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( 0 ) jährten Bräutigam der jungen Braut die linke Hand reichen, weil die rechte durch dir Gicht so verunstaltet war, daß er keinen Fin, ger rühren konnte. Darüber hätte ich fast mein Brod verloren. Sie werden vielleicht in derPorker Zes» tung folgenden Artikel gelesen haben: „Heute wurden hier zwei Diebe hingerichtet. Der Henker, der besoffen war, glaubte steif und fest, er habe drei Personen zu hängen, und legte deshalb auch dem Priester, der mit auf dem Armcnsünderkarren saß, einen Strick um den Hals. Nur mit vieler Mühe konnte der Kerkermeister ihm seinen Jrrthum be greiflich machen." — Dieser Priester war ich. Der Kerkermeister nämlich war eben so besoffen, als der Henker, der den Strick bereits mit Gewalt fest um meinen Hals geschlungen, und eben wollte der Karren unter meinen Füßen wegfahren, als der Scherlff noch zu rechter Zeit mich rettete. Wenn ich nachher auf der Straße ging, so flüsterten die Leute sich zu: „Da geht der halbgehangene Priester." Kaum war diese fatale Begebenheit in Vergessenheit gerathen, als mir noch etwas Schlimmeres widerfuhr. Ein Mann in Port hatte sein hübsches junges Dienstmäd» chen verführt. Sie war entflohen, man wußte nicht wohin. Aufdem Todbette fühlte der Mann Gewissensbisse, trug mir auf, ih ren Aufenthalt zu erforschen, und ihr 1Ü0 Guineen auszuzahlen. Da ich bald darauf eine Reise nach London machen mußte, so glaubte ich sie dort am leichtesten auszufra- gen. Ich ließ in die Zeitung setzen, Mam sell N N. habe sich da und da bei mir zu melden, «m eine wichtige, sie interessirend« Nachricht zu erfahren. Mamsell N. N. fand sich auch gleich am andern Morgen bei mir ein, empfing sehr dankbar ihre 100 Gui neen und bat mich, bei ihr zu speisen; sie halte eine Pension für junge Märchen, und sey recht niedlich eingerichtet. Ich begab mich zu ihr, wurde sehr artig empfangen, bemerkte zwar, daß die jungen Pensionat» rinnen etwas freiere Sitten hakten, als die Parker Damen, halte aber kein Arg dar aus, und meinte, in der Hauptstadt wärt es nun einmal nicht anders. Gegen Abend, als wir Thee tranken, traten einige junge Herren und unter dies,» auch der Sohn ei nes meiner Nachbarn aus Port, herein, der, als er mich erblickte, mit einem herzlichen Goddaml versicherte, ich sey der wackerste Geistliche in England, weil ich ohne Beden» ken in ein Freudenhaus ginge, und nicht einmal die Thüre verschließe Ein wiehern des Gelächter der ganzen Gesellschaft beglei» tele diese Schreckensworte. Denken sie sich mein Entsetzens Noch weiß ich nicht, wie ich die Treppe hinunter kam. Am andern Morgen mit Tages Anbruch eilte ich nach Port, aber der junge Herr hakte bereits mit der Abendpost dahin geschrieben, und meine Bekannten empfingen mich mit der spöttischen Bemerkung: ich hätte nicht so weit zu reisen gebraucht, um Freudenmädchen zu finden. Es war vergebens, daß ich dir wahre Geschichte erzählte; man glaubt daS Böse leichter, als das Gute, alle meine Beichtkinder verließen mich, und ich war gezwungen, mein Amt niederzulegen. Mit vieler Mühe erhielt ich eine andere Pfarre iu der Grafschaft Lincolm. Dort lebte ich einig« Zeit ruhig. Der Patron des Kirchspiels war ein gewaltiger Jäger, und «In abgesagter Feind der Wilddiebe, die in dortiger Gegend viel Unfug trieben. Ich hakte den Patron so oft darüber klagen hö ren, daß ich langst vom Herzen wünschte.