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rötlich überlaufen sind, einzeln oder zu zweien auf einer Trieb spitze und warten Ende Mai oder Anfang Juni auf die Be stäubung durch den Pollen, den ihnen der Wind zuträgt. Die männlichen, schwefelgelben, am Grunde junger Triebe kätzchen artig gehäuften Blütenstände tragen zahllose Pollensäcke, deren einzelne Pollenkörnchen durch je zwei lustgefüllte Blasen ganz hervorragend für eine weite Lustreise ausgerüstet sind. Wenn an einem Sommerabend die untergehende Sonne die Aste in den dunkelgrünen Wipfeln der Kiefer vergoldet, sehen wir den Pollen in einer gelben Wolke über dem Kiefernwald schweben, die Lust mit einem feinen, süßen Dust erfüllend. So unvorstell bar groß ist die Pollenerzeugung des Baumes, daß in früheren Zeiten von einem Schwefelregen gefabelt wurde, wenn ein Sommergewitter den Blütenstaub niederschwemmte, daß der Boden weithin gelb gefärbt wurde. Ganz eigenartig ist der Be fruchtungsvorgang. Auf den Schuppen blättern der Samenblüten liegen ganz ungeschützt je zwei Samenknospen, die den zugewehten Pollen festhalten. Diese Samenanlagen besitzen zwei Zipfel, die sich nach einwärts krümmen und die Pollenkörner eng an die Samenknospe anprefsen. Wie man beobachtet hat, scheidet diese dann ein wenig Feuchtig keit aus, die das Pollenkörnchen zum Platzen bringt, und der austretende Keimschlauch wächst dann dem Li in der Samenknospe langsam entgegen. Es dauert aber 13 Mo nate, bis die Befruchtung erfolgt. Während dieser Zeit schließen sich die Schuppenblütter, an denen diese Samenanlagen sitzen, eng zusammen und verkleben den ganzen Zapfen mit dem von ihnen ausgeschwitzten Harz, um - wie immer in der Natur - das Geheimnis des Lebens zu verbergen. Bis zum ersten Winter wächst das kleine Zäpfchen, das sich unterdessen mit der Spitze nach abwärts wendet, zu Haselnußgröße heran, und erst im Herbst des nächsten Jahres erreicht es die volle Größe von etwa 3-7 cm Länge und 2-4 cm Dicke. Die Schuppenblätter verholzen allmählich, werden lederbraun, und im dritten Jahr klaffen die Schuppen auseinander, um diereifgewordenen Samen herausgleiten zu lasten. Meist erst im vierten Jahr lösen sich dann auch die entleerten „Kienäppel" vom Baum. Die etwa 4 mm großen, schwarzbraunen Samen sind mit einem löffelähn lichen Flügel von ca. 1 ffs cm Länge versehen und werden als „Schraubenflieger" vom Winde umhergewirbelt. Sie blesben 3-4 Jahre keimfähig. Die Kiefer blüht und fruchtet zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, wenn sie im Schluffe steht; im Freistand schon im 15.-20. Jahr. Bei der Keimung bildet die Pflanze zunächst ein kleines Stiel- chen mit einem Quirl von 5-6 dreikantigen „Keimnadeln" an der Spitze, danach einen Höhentrieb mit den sogenannten „Erstlingsnadeln", die am Rande gezähnt sind. Auch im zweiten Jahr bringt der neue Trieb noch die spiralig angeordneten, ge zähnten, flachen Nadeln hervor, und erst im dritten Jahr wird dann ein Zweigquirl entwickelt mit zwei auf einen kleinen Kurz trieb gestellten Nadeln, die anfangs in silberweißen, später häutig-braunen Scheiden stecken. Sie haben jetzt die Form wie bei den erwachsenen Bäumen, sind etwa 4-6 cm lang und vom Grunde bis zur Spitze meist um einen vollen Umgang gedreht. Auf der Oberseite sind sie dunkelgrün und gewölbt, auf der Unterseite flach und meergrün und gegen.