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— — D-» jschstsch-«»zähle», «ette ». I8V» setzung der Zölle herbeisühren würden. Speziell diese beiden Forderungen sind deswegen politisch interessant, weil sie eine direkte Opposition gegen den Kurs des Grafen Caprivi bedeuten. Beharrt der Kanzler insbesondere bei seiner Ansicht, daß die Zölle ein „Opfer" seien, so wird das Signal zu einem erbitterten Kampfe gegen den Kanzler nicht auf sich warten lassen. Man tritt hier also gleichzeitig für den Grafen Caprivi ein in der Militärvorlage und stürmt gegen ihn an in der zweiten Hauptfrage, vor Allem in Rücksicht auf den russischen Handelsvertrag, von dem be kanntlich schon die Spatzen auf den Dächern sich zupfeisen, daß er eine Zollherabsetzung mit sich bringt. Dabei dürste es dem Kanzler, wenn anders er sich nicht völlig in die Arme des manchesterlichen Liberalismus stürzen will, recht übel zu Muthe werden, und die schönen Tage, wo er sich so behaglich fühlte, wie das Gelbe im Ei, dürften ihm entschwinden. Denn die künftigen Parlamentarier, wie wir sie uns auSmalen, werden schwerlich die Jagd um die Handels verträge, wie sie ihre Vorgänger veranstalteten, unternehmen. So einen Reichstag, wie der vorige war, giebts nur ein Mal auf der Welt. DaS Bild wird also ganz heiter: auf dem einen Stuhl sitzen die Gegner der HeereSreform, die zugleich begeisterte Förderer der kanzlerischrn WirthschaftSpolitik sind, also eine „oppositionelle Regierungspartei"; auf dem anderen Stuhle sitzen die Freunde der Militärvorlage, zugleich erbitterte Gegner der neuen Handels- und Hand werkerpolitik, also eine „regierungsfreundliche Oppositionspartei". Zwischen beiden Stühlen aber nun, da dürste wohl bald Caprivi sitzen, wenn anders er nicht auch noch sein wirthschast- licheS Damaskus findet. Göthe hat einmal ge sungen: „Propheten rechts, Propheten links, daS Weltkind in der Mitten." Ob ihm da über Lavater und Basedow hinaus eine politische Situation vorgeschwebt hat, wie die des Kanzlers im kommenden Reichstag? Die parlamentarischen Lorbeeren, die sich der Reichstag vor seinem Scheiden noch um daS Haupt flocht, als er die wüsten Schmähungen des Sozialisten Stadthagen ungehindert passiren ließ, haben den Herren Czechen den Schlaf ge raubt. Sie haben nicht geruht und gerastet, bis auch ihnen die Mitwelt einen RuhmeSkranz für ausgezeichnetes Raufen und wohlanständiges Schimpfen in die Locken flocht. Man hat sich nicht anders helfen können, man hat den ganzen böhmischen Landtag nach Hause geschickt. Und warum der Lärm? Lagen etwa die Gründe so wie damals, als die Vorfahren der Czechen die Martinitz und Slawata aus den Fenstern des Hradschin warfen, handelte cS sich um Dinge, um derentwillen eS lohnt, zum Märtyrer zu werden ? Keineswegs, daS Jndianergehenl, das in dem Saale deS Prager Landtages erklang, galt der Thatsache, daß ein deutsches Kreisgericht in Trautenau eingerichtet werden sollte, dem die weitaus überwiegende Mehrheit der böhmischen Volksvertreter auch zuzustimmen geneigt war. DaS wollte man vereiteln und diese Absicht ge lang. Denn auf das frühere Betreiben der Jungcezechen war es bestimmt worden, daß eine Aenderung der Gerichtsbezirke nur cintrcten dürfe aus ein Gutachten des Landtages hin, und als nun dieses Gutachten gefordert wurde, da ver eitelten dieselben durch physische Gewalt, ja durch brutale Roheit das Zustandekommen deS Gutachtens. DaS ist ein kindisches Spiel, das nur insoforn einen tieferen Sinn hat, als es die Absicht verräth, Böhmen zu einem Kessel der Revolution umzugestalten, wie cs etwa Belgien ist. Aber die Herren Gregr und Vasaty treiben hierbei ein sehr gefährliches Spiel; es ist leicht möglich, daß selbst dem Kabinet des Grafey Taaffe einmal der Geduldsfaden reißt und daß aus der beabsichtigten Vergewaltigung der Deutschen eine verdiente Vergewaltigung der Czechen sich entwickelt. Und dazu wäre es wirk lich die höchste Zeit, nicht bloS im Interesse des Dcutschthums, sondern noch weit mehr im Interesse deS österreichischen Staatsgedankcns. Deutsches