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buntfarbigen Menschenstrom, eS schärfte seine Blicke, daß er in dem immerhin ungewissen Lichte so vielfacher Beleuchtung und unter den vielen tausend Wagen und Menschen jedeSmal auffallend das Gesuchte entdeckte und befähigte ihn sogar, was eine große Kunst erforderte, stets in der unmittelbaren Nähe dieses Wagens zu bleiben. Diese Dame, welche die Aufmerksamkeit Sennor Enri cos erregte, war die Tochter des Kapitän- Carlos Peirera. Der Kapitän hatte sich, nachdem er seine Tochter einige mal« auf den Korso geführt, von den Fahrten ausgeschlossen. Amelia, die Tochter, war an dies Fernbleiben ihres PapaS gewöhnt — die Dienerschaft erwies sich als zuverlässig, außer dem hatte ja seine Tochter einige Bekanntschaften gemacht, unter anderen mit einer englischen Dame, Sennora Brown- Caskelo, welche das Vertrauen des Kapitäns besaß, mit die ser Dame teilie Amelia den Wagen bei den Korsofahrten, und da Sennora Brown-Caskelo mit dem schönen Mädchen und dem eleganten Wagen Furore machen wollte, so nahm dieselbe mit Vergnügen des Kapitäns Platz bei den Prome nadenfahrten ein. Heinrich, der sonst der Engländerin, welche er durch seinen Prinzipal kannte, nicht näher getreten, als eS die ha- vanestsche Sitte verlangte, daß heißt an ihrem Wagen, wenn er sie in dem Gewühl entdeckte, nach ihrem Befinden gefragt und sich dann höflich empfohlen hatte, knüpfte jetzt die Be kanntschaft fester, das will sagen, ging längere Zeit plaudernd neben d»m Wagen einher und zog auch Amelia in die Unterhaltung. Diese schien Vergnügen an dem Gespräch mit dem jungen Fremden zu finden, denn sie unterhielt sich auffallend lebhaft und viel mit Heinrich, welchen ihr Sennor Brown als Be kannten vorgestellt und als ein Muster von Solidität und Tu gend geschildert hatte. Der junge Mann war gebildeter an Geist und tiefer an Gemüt, als die jungen Leute, welche Amelia seither kennen gelernt. Schon seine Erscheinung, die allerdings interessant und eigenartig war, Halle einen mächtigen Eindruck auf sie gemacht; diesen verstärkte die nähere Bekanntschaft und bald, ach zu bald, mußte Amelia sich gestehen, daß sie diesen Mann auf's leidenschaftlichste liebte, daß von jetzt an die Welt für sie — nur dieser Mann war. .Sie besuchen doch den Kasino-Ball?' fragte Amelia den Deutschen. .Ich werde es dieses Jahr zum ersten mal tun,' gab Heinrich zurück — ihre Hände fanden sich und mit einem vielsagenden Druck schieden sie für diesen Abend. 12. Der Kasino Espagnol liegt am Paseo. Er ist ein Pracht bau, mitten in herrlichen Gartenanlagen gelegen, er besteht aus einer Anzahl Klubzimmer, auf's Eleganteste eingerichtet, von denen jedes eine Veranda hat, die m den Garten voll feingefiederter Palmen, phantastischer, glutblütiger Kaktus sträucher, herabhängender Vanille-Schoten und mächtiger Li lienarten, führt. Diese kleinen Säle umschließen den großen Tanzsaal des Kasinos, der ganz aus weißem, hellgelbem und rosa Marmor mit Goldverzterungen besteht und wo mächtige Kronleuchter mit bläulichen und rötlichen Glasglocken ein märchenhafte- Licht durch den Raum ergießen. In dem Saal, in welchem eine überaus rauschende, grelle Musik spielte, wogte eine bunte Menschenmenge von Euro päern, weißen und dunkeln Kreolen. Die Damen in kost baren aber sehr bunten Toiletten mit Gold und Diamanten stark geschmückt, die Herren englisch, daS heißt europäisch ballmäßig gekleidet, den Klapphut unter dem Arm. Durch die lebhaft erregte elegante Menschenmenge schob sich eine Anzahl schwarze Diener, in den unvermeidlich brennend roten Rock und glitzernde Goldtreffen gekleidet, und verliehen diesem Bilde den ganz speziell havanesischen Charakter. Es gibt ganz auffallend viel schöne Damen in Havana und auf dem Ball zeigen sich diese besonders. Hier feine, da stolze Schönheiten machten einander den Rang streitig, wohin der Blick sich wandte. Unter den Blondinen fiel Amelia sehr auf, zuerst durch ihre Kleidung — diese bestand aus einem einfachen weißen Mullkleid mit blauseidenem Ueberwurf, ohne jeden Goldschmuck — dann durch ihre Blondheit und sylphenartige Gestalt. Ein Sonnenstrahl, ein verkörperter Sonnenstrahl! riefen die Herren. Sie ist schön, aber sie hat doch ein bizarres Kindergesicht, kritisierten die Damen. Es erregte