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EXULLVI) unter den Stuarts und die Revolution Mit Elisabeth sank die glanzvolle englische Renaissance ins Grab; wie auch in anderen europäischen Ländern war die geistige Haltung dieser Bewegung auf das engste mit dem Hofe verknüpft. Der dynastische Wechsel, das völlige Miß verstehen des Tudor-Absolutismus, der ein so feines Gefühl für die Grenzen der Gewalten bewiesen hatte, schuf auf allen Gebieten menschlicher Geistes äußerung gründlich Wandel. Das Zeitalter des Barock, in das nun auch England eintritt, ist für dieses Land einem Wel lental zwischen den Höhen des 16. und 18. Jahrhunderts ver gleichbar, es ist noch einmal ein Jahrhundert der stärksten inneren Spannungen, der er bittertsten religiösen Fehden, und es ist vor allem das Zeit alter eines republikanischen Zwischenspiels, das auf so konservativem Boden nur durch die jahrzehntelange ab sichtsvolle Verkennung des Volkswillens möglich war. Zweimal wird in dieser Epoche dem neuen Herrscherhaus, den Stuarts, Gelegenheit gegeben, eine bedeutende Herrscherauf gabe zu erfüllen, zweimal ver sagen seine Vertreter, da sie ihre Stellung durch Befriedi gung persönlicher Bedürfnisse in krassem Gegensatz zu den Gepflogenheiten der Tudors mißbrauchen. Aus solchen Er schütterungen vollzieht sich der Machtaufstieg des Parla ments, dessen Grundlagen schon zu Elisabeths Zeiten fest gefügt waren, aus solchen Kämpfen erwächst England ein letzter großer, von der re publikanischen Idee erfüllter, das dichterische Barock zum Gipfel hebender Poet in Milton; in diesen rauhen Zeiten endlich entstehen die bedeutsamen An fänge der exakten Wissenschaft, und nicht zuletzt entwickelt sich jetzt die von nun an unbe strittene Herrschaft der Prosa von der religiösen Streitschrift bis zum Roman, der den ersten tiefen Atemzug zu seinem Höhenflug im folgenden Jahrhundert tut. Maria Stuarts Sohn Jakob I. (1566—1625) hatte mit der Feindin seiner Mutter Frieden gemacht, er war kein Charakter, den der unerhört blutige Ausgang dieses weiblichen Dramas hätte in Wallung versetzen können. Er war ein gelehrter Pedant, ein Absolutist ohne Format, ein Mann, der vom Gottesgnadentum seiner Herrscherstellung so tief durch drungen war, daß ihm das Mißverhältnis zu seiner Begabung nicht zum Bewußtsein kommen konnte. Mit etwas mehr Geschick hätte Jakob die freundliche Stimmung seiner neuen Untertanen sich ohne Mühe erhalten können, statt dessen legten sein Absolutismus und seine Unduldsamkeit bereits den Grund zum Ausbruch des kommenden Bürgerkrieges. Da das Parlament nicht ge neigt war, Jakob aus seinen fortwährenden Geldverlegen heiten zu helfen, so gewöhnte er sich daran, es so weit wie möglich auszuschalten. Ob wohl er im eigenen Lande den Protestantismus und die angli kanische Hochkirche stützte, scheute er sich nicht, in katho lischen Ländern nach einer Schwiegertochter Ausschau zu halten und damit die Grund lagen für jene katholische Ten denz in seinem Hause zu legen, die sich bald so verderblich er weisen sollte. Eine unwürdige Hofhaltung, abstoßende Günst lingswirtschaft und eine un glückliche Neigung zur Litera tur, die er um zahlreiche lang atmige Werke „bereicherte“, kennzeichnen den ersten Stuart auf dem englischen Thron. Seine Gemahlin Anna von Dänemark (1574—1626) zeigte sympathischere Züge, auch wenn sie im Gegensatz zu Elisabeth unglaublich ver schwenderisch war. Von den Auswüchsen des Hoflebens unter Jakob I. hielt sie sich fern; politischerTakt und Klug heit werden an ihr gerühmt. Van Dycks berühmtes Porträt zeigtuns Karli. (1600—1649), Jakobs Sohn, als einen elegan ten, weichen Kavalier mit wenig ausgeprägten Zügen. Im Grun de eine anständige und tief religiöse Natur, verstrickten haltloser Wankelmut, Unfähig keit, sich mit pflichtbewußten Ratgebern zu umgeben, diesen Fürsten in ein unentwirrbares Geflecht von Schuld und Mißgriffen. Karls Handlungen wurden durch einen unehr lichen Zug bestimmt, der ihn in wichtigen Entscheidungen Gegnern und Freunden Zugeständnisse machen ließ. Seine ganze Regierungszeit war ein fortgesetzter erbitterter Kampf Jakob I., König von England ( ij66—1624) Nach einer Miniatur nach Isaak Oliver oder Nicholas Hilliard Anna von Dänemark, Königin von England (1474—1626) Nach einer Miniatur von Isaak Oliver ( ?)