Reich. Se. königliche Hoheit Prinz Friedrich Augnst beging gestern Donnerstag die Feier seines Ge burtstages und vollendete an diesem Tage sein 28. Lebensjahr. Bischofswerda, 2d. Mai. Von einem herben schmerzlichen Verluste ist unsere Stadt gemeinde betroffen worden. Gestern Abend ver schied nach längerem Leiden im 60. Lebensjahre nach 28jähriger treuer gesegneter Amtsthätigkeit Herr Bürgermeister Ritter rc. Robert Sinz. Mit dem Verewigten verliert unsere Stadt einen treuen, vom strengsten Rechtlichkeitsgefühl erfüllten Beamten, dessen Verdienste aüch durch Verleidung, des Verdienstorden- I. Classe Anerkennung ge funden haben. — Die Blüthezeit der LiebUngSblume Kaiser- Wilhelms des Unvergeßlichen, der Kornblume» beginnt wieder. Es sei deshalb wieder die Mahnung an Alt und Jung gerichtet, sich mit den am Feldrande gewachsenen Blumen zu be gnügen und das Niedertreten der Getreidehalme: zu vermeiden. — (Immerwährende Dämmerung.)- Mit dem vorgestrigen Tage begann die Zeit der immerwährenden Dämmerung, welche bis zum. 20. Juli anhält. Der nördliche Horizont wirk auch nach Untergang der Sonne nicht ganz dunkel, sondern bleibt von den heraufdringenden. Sonnenstrahlen vom Untergang bis zum Auf gang der Sonne hell beleuchtet. Diese Periode begreift den Höhepunkt, die schönste Zeit des Jahres in sich. V. Rammenau, 25. Mai. Unser allver- ehrter Kirchschullehrer und Kantor Herr Ernst Reinhold Jmanuel Riedel tritt mit dem 1. Januar 1894 nach 43jähriger treuer und ersprießlicher Wirksamkeit als Lehrer im hiesigen Orte in den wohlverdienten Ruhestand. Herr Riedel wurde am 6. August 1827 in unserem Orte geboren,, wo ebenfalls sein Vater langjähriger Lehrer an der hiesigen Kirchschule war. Seine Ausbildung zum Lehrerberuse genoß Herr Riedel im Seminar zu Dresden-Friedrichstadt, wurde dann 1848 Lehrer am Waisenhause zu Pirna, 1850 zweiter ständiger Lehrer und im Jahre 1866 Kirchschul- lehrcr in unserem Orte. Möge es daher Herrn Kantor Riedel vergönnt sein, noch lange Jahre hindurch im Kreise seiner Angehörigen gesund zu verleben. Umschau in der sächs.-prcuß. Lausitz und dem Meißner Hochland, 25. Mai. Durch Feuer wurde vernichtet: das Wohnhaus deS Hausbesitzers Schneider in WeigSdorf. — Bei Entzündung von Spiritus wurde der Lehr ling des Kaufmanns Rotter in Zittau arg ver brannt. — Herr Gymnasialoberlehrer vr. Arras in Bautzen hat bei A. Huhle in Dresden eine Sammlung von Gedichten erscheinen lassen, die den Titel führt: „Lieder vom sächsischen Vater lande aus alter und neuer Zeit für Schulen." Namentlich geeignet zum Geburtstag des Königs. — Der Fuhrwerksbesitzer Wobst auö Teichnitz war in Anklagestand versetzt worden, weil er im März Pulver ohne Anmeldung transportirb hatte. Die Anklage beruhte aber auf falscher Angabe und er wurde freigesprochen. — Der Herr Landrath Damm v. Seidewitz auf Reichen bach und Schöps bei Löbau wurde zum preu ßischen Kammerherrn ernannt. — Den 24. d- wnrde eine Wahlversammlung in Löbau abge- haltcn, wobei Herr Redakteur Zimmermann einen Vortrag hielt über „Resormpartci und ReichS- tagswahl." — Vor Kurzem verschied der 1814 in Schaudorf bei Rammenau geborene vm. Rektor Casper in Dohna. Vorher wirkte er als Sub stitut und Kirchschullehrer in Neukirch am Hoch walde. 1879 trat er nach 40jähriger Amtirung in den wohlverdienten Ruhestand. Friede seiner Asche! — Die Eisenbahn Bernstadt-Herrnhut ist an den meisten Stellen schon bis zum Ober bau fertig und wird bei guter Zeit der Betrieb Heuer eröffnet werden können. Bautzen, 25. Mai. Der dritte Verbands tag der lanvwirthschaftlichen Genossenschaften im Königreiche Sachsen ist am 23. Mai im Hotel Gude in Bautzen abgehalten worden und hat sich einer lebhaften Betheiligung zu erfreuen gehabt. Nicht allein waren die Genossenschaften beinahe vollzählig erschienen, sondern auch viele Gäste von fern und nahe hatten sich eingefunden. Die königliche KreiShauptmannschast Bautzen als Aufsichtsbehörde war durch Herrn RegierungS- rath v. Uckermann vertreten; ferner waren an wesend Herr Landesältester v. Zezschwitz, Herr Amtshauptmann v. