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Auerthal-Zeitung : 10.10.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189410107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18941010
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18941010
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1894
-
Monat
1894-10
- Tag 1894-10-10
-
Monat
1894-10
-
Jahr
1894
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 10.10.1894
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Italien. * Eine Aufruhrmeldung kommt wieder einmal auS Italien. In Casal Vecchio sind Unruhen, die daselbst vor einigen Tagen unter der Landbevölkerung wegen Verteilung des dem Staate gehörenden Grundbesitzes herrschten, in offenen Aufruhr auSgeartet, und haben das Einschreiten der bewaffneten Macht erforderlich gemacht. Spanien. »Der Marschall Martinez Campos, der vor einiger Zeit aus Anlaß der Vorgänge bei Melilla seine Mission beim früheren Sultan von Marokko durchführte, ist am 3. d. nach Madrid zurückgekehrt und hatte eine lange Konferenz mit den spanischen Ministern des Krieges und der auswärtigen Angelegen heiten. Wie die beiden Minister glaubt der Marschall, daß es unpolitisch wäre, auf der Ausführung des spanisch-marokkanischen Vertrages zu bestehen, ehe nicht der neue Sultan seine Autorität im Lande genügend begründet hat, um nach dem Riff eine Armee senden zu können, welche die Kabylen zwingt, die Bestimmung der Grenz- und der neutralen Zone am Melilla vor nehmen zu lassen. Rußland. *Wie aus Petersburg gemeldet wird, sind die dortigen Redaktionen erneut angewiesen worden, nichts über die Krankheit des Zaren zu bringen. Der Zustand des Monarchen sei unverändert; die Abreise nach Korfu werde, falls daS Wetter in Livadia nicht besser und es nicht bald sehr warm werde, bereits in den nächsten Tagen erfolgen. Im Schlosse des Königs Georg von Griechenland auf Korfu ist bereits alles zum Empfange der russischen Kaiserfamilie bereit. * Polnischen Blättern wird aus Petersburg berichtet, daß im Baukomitee der sibirischen Eisenbahn kürzlich ein Vorschlag erörtert wurde, nach dem die Entlassung zahlreicher bei dem Bau provisorisch angestellter Beamten polnischer Nationalität erfolgen sollte. Ein Vorschlag in diesem Sinne sei dem Grostfürst-Thronfolger, der als Präsident deS Komitees fungiert, unter breitet worden. Der Thronfolger habe den Antrag abgelehnt und er habe bei diesem Anlaß bemerkt, es sei kein Gmnd zu einem einseitigen Vorgehen gegen die polnischen An gestellten vorhanden. Habe man ihre Dienste einmal angenommen, so dürfe man sie jetzt nicht brotlos niachen, da eine solche Maßnahme eine Ungerechtigkeit gegen die Betreffenden und zu gleich ein Schritt wäre, der den Klagen der Polen neue Nahrung geben müßte. Diese Aeußerung des Zarewitsch soll angeblich in Petersburg einen sensationellen Eindruck hervor gerufen haben. Balkanstaaten. * Vor dem Militärgericht zu Athen begann am Freitag der Prozeß gegen 86 Offiziere wegen der in dem Geschäftshause der Zeitung,Acro- polis' verübten Ausschreitungen. Da» Trikothemd, das zu denjenigen militärischen Ausrüstungs gegenständen gehört, die zur Zeit einer Trage probe unterworfen werden, ist Gegenstand sehr verschiedener Beurteilung in der Presse gewesen. Um diesem Kleidungsstück nach jeder Richtung gerecht zu werden, ist es, so schreibt die ,Mil.