den Verdruß sehr vieler Herren, daß Amelia fast nm mit einem Einzigen tanzte und die Extratouren sichtlich nur der Schicklichkeit wegen andern Tänzern ein räumte. .Wer ist dieser Mann, wer ist diese Dame?' fragte man. Heinrich war bei Manchen bekannt, es erinnerten sich viele seiner wunderlichen Vergangenheit; aber er lebte nicht in der Gesellschaft und hierdurch kommt man in Havana schneller noch, wie anderswo, bald in Vergessenheit. Die Dame kannte niemand. .Die Tochter eines spanischen Schiffskapitäns Peirera, der von New-Vork kürzlich hierher gezogen — sehr vornehm, sehr reich!' lautete endlich die Auskunft des Kasinovorstandes. Amelia und Heinrich ließen die Leute schwatzen, sie waren sich nur bewußt, daß sie einander liebten, die Welt um sie her existierte nicht für sie, sie fühlten und sahen nur, daß der Himmel für sie auf die Erde hinabgestiegen. Sie sagten sich das nicht, sie hatten es nicht nötig; sie fühlten es, wenn ihre Hände zitternd ineinander ruhten, sie sahen es auS ihren Augen sich ins Herz strahlen. Der Ball erreichte sein Ende viel zu früh für die beiden Seligen. Heinrich versprach beim Abschied, sich Amelia s Vater schon am nächsten Tage vorzustellen. Es war dies beim Wagen, der, weit entfernt, fast am Schluß der unabsehbaren Reihe, ziemlich im Dunkel stand und plötzlich schlang Amelia, trotz der Gegenwart der Sennora Brown und ehe die er schreckte Dame einschreiten konnte, beide Arme um den jungen Mann und küßte ihn leidenschaftlich. .Kind, Du bist sehr havanestsch, trotzdem Du im kühlern Spanien geboren,' ^agte etwas verweisend die ältliche Ehrendame .Er ist mein Bräutigam, Sennora' erwiderte glückselig Amelia, .morgen sage ich es dem Papa!' — (Fortsetzung folgt) Vermischte Machrichten. — Die Kohlenerzeugung der Vereinigten Stauten ist ins Ungeheuere gewachsen, wie ein Bericht der dortigen Geologischen Landesuntersuchung zeigt, der bereits die Ziffern für das Jahr 1906 enthält. Danach wurden im vorigen Jahr im Ganzen 414039581 Tonnen im Wert von rund 2050 Millionen Mark gefördert. Die Steigerung gegen das Jahr 1905 erweist sich als eine außerordentlich große, nämlich um etwa 2l Millionen Tonnen und um eine Summe von 36 Millionen Mark. Die Zunahme der Menge betrug also 5,4, die des Wertes 7'/, v. H. Weitaus an erster Stelle von den einzelnen Teilen des Gebietes steht der Staat Penn- sylvanien, der fast die Hälfte der Gesamtmenge und mehr als die Hälfte des Wertes brachte. Der Anteil am Gesamt wert der Kohle ist deshalb noch größer, weil Pennsylvanien fast der einzige Staat ist, in dem der teuere Anthracit ge wonnen wird. Die Kohlenproduktion von Pennsylvanien wird auf rund 71 Millionen Tonnen Anthracit und 130 Millionen Tonnen bituminöser Kohle angegeben, ihr Wert auf insgesamt 1050 Millionen Mark. An zweiter Stelle unter den Staaten der Union steht mit Rücksicht auf di« Kohlenerzeuaung das westliche Virämien, an dritter Stelle der Staat Illinois, beide mit 40 Millionen Tonnen. Dann folgt Ohio mit rund 28, ferner Alabama mit 13, Indiana mit 12 und Colorado mit 10 Millionen Tonnen. Die übrigen von den 28 Staaten, die überhaupt Kohle liefern, bleiben in dem Ertrag hinter 10 Millionen Tonnen zurück. -- Eine köstliche Episode mit König Oskar von Schweden hat sich einmal in einer Mädchenschule abgespielt. Der Monarch interessierte sich ungemein für den Unterricht der Kinder und hielt es nicht unter seiner Würde, persönlich von dem Bildungsgrad der Heranwachsenden Jugend seines Landes Kenntnis zu nehmen. Bei dem Besuch einer Mädchenschule bat er eine Klassenlehrerin, sie in der Geschichts stunde zu vertreten. .Könnt ihr Mädchen', so fragte der König die Schülerinnen, .mir die Namen der größeren Könige Schwedens nennen?' .Gustav Adolf', sagte die Eine; .Karl XII.' rief eine Zweite: .Oskar II.' piepste eine der Kleinsten. Ueberrascht und belustigt schritt der Monarch auf die kleine Schmeichlerin zu und bat sie, ihm irgend eine große Tat des Königs während seiner Regierung zu nennen. Augenblicke vergingen; das Kind wurde rot, fing an zu stottern und rief schließlich mit Tränen in den gutherzigen Augen: .Ich weiß keine!' Mild wie immer, streichelte der volkstümliche Fürst dem Kinde die Haare und tröstete es mit den Worten: .Weine nicht, Kleine, ich weiß selber auch keine!'