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an meine kahlköpfigen Mitbrüdcr, und sie werden mit mir sagen, daß die größte aller Freiheiten die ist, die man sich gegen ein kahles Haupt heraus- nimmt. Die Wiltwe Dadgery schien mich gar nicht gehört zu haben und rührte sich — sie stand bei dem Thränenfall gerade über mich gebeugt, eben falls nach dem Feuerrost sehend — keinen Zoll breit von der Stelle. „Ich will nicht, daß Sie über meinem Kopfe weinen, Madame!" schrie ich, noch ärgerlicher als vorher. „Dieses war sein Ankleidezimmer," sagte Frau Badgery, vertieft in traurige Betrachtungen. „Wenn ich daran denke, wie ganz besonders eigen er mit seinem Rastrwasscr war! Stets mußte es in einrm kleinen Zinntöpfchen gebracht und genau auf diesen Fleck gestellt werden!" Sie fing wieder an zu seufzen und zu stöhnen. Wenn ich eine Frau, und Madame Badgery ein Mann gewesen wäre, so Härte ich es bis zum Aeußerstcn getrieben, um mein Hausrecht geltend zu machen, und wäre es durch körperliche Stärke gewesen. Aber unter solchen Umständen konnte ich meinen Acroer nur durch einen Blick ausdrücken. Dieser Blick blieb — kein Wunder — ohne Erfolg. Wie konnte ich auch Erfolg von einem Blick bei einem so verschleierten Weibe erwarten! Ich trat in ein anderes Zimmer und schloß schnell die Thüre hinter mir. Im nächsten Augen blicke hörte ich das Rauschen des Kreppkleidcs von außen, und die bedeckte Stimme der Frau Bad gery sprach ganz wehmüthig durch das Schlüsselloch. „Gedenken Sie denn dieses Zimmer als Schlaf zimmer zu gebrauchen?" fragte zitternd die Stimme. „Aus Barmherzigkeit, rhun Sie das nicht! Ich will gehen, aber bitte, bitte, entweihen Sie nicht die Heiligkeit dieses Zimmers! Schlafen Sie nickt hier! Können Eie es irgend einrichten, o dann schlafen Sie nickt hier . . . nicht hier! ' Ich öffnete das Fenster und sah ^mich nach einem Polizetdicner um, konnte jedoch zu meinem Leidwesn keinen erblicken. Ick schloß daher das Fenster wieder und warnte Frau Badgery im ern stesten Tone, sich nicht um meine Einrichtungen zu kümmern. „Nicht nur eine Bettstelle," sagte ick, „will ich hier haben, sondern auch hier schlafen will ich. Noch mehr, ick gedenke auch hier zu schnarchen!" — Schnarchen! Frau Dadgery war vernichtet und verließ unter Stöhnen die Thür, feierlichen Schrittes die Treppe hinunterfchreitend. Nach einiger Zeit ging ich ebenfalls hinnntcr. Hatte Frau Bad'-ry wirklich mein Revier geräumt? Ich sah in den einen Salon. Er war richtig leer. In den andern — ebenfalls leer. Noch einZi'M- m.r hatte ich zu besehen; es war das letzte an der Vorhalle. Die Thür war zu. Ganz behut sam öffnete ich und blinzelte hinein. Himmel! In diesem Augenblicke ertönte ein schwacher Schrei, hörte ich das Zusammenschlagen zweier Hände — und da war sie wieder, wieder auf ihrem Fcldstuhl, wieder in der Mitte des Zimmers! „Gnade! — Nicht so, nicht so sehen Sie herein!" ries Frau Badgery, ihre Hände ringend. „In jeder andern Stube könnte ich's ertragen, aber nickt in dieser. Jeden Montag wurde hier ge waschen — o! — und er war so schwer mit seiner Wäsche zusriedrnzustellen. Niemals konnten die Waschfrauen seine Kragen genug steifen. Ach, wie oft, wie ott steckte er seinen Kopf da herein, gerade so wie Sie, und sagte nach seiner freundlicken Weise: „Mehr Stärke! Mehr!" Und wie drollig war er stets... wie sehr, gerade in dieser lieben kleinen Stube!" — Ich sagte nichts. Diese Situation ging über meinen Horizont. Mit der Thür in der Hand stand ich da, als wollte ich ihr Platz zum Hinaus gehen machen. Mein Plan gelang. Eie stand auf, seufzte, legte den Fcldstuhl zusammen, ging nach der Thür, sagte plötzlich, indem sie sich noch einmal umsah: „Theurer, theurer Raum!" und verschwand unter Seufzen in den Schattengängen des Gartens. „Wagt es noch einmal, sie hereinzulaffen!" sagte ich wüthcnd zu meiner alten Haushälterin, die sich zitternd verbeugte. Zufrieden mit mir selbst und meinem Betragen der Frau Badgery gegen über verließ ich nach diesen harten Prüfungen meint neue Wohnung. Den folgenden Tag schickte ich die Möbeln hin. Der auf dem ganzen Erdkreis am Wenigsten jckützende Gegenstand ist ein Haus, in das man im Begriff steht, einzuziehen. Dir Tbüren müssen offen stehen. Und hat man noch so viele Dienst leute, so kann man sich aut sie als Sckiidwachen nicht länger verlassen, als man selbst, den Vortrab bildend, am Eingänge steht. Oer Wirrwarr des Einssehens demoralistrt den festesten Karaktcr, und eme gut bewachte Stelle existirt im ganzen Hause nicht. Wie das Eindringen ausgeführt wurde, weiß ick nicht; — aber Tkatsache ist es: mit mei nen Möbeln zog auch Frau Badgery mit ein. Ich besitze eine schöne Auswahl Kupferstiche alter Meister und wurde, als ich eben eine Venus Meißner Ealend« Ä.