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verglaste sich sein Aug«, seine erhobene Rechte fiel starr in den Schooß, sein Gesicht erblaßte, sein Kär« per sank an die Stuhllehne zurück, ein Seufzer ent rang sich seiner Brust — aber Niemand achtete sei ner im unermeßlichen Jubel. Der Vorhang fiel — „Unzelmann 'rau«!" donnerte es — „Lottchen 'rau- l" quakte e- dazwischen — nach einer Minute de- ra, sendsten Sturme- ging der Vorhang wieder auf und der gefeierte Gast erschien, sämmtlich« Darsteller mit fich ziehend, auf der Bühne. Sie traten vor, sie verneigten sich, die Wände wackelten vom Beifalls, sturm — da übertönte Ihn von der Bühne herab der kreischende Ausruf: „Herr de- Himmel-, mein Vater!" Lottchen riß sich von der Hand de« Gaste- le- und verschwand in den Koulissen, um im näch sten Augenblick im Saal zu erscheinen und sich durch die dichte Menge zu ihrem Vater zu drängen. Der Vorhang fiel. Lottchen erreichte den Platz ihre- Vater«, sie erfaßte seine Hand, sie beugt« sich zu seinem Gesichte — eS lächelte, war aber kalt, kalt wie die ganz« Gestalt — sein Geist hatte fich lackend emporgeschwungen in'S Reich der ewige» Freude. Wir versuchen nicht, den Jammer der Famllir zu schildern, al- sie gleich darauf zu Lottchen- Bei, stand erschien, auch nicht di« Bestürzung, welche di« ganze Versammlung ergriff, wie sich die Kunde vo» dem Geschehenen unter ihr verbreitete. Die ganze Stadt nahm Antheil an dem Ver lust der geachteten Familie. Sie gab dem Tobten gern einen Ruheplatz auf ihrem schönen Friedhöfe» gar nicht weit von dem seine- vorangegangenen Freunde-, und ehrte ihn durch ein zahlreiche- Ge leit zu dieser Ruhestatt. So ward sein alter Lieb, lingSrvunsch erfüllt. Einige Theaterfreunde setzten ibm auch eia kleine- Denkmal; dem gab ein poeti scher Mechanik«- die Inschrift: „Wohl dem, der hier so seine Rolle spielt, „Daß, wenn der Vorhang fällt, er keine Reue fühlt! -— Die Revue der großen englischen Flotte aus der Rhede von Spithead, am 23. April 1856. Die englische Regierung hatte im Winter von 1855 zu 1856 außerordentliche Anstrengungen ge macht, ihre Flotte, die bisher im Kriege gegen Rußland nicht eben Großes geleistet, auf einen Stand zu bringen, wie in Wahrheit weder Eng land selbst noch irgend eine andere seefahrende Na tion an Zahl und Größe der Schiffe und an Schwere der Bewaffnung etwas Aehnliches je aufzu weisen gehabt hatte. Der fast unerwartet am 30. März 1856 in Paris geschloffene Frieden machte die kriegerische Verwendung dieser Flotte überflüssig. Dennoch erschien es zweckmäßig, der Welt zu zei gen, was England noch immer in Bezug auf seine seit Jahrhunderten behauptete Stellung als erste Seemacht der Welt aufzubringcn im Stande sei, und es fand zu diesem Bchufe am 23. April durch die Königin Viktoria eine große Revue der auf der Rhede von Spiihcad aufgestellten Flotte statt, zu der nicht blos Unmassen von Engländern, son dern auch viele Tausende von Ausländern, immcnt- lich auch höhere Flottenoffizicrc fremder Nationen herbeigeeilt waren. Der kleinste Theil der Zuschauer fand sich indeß nachher in seinen Erwartungen be friedigt. Das Bild, das sie von dem Gesehenen im Gedächtnisse festzuhalten suchten, war unklar; eS fehlte an hervorragenden Mittelpunkten, von wo sich das Ganze überschauen ließ, es fehlte an Kon- centrationspunktcn der Revue an und für sich. Das wird bei Seemanövers immer der Fall sein. Vom Lande lassen sic sich schwer übersehen, weil die Schiffe sich in anständiger Entfernung vom Strande bewegen müssen, und befindet sich der Zu schauer an Bord des einen oder des andern Fahrzeu ges, so kann er im besten Falle nur einen theil- wciscn Eindruck des großen Ganzen in sich auf nehmen. Je größer die Anzahl der betheiligten Schiffe, desto ausgedehnter die von ihnen in An spruch genommene Wasserfläche, desto größer somit die Schwierigkeit einer Uebcrsicht. So war's auch diesmal. Nachdem die Morgennebel sich rasch verzo gen hatten, stieg die Sonne mit einer Pracht aus der lcichtgckräuseltcn Mceresflächc auf, wie sie fich den englischen Küsten nur in wenigen Tagen des Sommers zu zeigen pflegt; eine sanfte Brise aus Nordost zog fächelnd über Land und See; die Küsten von Hampshire und der Insel Wight er glänzten im jungen Frühlingsgrün; blau war der Himmel und smaragdgrün das Meer; kosend schmieg ten sich die kleinen Spitzwcllcu an die kolossalen schwarzen Rumpfe der Linienschiffe: die Elemente alle waren in göttlichster Fciertagslaune und schie nen übercingekommen zu sein, das lange ersehnte Schauspiel durch keinen neckischen Spuk zu stören. Das Erscheinen der Sonne am Horizonte war von