- Pol. Korr.', notwendig, nochmals auf die An gelegenheit näher einzugehen. Das baumwollene Gewebe eines ProbehemdeS, das uns vorgelegen hat und von sachverständiger Seite untersucht wurde, ist schön und auch das Garn erscheint gut. Ein genau nach Vorschrift mit dem neuen, ungebrauchten Hemde vorgenommener Waschver such (Einweichen in heißem Seifenwasser während einer halben Stunde und Nachspülen in lau warmem Wasser, ohne zu reiben) verlief nicht ungünstig, wenn auch zunächst das Eingehen in der Länge nicht ganz unbeträchtlich war; es muß aber doch hervorgehoben werden, daß der Trockenprozeß sich sehr langsam vollzieht und fast einen ganzen Tag erfordert. Immerhin ist diese Art des Waschens für den Feldgebrauch unmöglich, sowohl wegen des heißen und lau warmen Wassers, das dazu vorgeschrieben ist, als wegen der langen Trockenzeit; auch im Manöver und überhaupt für die Friedenszeit hindert sie den einzelnen Mann daran, die Wäsche deS Hemdes selbst vorzunehmen. Abge sehen davon ist es aber mehr als fraglich, ob auch bei einem getragenen Hemd diese Reinigung genügen wird. Ferner wird auch die leichte Qualität des Hemdes eine kräftigere Behand lung, Reiben rc. nicht aushalten. — Das haupt sächlichste Bedenken gegen die Brauchbarkeit des Trikothemdes liegt aber darin, daß es einmal nur für die heißeste Jahreszeit geeignet sein dürste, keineswegs aber für kühle oder gar kalte Witterung paßt. Lurch das Unter- oder Ueber- ziehen von warmen Wollsachen würde der Nutzen des Hemdes, der durch sein leichtes Gewicht er zielt wird und der für seine zunächst probeweise Einführung wohl mitbestimmend war, aber durch aus hinfällig werden. — Schließlich (und es ist nicht daS geringste Bedenken, das wir haben) kommt etwas anderes in Betracht: Nicht das neue Hemd ist patentiert, sondern die neuen Webstühle, auf denen das Hemd gewebt wird. Die Industrie, die an der Herstellung dieses künftigen Militärhemdes sich beteiligen wollte, wenn das Patent, wie selbstverständlich im Fall der Einführung, freigegeben wird, muß sich mit sehr erheblichen Kosten neu ausrüsten. Sollte sich auf die Dauer das Hemd dann doch inicht bewähren, so ist dieses Geld verloren. Ander seits könnten nach unserer Ueberzeugung auch auf den bisher üblichen Stühlen Hemden von nicht geringerer Güte und ungefähr demselben Gewicht hergestellt werden, die in jeder Be ziehung mit den Probehemden den Wettbewerb aushalten dürften, ohne daß mit ihrer Einführung ein bedeutendes volkswirtschaftliches Wagnis ver bunden wäre. Wir würden es für außerordent lich erwünscht halten, gerade bei der Einführung dieses Artikels, — auch unter Berücksichtigung der Lage der deutschen Weberei — mit ganz be sonderer Vorsicht vorzugehen. Politische Pvvkscha«. Deutschland. * Der Kaiser hat Donnerstag abend die Rückreise von Jagdschloß Rominten angetreten. Freitag vormittag trafen der Kaiser und kurz darauf die Kaiserin in Eberswalde ein. Beide begaben sich alsdann nach Hubertusstock. »Der Reichskanzler Graf Caprivi hat sich am Freitag nachmittag zum Vortrag bei dem Kaiser nach HubertuSstock begeben. »Heber die Berufszählung, die im Jahre 1895 stattfinden soll, wird dem Reichstage ein besonderes Gesetz vorgelegt werden. Der Kostenaufwand für die Zählung berechnet sich wie im Jahre 1882 auf 2 Mul. Mark. Die Die Zählung soll möglichst um die Mitte deS Sommers stattfinden. Es soll aber diesmal, wie offiziös geschrieben wird, nicht der 5. Juni, sondern ein um wenige Tage späterer Termin im BundeSrat in Vorschlag gebracht werden. * Vom bürgerlichenGesetzbuch wird der ,Nordd. Allg. Ztg.' zufolge in den nächsten Wochen die Drucklegung deS Familien- recht» erfolgen, so daß der Reichstag bei seinem Zusammentritt