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dem erschöpften Leibe eine Güte zu tbun. Oer Rathswnth mußte einen ScköpSbraten und so viel Kartoffelbrei und Preißelbeeren für da« En^e der Vorstellung bereit batten, daß sich d>e ganze Familie — der berühmte Gast und da« obtkure Trampeltdier mit eingerechnet, — einmal recht ordentlich satt essen konnte. Darauf freuten stch denn alle fuoftebn Mägen, dec der zarten Primadonna — »um Leid wesen aller zärtlichen Verehrer zarter Pimadonnen müsse» wir e« sagen — nicht ausaenvmmen, und das Trampelthier befand sich, seit sie der Ratbs- wirthin beim Begießen de«-fetten ScköpSbratens da« Licht gehalten, in einem Zustande entzückte Wonne Über die Herrlichkeit de« Künstlerleben«, denn sse rechnet« sich steif und fest zu den Künstlern, die gute Seele! Den größten und höchsten Genuß versprach sich der Direktor. Der Schöpsbraten war ibm auch nicht gleichgültig, aber mehr noch der Familie halber als um seinetwillen. Seine Seele freute sich auf den bevorstehenden Kunstgenuß. W-e lange, lange batte er keinen wahren Künstler geseben — und nun batte er einen auf seinen eigenen Brettern. Glücklicher weise hatte er im Stücke nicht« zu tbun. Selbst da« wichtige Geschäft de« TbeatermeisterS konnte er heute ganz den Hände» seine« ältesten Sobn.« über lassen. Er war selbst hinter den Koulissen entbebr. lich; wa« er noch immer für ein Ding der Unmög lichkeit gehalten. Da wollte er denn al« Zuschauer vom Parterre au« ganz nur genießen. Er batte stch seiner schwachen Augen wegen »inen Platz bei den Musikanten reservirt, den er nicht hergegeben hätte für einen vollwichtigen LouiSd'or. Er ließ stch ei- nen Stuhl herbeischaffen und setzte de» Souffleur, wozu sich für heute ein Zschopaaer Theaterfreund er boten hatte, als Wächter darauf. Dieser batte beim Beginn de« Stücke- nur nötbig vom Stubl auf« Podium zu springen und dort in seinen Kasten zu krieche», um sein Amt zu erfüllen. Da? HauS war „zum Brechen" voll. Eine erstickende Hitze herrschte im Saale, obgleich alle Fenster geöffnet waren. Aber der Erzgebirge» ver trägt einen guten Stiefel sowohl Hitze als Kälte, zumal wo es etwas zu sehen und zu lachen giebt. Und zu sehen und zu lachen gab'S beute genug. War das ein Konrödiespielen! „So was lebt nicht!" flüsterte eine dicke Dame dickt hinter dem verzückten Direktor, der seinen Stuhl richtig eingenommen batte; und ähnliche Bemerkungen fielen in Menge; freilich nicht sehr geistreich, aber bezeichnend genug für den Grad der Bewunderung und der Freude. War da rin homerische« Gelächter über den unübertrefflichen „dummen Jungen von Meißen"; die selchen Gitter de« Olymp, die sich doch wahrlich aufs Lacken ver standen. hätten fick von der ZwerckfellbravoucderAscho- pauer verstecken mögen. „Ach Gottel! «S bringt mich noch um!" sagte die erwähnte dicke Dame, als ihr der Lachkrampf einmal so viel Worte gestattete, wobei ihr eine dicke Tbräne über die runden Backen rollte — „den Spaß vergeß' ich Sie nicht, Herr Direk tor, den wir Sie da verda ken —" da erschien der Ferdinand in einer andern Verwandlung, und bald war die gute Dame wieder ein Gelächter vcm Schn» tel bi« zur Soble, die ganze würdige Korpulenz ei» einzige« Zwerchfell. Und er, der alte brave Direktor, wie genoß er den reinen, echten Feuertrank des Komus in vollen Zügen! Wer, der den Mann vorgestern auf dem Friedhöfe so gebrochen, so verzweifelt, so ganz in Sckmerz versunken gesehen, hätte denken können, daß er sich so ganz, so kindlich an dis Freude, an den seliqen Genuß eine- heitern Kunstwerkes hingeben könnte, und sckon nach zweimal vier und zwanzig Stunden! „Gebt nur den Vater an!" flüsterte Primadonna Lottchen, die beute dem großen Gast zu Ehren mit aller nur möglichen Bravour spielte, in einer Spielpause ihrer älter» und der dritten Schwe ster zu; „er ist ganz selig." — „So wird mir nach dem ScköpSbraten sein", meinte die ältere, welche die Anstandsdamen spielte. Der Kattunfabrikanten-KommiS, der gle ch ne ben der dicken Dame saß und e ne souveräne Verach tung gegen die Unbändiqkeit ihres Zwerchfells zur Schau trug, meinte, Schön Lottchen mache eine an genehme Bemerkung über seine liebenswürdige Er scheinung, deren Gefammlbeit des erhabenen Tau pe'«, da« seine Stirn krönte, vollkommen würdig war, und er erneuerte sein Gelübde, mit dem Gast auch sein Herzblatt zu rufen und auf ihrem Erschei nen zu bestehen, koste es auch eine halbe Lunge, au ßer dem preußischen Thaler. Eben erklang das Zeichen zur Schlußszene. Un- zelmann erklomm den Gpfel seiner Komik; der Zschopauer RatbbauSsaal ward zum Superlativ des alten lackseligen Olymp, selbst der Kommis und seine zwei Kollegen, die Klcrqueur«, vergaßen, daß man in einem kleinstädtischen Theater nu^bei Trauerspielen lachen dürfe, wolle man sich nicht als Kleinstädt- ter zeigen; die dicke Dame konnte unverachet wieder lauter Zwerchfell sein; und sie war es, gleich wie der Direktor vor ihr das verkörperte Entzücken — da im Moment des höchsten Freudenrausches