IV. Das Böttgersteinzeug. Abb. 27. Böttgersteinzeug. Medaille mit dem Bildnis Papst Clemens XI. Herzogliches Museum, Gotha. Kein Geringerer als Gottfried Semper hat das Verdienst Böttgers, das rote Steinzeug erfunden zu haben, fast ebenso hoch gestellt, wie das seiner Erfindung des Porzellans 331 ), und einer unserer bedeutendsten, jetzt lebenden keramischen Kenner hat einmal beim Anblick des größten erhaltenen Bestandes dieses Produktes seine Erfindung und seine künstlerische Durcharbeitung als das viel leicht ruhmreichste Blatt der Geschichte der deutschen Keramik bezeichnet. Damit mag die Bedeutung der Erfindung dieses Produktes hin reichend charakterisiert sein. Dennoch wird das Urteil dieser beiden Männer vielen überraschend erscheinen. Denn gerade so wie das Böttger steinzeug zur Zeit seiner Erfindung und ersten Herstellung durch die des Porzellans stark in den Hintergrund gedrängt worden ist, und zwar so stark, daß es, sobald das Porzellan wirklich fabrikmäßig hergestellt wurde, zum größten Teil fast un ¬ mittelbar wieder vom Schauplatz verschwand, gerade so hat es dann auch später in keiner Weise jene allgemeine Beachtung gefunden, die es seinem ganzen innern wie äußern Werte nach verdient. Es ist eben das Bessere immer der Feind des Guten. Und doch kann darüber nicht der geringste Zweifel herrschen, daß dies Produkt vor der Ausnutzung des Porzellans das edelste keramische Erzeugnis dargestellt hat, das die gesamte europäische Keramik bisher erfunden oder auch nur hergestellt hat, daß es sich, trotzdem es von Haus aus die Nachahmung eines ganz exotischen Produktes darstellte, dennoch als eines der selbständigsten Er zeugnisse der europäischen Keramik gegeben hat und daß es schließlich eine künstlerische wie technische Ausgestaltung erfuhr, so mannigfaltig und so edel, so materialgemäß und erschöpfend, wie sie selbst dem Porzellan, das ihm ja sonst in so vielen Punkten überlegen ist, oder sonst irgend einem anderen keramischen Produkt in Europa niemals zuteil geworden ist. So liegt in der Tat in der Erfindung und Durchgestaltung des Böttgersteinzeugs eins der ruhmreichsten Kapitel aller Keramik vor, und wir haben daher allen Grund darauf stolz zu sein, daß dies Kapitel wie ja in der Hauptsache auch das des Porzellans bei uns in Deutschland sich abgespielt hat. Zimmermann, Meißner Porzellan. 8