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Heinrich von Zütphcn, M-irtircr dcr Reformation. (Mit einem Kupfer.) Das vorjährige Jahrbuch enthielt eine kurze Erzählung nebst bildlicher Darstellung der Uebergabe der Augsburgischen Confes- sion, auf Veranlassung des 300jährigen Ju belfestes, welches den 25., 26. und27.Juny 1830 in allen protestantischen Ländern mit der größten Feierlichkeit begangen wurde. Die Erinnerung an diese große Begeben heit würde jedoch weit erfreulicher für uns seyn, wenn nicht bald nach dem Anfänge der Reformation gegen die Bekenner der evangelischen Lehre ein Religionshaß ent standen wäre, wodurch unzähliche Personen wegen Verbannung ihr Vermögen, Viele die Freiheit und andere sogar ihr Leben ver- loren. Der Haß und der Verfolgungsgeist gegen die Anhänger der gereinigten Lehre ver breitete sich über Oesterreich, Ungarn, Frank reich und England, vornämlich in den, der Regierung Karls V. unterworfenen Nieder landen. Der Prediger Heckel hat in einem neulich erschienenen Buche: „Die Märti- rer der evangelischen Kirche in den ersten Zeiten nach der Refor mation" eine Beschreibung von dem trau rigen Schicksale der Bekenner der evange lischen Wahrheit geliefert, von welchen die Meisten auf dem Scheiterhaufen ihr Leben endigten. Einer der merkwürdigsten Märtkrer je ner Zeit war Heinrich von Zütphen, einAu- gustinermönch zu Antwerpen, dessen trauriges Schicksal die Aufmerksamkeit von Deutsch land auf sich zog. Dieser edle, nach dem Licht der Wahrheit strebende Mann hatte die Schriften seines Ordensbruders, v. Luthers, Neuer Kalender gelesen, und war dadurch in seiner eigenen Ueberzeugung so befestiget worden, daß er bald darauf zu Antwerpen das reine Evange lium öffentlich verkündigte. Nach kurzer Zeit wurde er als Ketzer verfolgt und in daS Ge- fängniß gesetzt. Einige Freunde befceieten ihn heimlich aus seinem Kerker, so daß er in fremder Kleidung nach Bremen entfliehen konnte. In der Herberge, wo er wohnte, fanden sich einige angesehene Patricier und mehrere Bürger ein, die ihn baten, in Bremen zu verweilen und, ehe er nach Wittenberg abrei- sete, ihnen wenigstens nur Eine Predigt in der damals leerstehenden Anögariuskirche zu halten. Er versprach es ihnen, doch unter der Bedingung, daß sie ihm die Bewilligung des Ralhö verschaffen möchten. Nachdem er diese erhalten hatte, hielt erden 9. Nov. 1522 eine so treffliche Predigt, daß ihn dieEinge- pfarrten baten, ihr Lehrer zu werden, welche Bitte crauch, nach erhaltener Erlaubniß des Raths, erfüllete. Darüber war nun aber die katholische Geistlichkeit sehr aufgebracht. Der Rath wurde mit Bitten und Drohungen bestürmt, so daß er die Vorsteher dieser Kirche wegen der Wahl und Rechtgläubigkeit des neuen Predigers zur Rede stellte. Diese ver sicherten, daß sie nie einen Ketzer unter sich dulden würden, und daß Heinrich vonZüt phen das reine Gottes.wort lehre. Eben dieses bestätigte auch ein angesehener Patricier aus Borke in der Rathsversammlung, worauf der Rath erklärt?, daß er sich nicht eher in die Sache mischen werde, bis Heinrich v. Zütphen der Ketzerei überwiesen seyn würde.