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den Wachschiffen mit den üblichen Schlissen begrüßt worden und dem gläubigsten Feucranbelcr der per sischen Küstensteppc konnte sie nicht gottähnlicher er scheinen, als den vielen Tausenden, die wirthshaus- los sich die kühle Nacht in den Straßen von Ports mouth und Souihampton mit Mondschein-Betrach tungen und wehmüthigeu Ahnungen kommender Rheumatismen zu verscherzen gesucht hatten. Es war 8 Uhr, als auf ein vom Lande aus nnbemcrk- barcs Signal die ganze Flotte, deren nächstgelegenes Wachschiff noch immer 2 Meilen vom Strande entfernt war, sich mit ihren Festflaggen bedeckte. Die tunten Farben und flatternden Wimpel brach ten Leben in die bisher tödtcnglcich dagclegcnen Massen, aber es war doch immer nur ein Anblick aus weiter Ferne, dessen man bloß mit Fern rohren Meister werden konnte. Desto lebendiger und anschaulicher war das Bild, das sich am Lande entfaltete. Alle die Tausende, die sich Tags zuvor rtngefnndcn hatten, waren auf den Deinen, und schon kamen die ersten Züge auf den Londoner Eisenbahnen angefahren, die sich seit 5 Uhr Mor gens in Zwischenpausen von 15 Minuten nach ein ander in Bewegung gesetzt hatten. Gleichzeitig ka men endlose Züge von Brighton und der Südküste angezogen, so daß um die genannte Stunde das Hin- und Herwogen der Menschen in den Straßen, am Hafen und auf den hervorragenden Küstcn- punklen wunderbar zu schauen war. Von Sout hampton kommend erschienen hierauf nach einander die gigantischen Dampfer der großen Schifffahrts- Gesellschaften, die den Aktionairen, ihren Frauen und zahlreichen Freunden zur Verfügung gestellt waren. Sie glitten stille, mit rauchlosen Schorn steinen an den Küstenforts vorüber der Flotte zu. Wie sie, hatten auch sämmtlichc Dampfer der Flotte den Rauch an diesem Tage verschworen; die At mosphäre blieb durch diese weise Vorsichtsmaßregel ungeschwärzt, aber die Dampfer selbst, die sich, was Schönheit der Erscheinung betrifft, mit einem voll getakelten Segelschiffe nimmer messen können, er schienen dadurch wo möglich noch unansehnlicher und lebloser. Die vielen kleinen Fjschcrbote, die schmucken winzigen Nachts, die Nußschalcnbootc der Hafenarbeiter, von denen jedes seine weißen Segel im Sonnenlichte leuchten ließ, trugen am Ende mehr dazu bei, die Szene poetisch zu beleben als der „Wellington", der „Ncpinn", der „Himalaya" und wie sic alle heißen mögen, diese großen See ungeheuer, die sich ohne sichtbare Schwingen ver mittels sorgfältig versteckter Dampf- und Feuer- Apparate fortschoben. Die Poesie der Schifffahrt verschwindet allmälich durch die Schraube, wie die Poesie des Reisens auf dem festen Lande durch die Lokomotive. Das mußte Jeder fühlen, der gestern die Wasserfläche von Southsea oder Monkton-Fort aus überschaute. Der schwimmenden Häuser konnte er genug zählen, aber sie sahen öde, verlassen, düster, handwerksmäßig wie Maschincn-Werkstättcn aus. Der Vergleich von Schiffen mit riesigen Schwänen hat sich überlebt, und die unbeschreibliche Majestät eines mit vollen Segeln vor dem Winde einhcrlaufendcn Dreideckers wird bald nur in der Erinnerung derer leben, die ihren Anblick bei Zeiten genossen haben. Um 11 Uhr sollte dem Programm gemäß die Revue ihren Anfang nehmen, aber es war beinahe 12 Uhr, als die Königin — sonst ein Muster von Pünktlichkeit — mit der Eisenbahn am Hafen an langte. Dort von ihrem ersten Flotten-Adjntanten, Admiral Sir William Parker, von Admiral Sir Edm. Lyons, dem französischen Admiral de la Graviore, dem Marine-Minister und den Lords der Admiralität empfangen, begab sich Ihre Majestät mit ihnen, dem Prinzen Albert, dem Her zog von Cambridge, den fünf ältesten Kindern und einem glänzenden Gefolge an Bord der Dacht „Viktoria and Albert", die ohne weitern Verzug ihre Anker lichtete. Ein Trompeter an der äußer sten Landungs-Batterie verkündete das Hcrannahcn der königlichen Dacht, und in demselben Augenblicke donnerten die Batterien am Hafenthor unter Hurrah- ruf der versammelten Menge ihre Salutschüsse der Flotte zu. In etwa 10 Minuten legte sie den Weg bis zu den in doppelter Reihe ausgestellten Linienschiffen und Fregatten zurück, und als die Dacht pfeilschnell um das Pivotschiff bog, um in diese Gasse einzulaufen, eröffnete der Wellington das Salven-Feuer, in das alle Schiffe einstimmten. Es war dies einer der bedeutendsten Momente des Tages, und lange noch schwebte der dicke Pulver dampf als Wolke und Wölkchen über der sonnen beleuchteten Wasserfläche, bis er sich hinter den bewaldeten Anhöhen der Insel Wight verzog. Schnell dampfte die königliche Dacht durch die schwimmende Gaffe bis zum Pivotschiff am entgegengesetzten Ende; die Matrosen empfingen sie von den Raaen mit dem üblichen Hurrahruf; dann trat eine kleine Pause ein. Hierauf schwenkten sämmtlichc Kanonen boote in die Gasse ein, die eben die königliche Dacht durchfahren hatte, schwenkten unter der Führung des „Wellington" und des „Royal George" um das Pivotschiff nach rechts und links um und fuh ren denselben Weg bis zu ihren früheren Anker-