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Befehle höherer Vorgesetzter, zum Thcil solcher, die dem Gesetz nicht erreichbar, zu decken und wurde deshalb freigcsprochen; die Regierung fühlte aber doch, daß die fernere amtliche Wirksamkeil des Mannes unmöglich geworden, und stellte ihn auf Warlegeld. In gleicher Weise aber entfernte sie auch zur all gemeinsten Verwunderung den Oberstaatsanwalt Schwarck vom Amte, weil dieser in der öffentlichen Verhandlung des Prozesses die Sticbcr'schen Amls- mißbräuche rücksichtslos aufgedeckt hatte. — Nord deutsche Regierungen verhandeln unter einander über die Befestigung der Nord- und Ostseeküstcn. So wichtig diese Frage, so sehr noihwendig deren Erledigung vor Ausbruch eines Krieges ist, so rücken die Verhandlungen doch äußerst langsam vor wärts und scheinen zuweilen ganz stille zu stehen. Pläne über die Befestigung sollen ausgearbeitet sei»-, auSgeführt aber ist noch keiner. Auch der Bundestag „beschäftigt" sich mil dieser Frage. Wir werden demnach wohl in späteren Jahren Veranlassung haben, darauf zurückzukommen. — Bei der zugend- lichen Kaiserin von Oesterreich entwickelte sich eine bedenkliche Brustkrankhcit, weshalb sic sich aufAn- rathcn der Acrzte nach der Insel Madeira begab, im dortigen milden Klima den Winter zuznbringen. — Die österreichische Regierung veröffentlichte in Ausführung des Oktoberdiploms die Statuten für die in den einzelnen Provinzen dcö Kaiserstaates ein zuführenden Ständeversammlungcn. Trotz den viel fachen Beschränkungen, denen diese Statuten unter lagen, wurden sie doch in der Mehrzahl der Provinzen mit Freude ausgenommen. — Die Kaiserin-Mutter von Rußland, eine Schwester dcs Königs von Preu ßen, starb ani 1. nach langen, Siechibum. — In England starb der bekannte Admiral Sir Charles Napier. — Die Kaiserin Eugenie von Frankreich, eine bigotte spanische Katholikin, sah mit Schmerz die w el t l ich e Herrschaft des Papstes bedroht; der halbe und zweideutige Schutz, den Frankreich dem Papste verlieh, genügte ihr nicht. Vergeblich drängte sie ihren Gemahl zu entschiedenerer Hilfe. Der wollte nicht und konnte auch nicht. Die Heftigkeit der Fürsprache für den Papst wurde endlich so groß, daß die Kaiserin auf einige Zeit aus Paris und Frankreich sich entfernen mußte. Trotz der späten Jahreszeit machte sic eine „Erholungsreise" nach England und Schottland und gab damit der Klatsch sucht in vornehmen und geringen Kreisen angeneh men Stoff. — Am 3. besiegten in Anwesenheit Viktor Emanuels die piemontesischcn Truppen am Garigliano die neapolitanischen des Königs Franz, der sich in Gaeta mit einer starken Besatzung ein schloß, während er seine übrigen Truppen auf rö misches Gebiet übertreten ließ, wo sie entwaffnet und in ihre Heimath entlassen wurden. Viktor Emanuel hielt seinen Einzug in Neapel, worauf Garibaldi die Diktaiur über das eroberte Königreich in dessen Hände nicdcrlkgtc und sich, jede Belohnung beschei den und uneigennützig zurückwcisend, auf sein klei nes Bcsitzthum auf der Insel Caprcra zuiückzog. Sein tapferes Frciwilligcnheer löste sich nach und nach auf, da die regelmäßige sardinische Armee an seiner Stelle den Kampf gegen Len letzten royalistischen Zufluchtsort ausnahm. Die Volksabstimmung in Neapel sprach sich mit überwiegender Mehrheit für Einverleibung des Königreichs Neapel in das neue Königreich Italien unter Viktor Emanuels Zepter aus. Dklcmbrr. Auch dir eroberten römischen Pro vinzen wurden dem neuen Königreich cinverleibt, die sardinischen Kammern aufgelöst und neue Wahlen aus geschrieben für Las italienische Parlament. Mehre Regierungen brachen deshalb den diplomatischen Verkehr mit der sardinischen Regierung ab, ohne deshalb zu Feindseligkeiten zu greistn. Viktor Ema nuel begab sich von Neapel aus auf einige Tage nach Sizilien, um auch dort seinen neuen Unter- thanen sich zu zeigen. Vor Gaeta schritten die Belagerungsarbciten vorwärts. — Mit der neuen Negierungsform in Oesterreich konnten sich nicht sämmtliche der alten Minister befreunden. Einige derselben machten neuen Ministern Platz, an deren Spitze dem Herrn von Schmerling, der vom Jahre 1848 her als deutscher Reichsministcr bekannt ist. Die Seele aber des alten Ministeriums und des alten Systems, der Minister des Auswärtigen, Graf Rechbcrg, blieb im Amte. Die soldatische Unfähig keit der hochadeligen österreichischen Generale halte die im italienischen Kriege erlittene totale Niederlage den Betrügereien der Armeelieferanten zuschreiben wollen. Der Chef des kaiserl. Armecverpflegungs- wesens, General von Eynatten, wurde verhaftet und crhing sich im Gcfängniß, legte aber vorher daS Gcständniß ab, von dem Director der österreichischen Cieditanstalt, Richter, Bestechung angenommen zu haben. Auch Richter ward verhaftet. Nach langer öffentlicher Prozeßverha idlung ward dieser wegen Verleitung zum Mißbrauch der Amtsgewalt zu einmonailicher Gefängnißstrafe verurtheilt, von allen übrigen Anklagen aber freigcsprochen. Der Prozeß machte nach allen Seiten peinlichen Eindruck, wel cher noch erhöht wurde, als Richter gleich nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft in ein Ner vensieber verfiel und starb. — Das Octoberdiplom brachte in Ungarn einc ganz andere Wirkung hervor als in anderen Theilen des Kaiserreichs. Die Ungarn erfaßten begierig daS Emlenken von der Bahn der Macht auf die des Gesetzes und erklärten die Ge setzgebung von 1848 als die allein für sie bindende.