Volltext Seite (XML)
Deutschland und Transvaal. In dem gegenwärtigen Konflikt zwischen England und Transvaal, der anscheinend un mittelbar vor seinem kriegerischen AuStrage steht, erfreuen sich dieTranSvaalboern, wie fast überall in der gebildeten Welt, so auch namentlich bei uns in Deutschland lebhafter und warmer Sym pathien. Dies erklärt sich vor Allem wohl daraus, daß rS deutschem Wesen und deutschem Sinn von jeher entsprochen hat, in Streitigkeiten zwischen einem stärkeren und einem schwächeren Theil für den letzteren Partei zu ergreifen, und daß die Boern gegenüber einer Weltmacht, wie England, den bei weitem schwächeren Theil darstellen, dies bedarf gewiß keiner besonderen Beweisführung. Dazu kommt, daß den Boern der jetzige Strrithandel von ihrem englischen Gegner gewaltsam aufgedrungen worden ist, die englische Politik hat, wie unanfechtbar seststrht, auf den bei ihr so beliebten Schleichwegen die sogenannten UitlanderS in Transvaal erst zur Unzufriedenheit und zur Ausstellung ihrer For derungen gereizt, um dann durch die Vertretung derselben eine bequeme Handhabe zur Ausfüh rung der englischerseits längst geplanten Unter drückung der staatlichen Selbständigkeit der Boern zu gewinnen. Dieselben befinden sich demnach nur in ihrem guten Recht, wenn sie jetzt im Begriff sind, ihr Land und ihre Freiheit gegen die britischen Raubgelüste mit den Waffen in der Hand zu Vertheidigen, und nicht zum wenigsten auch auS diesem Grunde sind die Sympathien deS deutschen Volkes den Boern zu gewendet. Weiter gesellt sich bei uns die Achtung vor der schon wiederholt bewiesenen hervorragenden kriege rischen Tüchtigkeit der Boern hinzu, und endlich trägt zweifellos auch die Zugehörigkeit dieses kernigen VolkSstammeS in Südafrika zur großen germanischen Rasse das ihrige mit zu der Hinneigung der Deutschen aus die Seite der Boern bei. Bei solcher Sachlage ist es nun am Ende begreiflich, wenn hie und da bei uns der Ge danke angeregt worden ist, Deutschland möge bei der weiteren Zuspitzung der Transvaalkrisis nicht länger mehr den müßigen Zuschauer spielen, sondern mindestens seinen diplomatischen Einfluß bei England zur Verhinderung des Ausbruches deS Krieges in Südafrika geltend machen. Aber schon bei einem solchen Schritt würde Deutsch land auS seiner ihm durch die gesammten Ver hältnisse gebotenen Reserve in dem schwebenden südafrikanischen Streithandel heraustreten und durch eine derartige diplomatische Einmischung sicherlich tiefe Verstimmung englischcrscits gegen Deutschland Hervorrufen. Gerade zum jetzigen Zeitpunkte jedoch, da sich das deutsch-englische Verhältniß nach langer Zeit wieder derartig freundlich gestaltet hat, daß endlich im kommen den November wieder einmal ein Besuch Kaiser Wilhelms in England erfolgen kann, wären diplomatische Vorstellungen der deutschen Regie rung zu Gunsten der Boern durchaus unan gebracht, so würden unter den obwaltenden Um ständen überall in England als ein unfreundlicher Akt seitens Deutschlands betrachtet werden. Indessen ist auch, ganz abgesehen von der offenbaren Er folglosigkeit eine- solchen Auftretens Deutschlands, schwerlich daran zu denken, daß die deutsche Regierung sich jetzt wirklich zu einer solchen Intervention im englisch-tranSvaalischen Konflikt entschließen könnte, dies um so weniger, als