auch diesen Teil deS bürger lichen Gesetzbuches bereits fertig vorfinden dürste. »Wie der .Expreß' wissen will, ist dem Generalkommando deS 14. Armeekorps eine Kabinettsordre zugegangen, die die Feststellung der Namen jener Mannschaften anordnet, die an der bekannten Begegnung der deutschen und französischen iSoldaten an der Grenze teilgenommen haben. ES soll ihnen angeblich für ihr kameradschaftliches Benehmen die kaiserliche Anerkennung ausgesprochen werden. »JnderDiSziplinarverhandlung gegen den Kanzler Leist aus Kamerun, die am 16. d. vor der Potsdamer Disziplinarkammer stattfindet, werden nur wenige Zeugen persönlich vernommen werden. Die meisten Zeugen, dar unter auch Dr. Vallentin, der demnächst nach Afrika zurückkehrt, sind kommissarisch vernommen. Unter den Zeugen, die noch vernommen werden, befindet sich auch der Leutnant Hering und Lowien. Obgleich nach dem Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, es nicht erforderlich ist, daß der Angeschuldigte der Verhandlung persönlich beiwohnt, wird Kanzler Leist dennoch persönlich zum Termin erscheinen. »Zur Vergrößerung des HamburgerFrei- hafengebietS soll die Wandrahmsinsel vollständig durch den hamburgischen Staat im nächsten Jahre erworben werden. Es handelt sich insgesamt um die Einverleibung von etwa 120 Grundstücken mit einem Grundwert von annähernd 20 Millionen Mark. Etwa hundert Grundstücke find bereits nach und nach in den Besitz des Staates Hamburg übergegangen; mit etwa 20 Grundstücksbesitzern hat eine Einigung wegen des Kaufpreises indes noch nicht statt finden können, oder die Verhandlungen schweben noch in der Enteignungskommisston. »Die preuß. Regierung beabsichtigt eine Untersuchung der Verwertbarkeit der Wasserkräfte zu gewerblichen Zwecken in emigen Landesteilen veranstalten zu lassen. Die Provinzialausschüffe sind befragt worden, ob die Kosten dieser Untersuchung auf Provinzial- fondS übernommen werden könnten. » Der mecklenburgischeLandwirt- schaftsrat ist von der Regierung zum 9. Oktober nach Schwerin einberufen worden. Eingeladen sind auch Prof. Seering-Berlin und Prof. Stieda-Rostock. Die Hauptfrage dreht sich um dieVermehrung kleiner Grund besitzer. Oesterreich-Ungar«. »Das ungarische Magnatenhaus hat das Gesetz über die freie Religionsübung mit geringer Majorität angenommen. Frankreich. »Die Suez-Kanal-Kompanie soll bei der französischen Regierung um Schutz ihres Besitzes in Aegypten gegen die streikenden Baggerarbeiter nachgesucht haben. Der Komman dant des französischen Kreuzers „Troude" in Port-Said ist bereit, Mannschaften zu landen, sobald dies das Verhalten der Streikenden nötig Aste«. »In China schrettet die Auflösung derinnerenOrdnung rasch vorwärts, ja eS scheinen ganze Teile deS Lande» sich bereits in vollem Aufruhr zu befinden. Wie au» Shanghai gemeldet wird, ist in der M ongolet ein Aufstand auSgebrochen, zu dessen Unter drückung Truppen von Peking entsandt worden Fien. Auch im kaiserlichen Palaste in Peking sollen ernstliche Unruhen entstanden sein. Viele Europäer haben sich MS der Umgegend nach Tientsin begeben. »Japan beginnt sich in Korea einzu nisten. Als Vertrauensmann des Mikado und zugleich als solcher deS Königs von Korea hat sich an den Hof des letzteren der biShenge japanische Minister für Landwirtschaft und Handel, Graf Shiosiro Goto, begeben. Seine Aufgabe ist, dem koreanischen Herrscher als eine Art oberster Ratgeber bei Einführung der beabsich tigten Reformen zur Seite zu stehen. macht. Die französische Regierung will offenbar am Suezkanal wieder Fuß fassen. »Infolge der vom Senator Jule» Simon m .Figaro' veröffentlichten Artikel über daS Ein dringen deS Sozialismus selbst in die kl ein st en Dörfer verlangt die gemäßigte republikanische Presse, daß die Kammer sich mit >er Lage der kleinen Grundbesitzer beschäftige und durch weise Maßregeln der sozia listischen Propaganda den Boden entziehe. Das „Fordern weiser Maßregeln" ist ein beliebtes Schema der opportunistischen Presse, dagegen hat man von einer ernsten Inangriffnahme solcher Maßnahmen durch die opportunistische Pattei bisher wenig in Erfahrung bringen können. England. » Der englische Ministerrat vom Don nerstag hat sich fast ausschließlich mit der Frage des besseren Schutzes britischer Untetthanen in China beschäftigt und eine beträchtliche Ver stärkung der englischen Streitkräfte in Ostasien beschlossen. Wie die Londoner Morgenblätter vom Freitag melden, ging der Admiralität der Befehl zu, daS britische Ge schwader in den chinesischen Gewässern zu ver stärken. Us« Pich rnrk Fens. Lt« neuer Kugelsicherer. Es scheint, als ob die Schneider sich jetzt ganz besonders auf militärische Erfindungen geworfen hätten. Auch ein Bromberger Schneidermeister, namens Härzer, ein geborener Schlesier, hat jetzt einen kugel sicheren Panzer erfunden. Am 3. Oktober fanden die Schießversuche statt. Dieselben ergaben, daß der Panzer vollständig undurchdringlich ist, und daß er dem Geschoß deS Gewehrs Modell 88 trotzt. Während der Dowesche Panzer annähernd 30 Pfund wiegt, wiegt der Härzcrsche nur 10 biS 12 Pfund. Durch eine« betrübenden Unglücksfall wurde in Heilbronn die Familie Feyerabend in Trauer versetzt. Die beiden Brüder wollten am Montag beim Ulanen-Regiment in Ludwigsburg als Einjährige eintreten. Einer von ihnen, ein leidenschaftlicher Jäger, begab sich nachts auf den Anstand und kehrte nicht mehr zurück. Bei der am Sonntag angestellten Suche fand man den jungen Mann erschossen im Thalheimer Steinbruch, das abgeschoffene Gewehr lag neben ihm, auf der Leiche saß der Jagdhund, der niemand heranlassen wollte. Die eingeleitete Untersuchung ergab einen Unglücksfall, das Ge wehr, mit Rehposten geladen, ging in unauf geklärter Weise lo» und zerschmetterte dem jungen Mann den Schädel. Ausgebrochene Einbrecher find kürzlich in die königliche Haupt-Reparaturwerkstatt auf der Salbker Feldmark (Regierungsbezirk Magde burg) eingedrungen. Sie hatten es scheinbar nur darauf abgesehen, ihre Anstaltskleidung mit einer weniger auffälligen zu vertauschen; denn sie haben zwei neue Drillichjacken mitgenommen und dafür ihre Sträflingskleidung, die den Stempel A. 1890 St.-A. und ebensolche mit den Jahreszahlen bis 1893 trug, zurückgelassen. Welcher Anstalt die Diebe angehören, ist nicht bekannt. Liebes-Tragödie. Der Waldessaum hinter dem Dorfe Kirchditmold war am 3. d. früh gegen 6'/, Uhr der Schauplatz einer Liebes- Tragödie. Arbeiter, die dort in der Nähe auf dem Felde arbeiteten, hörten um die mgegebene Zeit Hilferufe und Angstgestöhn. Als sie der Richtung des Schalles nachyingen, fanden sie einen jungen Mann und ein Mädchen, beide in ihrem Blute. DaS Mädchen, die 17 jährige einzige Tochter eines Kaufmanns aus Kassel, war bereits tot, eine Rcvolverkugel hatte ihr das Herz durchbohrt. Der junge Mann, der 18 jährige Sohn eines dortigen Viktualienhändlers, hatte sich in die Brust geschossen und darauf die Hilferufe ausgestoßen. An seinem Auf kommen wird gezweifelt. Ein neues Opfer hat in Mühlhausen am Montag das unvorschristsmäßige Aufbewahren von