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Heinrich von Gagern. (Mit Abbildung.) Heinrich von Gagern, der zweite Sohn des alten berühmten, jetzt im hohen Greisenalter noch geistig frischen Diplomaten und staatswisscuschaft- iichcn Schriftstellers v. Gagern, stehl in der Mitte der vierziger Jahre, und ist von hohem, kräftigest, in jeder Weise sehr verhältnißmäßigc.n Wüchse. Ohne gerade regelmäßig schön zu sein, hat sein Ge sicht etwas ungemein Fesselndes, Anziehendes, und man fühlt gleich beim ersten Begegnen: dies ist ein Mann durch und durch, in der vollsten, edel sten Bedeutung des Wortes. Wohlwollen nnd Fe stigkeit, Vertrauen und prüfende Vorsicht liegen auf diesen offenen Zügen. Die Stirn ist hoch und frei, das große blaue Auge von dichten, etwas bu- schtchtcn Angcnbranncn umgeben, offen nnd mild, und nimmt nur, wenn der Redner in Wärme oder Zorn geräth, einen herrschenden, oft sogar strengen Ausdruck an; das Haar dunkel, hie und da schon etwas grau gesprengt, ist starr und aufrecht stehend, das Ganze ist eine fesselnde und dabei überwälti gende Erscheinung, die sich auch äußerlich sehr gut auf dem ersten Präsideutcnstuhl der deutschen Natio nalversammlung ausnimmt. Selten oder eigentlich fast nie sitzt übrigens H. v. Gagern auf seinem Stuhl, sondern steht, etwas vorn übergcbcugt, mit der einen Hand sich auf die Lehne der Bühne stützend, aufmerksam dein Gange der Verhandlung folgend, daß ja kein Wort ihm entgehe. H. v. Gagern war vorläufig nur auf 4 Wo chen zum Präsidenten gewählt, aber nach Verlauf dieser Zeit fast cinstimmig wieder gewählt worden. Eine reiche Zukunft steht diesem Manne noch offen, zu den ^höchsten Ehrcnstellc», die das einige große Deutschland zu verleihen hat, ist er entschie den der mit am meisten begünstigte Candidat. Biogen unscrm thcucrn Vaterlandc die reichen Gei steskräfte dieses wahrhaft edeln ManncS noch lange erhalten bleiben! Spiel der Liebe und des Zufalls. Ein junger Irländer, Namens Patrick O'Fla- herty, dessen ganzer Reicbthum in dem ansprechenden, gutmüthigen Aussehen bestand, welches man nicht selten bei seinkn Landsleuten trifft, halte zu Dublin eine reizende Irländerin geheirathet, die, wie er, mehr von der Natur, als von dem Glücke begünstigt war. Da Beide sich aus Neigung mit einander verbunden, so lebten sie wohl Anfang« sehr glücklich; kaum aber war die Seligkeit dec Flitterwochen vorüber, so stellte sich der Mangel bei dem jungen Paare ein, und ließ dasselbe alle seine Bitterkeit und Herbe fühlen. Madam« O'Flahcriy hatte «inen leidenschaftlichen Hang zum Putze, der wohl bei bejahrteren Personen lächerlich erscheint, einer jungen, reizenden Frau aber lrichL zu verzeihen ist. Der Verdienst ihres Mannes, dec weiter nicht- als Commis bei einem reichen Leinwandhändler zu Dublin war, reichte nicht hin, «Kren kostspieligen Hang zu befriedigen und bald stär ken häufige Zwistigkeiten den ehelichen Frieden. Pa trick. der diesen Zustand nicht mehr ertragen konnte, ließ seine Frau im Stich und begab sich nach Man- chester, wo er bald Beschäftigung fand. Nachdem er dort mehrere Jabre gearbeitet, gelangte er in den Besitz eines kleinen Vermögens, mit welchem zugleich sein Ehrgeiz erwachte. Da er sowohl seinen Na men, als Aufenthalt verändert hatte, so hielt er sich auch jeder Verpflichtung gegen seine Frau überhoben, und gewohnte sich allmählig an den Gedanken, daß er ohne Umstände zu einer zweuen Ehe schreiten könne. So warf er seine Augen auf die einzig« Tochter eine« reichen Banquiers von Manchester, Miß Elisa Bradshaw, eine junge, liebenswürdig« Schöne von siebzehn Jahren, den Abgott ihrer El tern. Es gelang dem Irländer, in der Familie sei»