ja der geheimnißvolle Vertrag zwischen Deutschland und England über Südafrika existirt, der höchst wahrscheinlich der deutschen Regierung gerade in Hinblick auf die Boern die Hände bindet. Außer dem darf nicht übersehen werden, daß sich an den maßgebenden Berliner Stellen der Wind gegen die Boern seit jenem Zeitpunkte, da Kaiser Wilhelm den Präsidenten Krüger zu der Be siegung der Jameson'schen Flibustierbande tele graphisch beglückwünschte, augenscheinlich einiger maßen gedreht hat, man betrachtet eben dort die Boern und ihr Ringen um die Erhaltung ihrer staatlichen Existenz nicht mehr vom Standpunkte einer bloßen Gefühlspolitik, sondern von dem jenigen nüchterner realpolitischer Erwägungen aus. Selbstverständlich kann alsdann von einer bewaffneten Thrilnahme Deutschland» für die Boern im Falle eine» südafrikanischen Kriege», welche bei un» einige Hitzköpfe wünschen, vollend» nicht die Rede sein. Wir Deutschen haben ent schieden keinerlei zwingenden Grund, un« mit den Engländern in einen Kampf auf Leben und Tod «inzulassrn, lediglich, um den kleinen Boernstaat fern in Südafrika vor dem Schicksal, in dem britischen Reiche aufzugrhrn, zu bewahren; da» fehlte gerade noch! Und wenn von besagten Hitzköpfen darauf hingrwiefen wird, daß eine» Tage» auch die deutschen Besitzungen in Süd- afrika den Engländern zur Beute fallen könnten, wenn sie erst einmal Transvaal und weiter den Oranjesreistaat, sowie Portugiesisch-Südafrika in die Tasche gesteckt haben würden, so ist auf eine solche Besorgniß zu erwidrrn, daß e» sich die Engländer wohl zweimal überlegen würden, mit Deutschland anzubinden. Jm Uebrigen bleibt e» noch sehr abzuwarten, wie der bevorstehende englische Feldzug gegen die Boern verlaufen wird, möglicher Weise pflücken hierbei die eng lischen Truppen nur sehr dürftige Lorbeeren, und nachher wäre e» für da» neutrale Ausland noch immer Zeit, vermittelnd in die kriegerische» Er eignisse auf südafrikanischem Boden einzugreisen. Deutsches Reich. Se. Majestät der König ist am Donnerstag Abend nach 8 Uhr in Billa Strehlen eingetroffen. Die erkrankte Fürstin-Mutter von Hohen- zollern ist die einzige noch lebende nähere Ver wandte unserer Königin von mütterlicher Seite; sie ist die jüngere Schwester der bereits 1854 verstorbenen Mutter der Königin Karola. Bei dem hoben Alter der Erkrankten, die, geboren am 21. Oktober 1813, demnächst ihr 86. Lebens jahr vollendet, flößt die Erkrankung selbstver ständlich die ernstesten Besorgnisse ein. Bischosswerda, 5. Oktbr. Es blüht jetzt wieder aus den Wiesen die Herbstzeitlose, eine ihrer zartglänzenden Blüthen wegen zwar sehr schöne, ober auch sehr giftige Pflanze. Jeder Theil der Pflanze, Blätter und Blüthen, Wurzeln und Stengel, enthält ein starkes Gift, Colchicin, welches hauptsächlich auf die Ver- dauunqSorgane und die Nieren wirkt, Lähmung des Centralnervensystems, Durchfälle, Magen- und Darmentzündungen, wenn auch nicht gerade sofort mit tödtlichem AuSgange, verursacht, und so Menschen und Thieren äußerst gefährlich werden kann. Den Naturfreund erfreut die Pflanze, wenn er im Herbste die mit ihnen be setzte grüne Wiese überschreitet, welche von dem im Herbstschmucke stehenden Walde umrahmt wird, und in deren einförmiges Grün die Herbst zeitlose eine reizende Abwechslung bringt; und