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— o — erbieten ja anzunchuien, bis sie es sich gefallen ließ. Inzwischen war sie doch sehr behüt« sam, und nie sagte sie, daß sie der Churpriu; sey, auch nahm sie diesen Titel schlechterdings nicht an. Günther glaubte, daß dicß der Prinz bloß thue, damit er nicht erkannt seyn wolle, und überzeugte sich immer mehr, daß er den Ehurprinzen in seinen Mauern habe. Nun wurden Anstalten zur gräflichen Ausstattung gemacht. Günther eilte, prächtige Kleider, Wagen, Pferde und Bediente anzuschaffen, stellte auch dem Herrn Grafen einen Beutel mit zoo Stück Dukaten zu, und Lieschen, der es so wohl noch nie gegangen war, ließ sich das alles recht gern gefallen. Um dem Grafen die Zeit zu vertreiben, wurden kleine Reisen angestellt, oder wenn man zu Hause blied, wurden Gesellschaften von den benachbarten Adclichcn zusammen gebeten. Natürlich konnte Günther sein Glück nicht ver schweigen. Es wurde daher jedem Gaste heimlich ins Ohr geblasen, wer der fremde Graf eigentlich sey. Jeder erstaunte, und da sich Lieschen mit vnler Klugheit still und zurück haltend betrug, und jeder Fremde nur darauf dachte, sich seinem künftigen Landeshcrrn auf das Beste zu empfehlen, so wurde niemand gewahr, daß ein Betrug in der Sache sey. Es ist nicht zu begreifen, warum Lieschen nicht so klug war, sich einmal mir den er« haltenen und ihr aufgedrungenen Sachen davon zu machen. Da harten die Herren das Nachsehen, und sie das Lachen gehabt, und wer weiß, wie sich der Spaß noch geendigt hatte? Jetzt, da sie cs darauf ankommen ließ, daß es vielleicht ewig so dauern werde, wurde gar bald die Freude in Weinen verkehrt. Ein Monat war in Augustusburg mit Saus und Braus zugebracht worden, aber unterdessen war es auch so bekannt geworden, wer der fremde Graf seyn sollte, daß die Nachricht davon selbst bei dem Hofe in Dresden «inging. Der König wußte gewiß, daß sein Prinz in Wien war; er sandte daher jeman- den von seinen Hofleuteu ab, den nachgcmachten Prinzen in Augustusburg zu besehen. Ohne Mühe wurde ihm unter dem Namen eines sächsischen Kavaliers der Eintritt in Augustus burg gestartet; und bald wurde auch ihm ins Ohr geraunt, daß dieser Graf der Chuk- prin; sey. Es fiel ihm auf, daß dieser vorgebliche Prinz wirklich einige Aebnlichkeit mit dem Churprinzen hatte, allein er konnte sich bald überzeugen, daß er es zuverlässig nicht sty- Kaum hatte er daher diesen Bericht in Dresden abgestarrct, so kam ein Kommando Dra' goner und führte den Herrn Grafen sammt dem Herrn Obersifchmeistcr gefangen nach D"^ den. Lieschen offenbarte ihr Geschlecht, als sie ins Verhör gezogen wurde, und erzähl freimüthig die ganze Geschichte, wie sie ohno ihre Schuld zu der Ehre gekommen ftve für den Ehurprinzen gehalten, und als Graf ausgestattct zu werden. Es gereichte zu ih' rer Entschuldigung, daß sie nicht gesagt, es auch nie eingestanden hatte, daß sic der Clu^ Prinz sey, weiches Günther nicht leugüen konnte. Der König ließ wre übrige AuffühnmS genau untersuchen, und da diese durchaus ehrlich und rechtschaffen befunden wurde, so Me er selbst folgendes Urthcil: Lieschen solle auf Lebenszeit ins Zuchthaus nach Waldb^ wandern, alles aber, was ihr Günther aufgedrungen habe, das solle sie behalten, unv G""* ther solle zu seiner Strafe gehalten seyn, ihr täglich noch einen Speciesrhaler zu bezahlen- Dieses Urtheil ging in Erfüllung, und man weiß auch, daß sich Lieschen in Waldhem» richt wohl befand. Freilich war sie auch- ein Bischen besser daran, als in ihres Vaters Hause, ob sie gleich im Zuchthaus« war. Eie ging in vornehmen Kleidern, hatte ihr eigenes Zimmer, speiste am Tische -es Oberaufsehers, und machte sich so viel Vergnügen, als ihre beschränkte Freiheit juließ. Ob aber der gute Oberfischmeister ferner noch Lust hatte, den Ehurprinzen kennen zu lernen, und durch ihn der reichste Mann zu werden, das steht sicher zu bezweifeln.