Schießwaffen gefordert. Zwei Knaben haben in der Behausung ihres Großvaters nach einem Bild gesucht und dabei auf einem Schrank ein Terzerol gefunden, womit der eine der Knaben seinem sechsjährigen Bruder, ohne zu wissen, daß das Terzerol geladen war, eine Kugel durch den Kopf gejagt hat, so daß der Getroffene so fort verschieden ist. Ein Kaffenbote in Dülmen hatte dieser Tage 600 Pik. in Hundertmarkscheinen verloren. Ein Spaziergänger traf auf der Straße eine Gesellschaft von Kindern, die mit den „blauen Bilderchen" spielten. Das Geld wurde, nachdem die Kinder eine Düte Konfekt erhalten hatten, an den Verlierer zurückerstattet. Ein eigentümliches Hindernis hat sich dieser Tqge der Eheschließung eines Brautpaares in Kahla entgegengestellt. Von dem Standes amt war auf Ersuchen eines auswärtigen Standesamtes ein Aufgebot zur Eheschließung in dem Amtskasten ausgehänyt worden. Als nach Ablauf der 14tägigen Frist der Standes beamte die Bekanntmachung aus dem Kasten herausnehmen wollte, war das Schriftstück spur los verschwunden; nur die vier Ecken, an denen es befestigt gewesen, waren noch zu sehen, der Hauptteil aber wahrscheinlich mittels eines Stockes oder ähnlichen Gegenstandes losgerissen und durch das Gitter des verschlossenen Kastens herausgeangelt worden. Die Folge davon war, daß vom Standesamt eine Bescheinigung, daß Ei« Tran« vom Glück. v) (Fortsetzung.) „Sie werden nicht zu lange bleiben," mur melte Tamerlan. Als er nach einer Viertelstunde unten die Thür gehen Hütte, öffnete er leise die seine, um sogleich nach der Entfernung der Be amten wieder hinabschlüpfen und seine Arbeit vollenden zu können. Zu seinem großen Schrecken vernahm er jetzt eine fremde, weibliche Stimme, die sagte: „Ich werde alles getreulich erfüllen, Herr Doktor, und hier bleiben, bis die Herren zum Versiegeln kommen." Die andem stiegen hierauf die Treppe wieder hinab. Auch Tamerlan schlich sich nach dieser, um wenigstens einen heimlichen Blick auf die Sprecherin zu werfen. ES war, wie er vermutet hatte, eine barmherzige Schwester, die alsbald in daS Zimmer der Kranken zurückkehtte und dieses hinter sich verschloß. Enttäuscht und MfS äußerste beunruhigt, kehrte Tamerlan ebenfalls wieder um, dabei die Säumigkeit der Kranken in ihren Mitteilungen verwünschend. DaS Geheimnis war wertto» ohne den Schlüssel zu demselben, und nun hatte er keine sichere Aussicht mehr, denselben zn er langen. Frau Friedberg mochte daS wissen, und vielleicht veranlaßte sie dieser Umstand, im letzten Augenblick noch einen Dritten inS Ver trauen zu ziehen, vorausgesetzt, daß die Polizei bei ihrer zweiten Haussuchung nicht glücklicher gewesen und daS unter der Diele Versteckte ge ¬ funden hatte. Herr Tamerlan verbrachte eine schlaflose Nacht. S. Im Polizeigewahrsam. Um sie schon am nächsten Morgen vor den Untersuchungsrichter stellen zu können, hatte mm Hertha Friedberg nach dem Polizeipräsidium überführt. Statt der gefürchteten dunklen und kalten Zelle umfing sie hier ein Wetter und gut er wärmter, Heller Saal, in den man alle diejenigen brachte, die mm während der Nacht verhaftet hatte. ES war schon eine große Anzahl steg würdiger Gestatten beieinander, und noch fort« während kamen neue Gefangene beiderlei Ge schlechts hinzu. Mm lärmte, schrie, sang und zeterte in einer betäubenden Weise, so daß der anwesende Schließer wiederholt mit Stentor stimme Ruhe gebieten mußte, ohne die bewegte Masse vollständig zum Schweigen bringen zu können. Man war hier zu Hause, wenigstens gebärdete man sich so, und je größer