doch ist die Pflanze für manchen, besonders für Kinder, die sie pflücken und achtlos in den Mund stecken, schon verhängnißvoll geworden. Darum fei nachdrücklich vor ihr gewarnt! — Nachdem durch BundesrathSbeschluß die Bestimmung der Betriebsordnung für die Haupt eisenbahnen Deutschlands darüber, daß die Thüren der Personenwagen mit einer nur von der Außenseite zu schließenden Verschlußeinrichtung versehen sein sollen, aufgehoben worden ist, werden alle im Bau befindlichen neuen sächsischen Personenwagen I , II. und III. Klasse Thür- schlösser mit äußerem und innerem Drücker und zwar nach dem System Fondu erhalten. Der neue Thürverschluß ist ebenfalls ein Doppelschluß, wie die ältere Art. Steht der Drücker wagerecht, so ist die Thür doppelt geschlossen, sie ist es aber noch einfach, wenn der Drücker nahezu senkrecht steht und kann nur geöffnet werden durch eine volle senkrechte Stellung. In dieser Stellung verbleibt der Thürgriff jedoch nur durch den Druck der Hand. Läßt dieser nach, so schließt sich das Schloß wieder selbst. — Die „Dresdner Nachrichten" schreiben: „VolkSwirthschastlich wichtiger und auch interes santer als alle die von reklamesüchtigen Zeitungen gestellten „Preisfragen", dürste die Frage sein: „In welcher Weise wäre es möglich, die Zahl der in erschreckendem Maße zunehmenden Feimen brände herabzumindern?" Fanden doch allein innerhalb der letzten acht Tage in der nächsten Umgebung von Dresden fünf solcher Brände statt. Rechnet man den Werth einer solchen Feime im Durchschnitt nur 2000 Mk., so kommt man schon auf 10,000 Mk., die hier verloren gegangen sind. Zwar ist der Schaden zumeist durch Versicherung gedeckt, doch der Mangel an Stroh, da» an und für sich in den landwirth« schaftlichen Betrieben nur schwer zu haben ist, kann trotz alle» Schadenersatzes durch mehrere solche Feimenbrände empfindlich werden. Wer entzündet oun vorwiegend die Feimen? Arbeits scheue» Gesindel, da» iu den Strohfeimen nächtigt und dem e» oft nur darum zu thun ist, für den Winter Quartier in Waldheim oder Zwickau zu erhalten. Den ländlichen Polizei organen darf kein Vorwurf gemacht werden: sie leisten in den meisten Fällen da» Menschen möglichste, aber ihr Wirkungskreis ist zu groß, um diesem groben Unfug energisch entgegen zutreten. Vielleicht wäre e» gut, wenn die Feuerwehren der ländlichen Distrikte, anstatt nutzlos auSzurücken zu diesen Strohbründen, in den frühen Morgenstunden (1 bi» 5 Uhr) ab und zu Patrouillen nach den Feimen entsenden würden, um da» lichtscheu« Gesindel zu ver treiben, au» der Räye der-gefährdeten Objekte. Und die Kosten? Die Kgl. BrandversicherungS- kammer und andere Interessenten gewähren all jährlich hohe Summen al» Beihilfe zur An schaffung von Geräthen und dergleichen an die Wehren. Mache man die Gewährung solcher Gratifikationen abhängig von wöchentlich zwei oder drei Kontrollgängen der Wehr, und die Angelegenheit wird sicher eine ebenso willige, wie gründliche Erledigung finden. — Trotz der gewaltigen und viel vernichten den Regengüsse im September tritt jetzt wieder die Mäuseplage in ganz erschrecklicher Weise auf. So sind aus einem drei Scheffel großen Kornacker de» Gemeindevorstande» zu Walters dorf bei Liebstadt 516 solcher Nager vernichtet worden. Der hinter dem Pfluge folgende Knecht hatte vollkommen