß daS Bier allrrdingS l>,00 Theile Alkohol enthielt und keine Lalicylsäure, dagegen 0,0408 Gewichtsprozent PhoS- phorsäure und außerdem Theerfarbstosfe, präsentirle sich also als alkoholfreie fünfprocentige wässerige Lö sung von Malzextrakt, der mit anderen Vegetabilien uromatisirt, mit Theersarbstoffen künstlich braun ge färbt und mit Kohlensäure i.iprägnirt wurde." Die ses Ge -.ansch mag man unter entsprechenden Lhanta- sienamen Liebhabern »npreisen, nur wird es nachdem Nahrungsmittelgesetz nicht Anspruch auf den Namen Bier machen dürfen. Fulard-SeidenWM. bis Mk. 5.85 per Meter — japanesische, chinesisch« «Ic. in ben neueste» Dessin« und Farben, sowie schwarz», weiß« u. farbig« Hennederg» Seide von 75 Pf. bi« Mk. 18.65 per Meter - in dm modernsten Geweben Farben Dessin». leSermann krrnlw. u. verrollt in» llmw Muster umgehend. 2 „Jettchen, beeile Dich, Du hast mir sofort leider Toilette behülflich zu sein. Schnell mit dem hellblauen Kleide h.r! Du sollst mich jetzt so schön machen wie es Dir möglich ist." Jettchen eilte zurück, um das Kleid zu holen; ihre Herrin wollte ihr schnell folgen, wurde aber vom Vater zurückgehalten. „Gertrud, ich habe Dir vorher noch etwas sehr Wichtiges mitzutheilen." Die Tochter horchte mit Erröthen neugierig auf. „Du erfährst diesen Abend oie seltene ihre, daß Dir — aber in allem Ernst! — zwei HeirathSanträge gemacht werden." „Gleich zwei? wie soll ich das verstehen?' „Ja, es ist ein Spiel des Zufalls. Heer Sieg fried von Goldstein bereits gestern, und Herr Wilhelm Berg vor einer halben Stunde haben mir die Ehre erwiesen, mich um die Erlaubniß zu bitten, ihre An träge an Dich zu stellen. Beide sind bezüglich der Familien- und Vermögensverhältntffe ganz besonders bevorzugte Leute, auch jui.g schön und zart von Gemüth. Und aS kann ein« Frau »och mehr ver langen?" „Nicht- weiter!" erwiderte Gertrud taut auslachend. — „Also beide soll ich heirathen? zuerst einen und dann den anderen? oder beide zugleich? —Wie soll ich das verstehen? „Kind, wa- sprichst Du! Du sollst Dir einen von den beiden nach Deinem Herzen wählen. Herr von Goldstein, der Sohn emes geheimen Kommerzten« rathS, ist sehr reich — — doch wähle, welchen Du willst. Du weißt, ich bin bet meinem hohen Alter bereits schwach und hinfällig, und wie gern« möchte ich daher doch endlich den Mann sehen, der hier auf unserm Stammsitz mein Nachfolger sein soll! Wenn Du Dich nicht bald entschließest, vergeh« ich vor Ungrduld." Herr von Falkenstrin ging dann zu srtnrn Gästen hinunter. Forts, folgt.