die Strafen waren, die die Gefangenen zu gewärtigen hatten, um so weniger achteten sie die Verhaltungs maßregeln im Polizeigewahrsam. Der Schließer schien daS zu wissen und eher geneigt, einen Konflikt zu vermeiden, denn er machte nur hin und wieder einen Versuch, den Lärm zu dämpfen, ohne sich dabei m eine bestimmte Person zu wenden. Wie im Pfandhause, der staatlich konzessio nierten Bank der Armen, sah mm auch hier neben der Trauer und Zerknirschung die sich breit machende Frivolität und den Gleichmut, die die Gewohnheit gibt. Wie dort rekrutierten sich auch hier die Menschen aus allen Gesell schaftsklassen, war jedes Alter vertreten. Zu denjenigen, die sich still beiseite schlichen, um m irgend einer dunklen Ecke oder einsamen Nische ihren finsteren oder trüben Gedanken nachzuhängen, gehörte auch Hertha Friedberg. Sie schien die Schmach rhres Hierseins von allen Anwesenden am tiefsten zu empfinden, wenigstens saß sie leidversunken beiseite und daS Gesicht von denen abgewendet, die Scham und Reue längst von sich abgestreift hatten. Um so mehr richteten sich die Blicke der Verbrecher auf die anmutige Erscheinung, die in den Rahmen dieses Nachtbildes nicht zu passen schien. ES war HetthaS Unglück, überall aufzufallen und dadurch ihre gern verborgene Armut erst recht offenbar zu machen. Hier wmde die letztere allerdings am allerwenigsten bemerk, man setzte vielmehr nun die Debatte aus dem Pfandhause über ihre mögliche Schuld oder Unschuld fort. ES gab auch hier viele, die an letztere glaubten, während die anderen in dem bescheidenen, züch tigen Wesen deS jungen Mädchens nur ein er höhtes Raffinement erkennen wollten. „Die versteht'»," hieß eS, „sie übt sich auf mildernde Umstände ein." Und freilich, der Ott war dazu angethan, der Vermutung nach dieser Richtung hin den weitesten Spielraum zu geben. Hertha sah und fühlte, daß alle Blicke auf ihr ruhten, und da» wurde ihr bald unerträglich. Sie erhob sich wieder und schritt der Thür zu, die sie — ach wie gern! — zwischen sich und diese unheimliche Gesellschaft gebracht hätte. Im gleichen Augenblick wurde die Thür ge öffnet, aber nicht, um sie hinauszulassen. Eine steche Dirne mit ungeordnetem Anzuge trat lachend herein, als wenn sie zu einer Gesellschaft unter Freunden und nicht ins Gefängnis komme. Hertha erbleichte; sie kannte dieses Mädchen, und jene erkannte sie auch sofort wieder. „Herr du meine Güte!" rief sie überlaut, so daß man allgemein aufhorchte. „Ist das denn nicht? — Wahrhaftig, das ist ja Hertha Fried berg, das schöne, tugendbelobte Herthachen, daS immer mit solcher Verachtung auf mich als auf eine Verlorene herabblickte. Hahaha! Nein, aber dieses Wiedersehen kommt mir wirklich unver hofft. Na, wie geht eS denn, meine liebe, junge Freundin?" Sie streckte mit einem unverschämten Lächeln ihre Hand nach Hertha MS, diese aber wandte sich verächtlich von ihr. „Na, eS war ja auch gar nicht ernst ge meint," fuhr die andere gereizt und höhnisch fort. „Möchte solch' einer auch gar nicht die Hand geben l AIS wenn ich eS nicht längst gewußt, wovon Sie mit Ihrer sauberen Mutter so don lebten und eine Wohnung im Westen unterhielten. Eine nette Familie! Allerhand Achtung! Und wer sich am meisten achtet, der bleibt ihr am femsten. Mich wundert nur, daß sie Kloß die Schülerin hereingenommen haben und nicht auch die Lehrerin. Allerdings — die hütet sich vor Schaden, und eine gehörige Erfahrung mag sie hinter sich haben." „Wen meinen Sie denn damit, Flore
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