übermäßige Wasser verdunstung durch einen Wachsüberzug geschützt. In jedem weiteren Jahr wird nun ein neues Stockwerk aus Endtrieb und Zweigquirl auf den stärker werdenden Schaft aufgebaut, so daß man bei jungen Kiefern das Alter mühelos an den Stockwerken abzählen kann, wobei man die ersten zwei Entwicklungsjahre hinzufügen muß. Wie schön sieht eine junge Kiefer aus, wenn im Anfang Mai die jungen, hellgrünen Triebe hervorbrechen, kerzmgerade nach oben gerichtet. Erst im Laufe des Sommers nehmen sie dann ihre endgültige waagerechte Stellung ein. All jährlich im September werden die Nadeln, soweit sie inzwischen 2-4 Jahre alt geworden sind, abgeworfen. In der Jugend wächst die Kiefer nur langsam, vermutlich, weil sievielKrastfürdiereicheWurzelausbildungverbraucht,abervom 15. Jahr an beeilt sie sich, da sie als ausgesprochener Lichtbaum trachten muß, ihre Waldgenossen zu überflügeln, um in den Genuß des vollen Sonnenlichtes zu gelangen. Mit 25 Jahren ist sie etwa 10 m hoch, mit 40 Jahren etwa 15 m, und im Alter von 80 Jahren geht sie bereits über die 25 m hinaus. Vom 100. Lebensjahr ab läßt die Wuchsleistung zwar nach, doch kann der Baum unter günstigen Standortverhältnifsen die stattliche Höhe von 35-45 m erreichen, denn er wird mehrere hundert Jahre alt. Im Forstbetrieb läßt man die Kiefer aber nicht so alt werden, denn ihr Nutzwert ist am größten im Alter von 80-100 Jahren, weil dann das Holz für Bauzwecke die beste Verwendungsmöglichkeit bietet. Für Grubenhölzer ist schon eine Umtriebszeit von 40-60 Jahren ausreichend. Das wertvollste Holz liefert der Baum aber nicht vor dem 120.-160. Lebens jahr, weil erst dann die Verharzung des bräunlichroten Kern holzes sich über den größten Teil des Stammes ausgedehnt hat. Dieses harzreiche Kernholz ist von großer Dauerhaftigkeit, hoher Elastizität und Tragfähigkeit und steht an Güte dem amerikanischen Pitchepine kaum nach. Wie groß der wirtschaftliche Wert der Kiefer ist, erkennt man am besten an der vielseitigen Verwendung des Holzes, das an der Lust wie unter Wasser außerordentlich dauerhaft ist. Als Bau- und Werkholz ist es beim Hausbau in Stadt und Land unentbehrlich, für Brücken- und Grubenbauten, für Bahn schwellen, Telegraphen- und Gerüststangen ist es in der be nötigten Menge überhaupt nicht zu ersetzen. Von der Bau- und Möbelschreinerei wird es in großen Massen für Türen, Fenster rahmen und billige Möbel gebraucht, auch für Parkettböden und Dielen ist es gut verwendbar. Die Landwirtschaft hat laufend großen Bedarf an Stangen für Rebstöcke, Bohnenstangen, Baumpfähle, Zäune usw., wofür die Stangenhölzer heran gezogen werden, die bereits bei der ersten Durchforstung an fallen. Ferner ist das Kiefernholz wichtigster Rohstoff für Pappen und Packpapier. Neuerdings wird der Baum wieder stärker zur Terpentinölgewinnung herangezogen, da es gilt, daßsich Deutsch land von der Einfuhr ausländischer Rohstoffe soweit wie mög lich unabhängig macht. Teer, Schiffspech und Kienöl, Kienruh zur Herstellung von Druckerschwärze, Schuhwichse usw. sind weitere Produkte der industriellen Verwertung des Baumes. Selbst die Nadeln sind nicht nutzlos; aus ihnen wird die zu Heil zwecken und als Polstermaterial dienende Waldwolle gewonnen. Höher als die Waldkiefer steigt in den Alpen die Bergkiefer moiuäiis) empor, die oberhalb der Baumgrenze in wech selnder Höhe von 1600-2300 m einen breiten Schutzgürtel 2-31» hoher, dichter, undurchdringlicher, buschförmiger Krüppel- und Zwergbäume bildet. (Großbild auf Seite 73.) Die höchstens armstarken elastischen Aste (ein Stamm ist selten vorhanden) kriechen am Boden niedergedrückt, gleich windenden Schlangen vielfach verschlungen, bis zu 12 m weit umher, zuweilen Wurzel schlagend wie die Ranken der Erdbeere, und richten sich dann am Ende 1-2 m hoch auf. Die Bergkiefer paßt sich wunderbar dem Standort an, sei es eine Geröllhalde oder der Rand eines Hochmoores. Sie senkt die Wurzeln in die engen Felsspalten des Kalk- oder Urgesteins oder zwischen die einzelnen Brocken von Schotter und Geröll und klammert sich eisern fest an den