zu thun, die flüchtenden Mäuse zu tödten. —* In vielen Gegenden Deutschland« erfriert die Apfelblüthe so häufig, daß der Anbau von Aepfeln kaum noch lohnt. In solchen Gegenden müssen Apselsorten bei der Planzung von Aepfeln gewählt werden, die möglichst spät blühen. In der neuesten Nummer des praktischen Rathgeber» wird eine Reihe spätblühender Apfelsorten ver öffentlicht, auf die jetzt vor der Pflanzzeit besonder» hingewiesen werden soll. Die Sorten blühen so spät, daß ihnen die Maifröste nicht» oder doch wenigstens nur selten schaden können. Die Nummer des praktischen RathgeberS im Obst und Gartenbau, welche die Liste enthält, wird auf Wunsch an Interessenten kostenlos von dem Geschäftsamt der Wochenschrift in Frankfurt a. d. Oder zugeschickt. * Bautzen, 4. Oktober. Der 100jährige Geburtstag des verstorbenen Herrn Seminar direktor Dreßler begann mit einem Tange der vormaligen Schüler zu Dreßler« Grabe, welches ein Verehrer herrlich geschmückt und wo eine Ansprache durch Herrn Lehrer Mittasch im Auf trage deS Herrn Oberlehrer em. Kretschmer I gehalten wurde, die ungemein ansprach. Beim Festmahl wurden eine ganze Anzahl von Er innerungen an die früheren Mitarbeiter Dreßler» und an ihn auSgetauscht. Im BezirkSlehrer- verein wurde ein Vortrag über Dreßler und seine Thätigkeit vorgelesen, den der erkrankte Oberlehrer Kretzschmer eingesandt. — Zur Er weiterung der Dreßler - Stiftung waren über 100 Mk. gespendet worden. Bautzen, 5. Oktober. Bei der in diesem Jahre das erste Mal erfolgenden unmittelbaren Einberufung der Rekruten zu ihren bez. Truppen- theilen tritt bei der Beförderung mit der Eisen bahn folgendes Verfahren ein. An die Rekruten werden aus Grund ihre» Gestellungsbefehl» Militärfahrkarten III. Klasse zu Dienstreisen (0,10 Mk. pro Kilometer) verabreicht bi» zur Zielstation gegen Baarzahlung. Militärfahrkarten zur Fahrt in II. Klasse dürfen nicht abgegeben werden. Will Jemand in dieser Klasse fahren, hat er wie andere Reisende zu bezahlen. Jeder Rekrut hat Anspruch auf da» übliche Gepäck freigewicht ; für das Uebergewicht ist die Gepäck fracht nach den Sätzen de» öffentlichen Ver kehrs zu berechnen. Kamenz, 4. Okt. Der Empfang der 178er und der Einzug der Truppen in die neue Kaserne gestaltete sich sehr festlich. Von feiten dec Stadt war der bereit» am 1. April 1897 bei Errich tung de» Regiment» zu Gunsten bedürftiger Unteroffiziere deponirte Betrag von 1000 Mark um 500 Mark erhöht worden; außerdem erhielt jeder Unteroffizier heute 1 Mk., jeder Mann 50 Pf. al» BegrüßungSgeschrnk feiten» der Stadt Kamenz. Pulsnitz, 4. Oktober. Heute traf Herr Kreishauptmann von Schlieben in unserer Stadt ein. Er besuchte in Begleitung de» Herrn AmtShauptmann» von ErdmannSdorff und unter Führung de» hiesigen Herrn - Bürgermeisters mehrere industrielle Anlagen, so die Vandsabrik von Hempel, die Löhnig'jche Wagenbauerei, die Färberei von Müller, die Schmollig'sche Fabrik, die Sperling'sche Töpferei, die Pfefferkuchen bäckerei von Bubnick und die Schürzenkonfektion von Feilgenhaurr, und nahm von den in den selben getroffenen Einrichtungen, zu welchen die anwesenden Besitzer beziehentlich Fabrikleiter Auskunft gaben, mit großem Interesse Kenntniß. (Bautzn. Nachr.) Dresden. Der Landesverein der deutsch sozialen Reformpartei im Königreich Sachse»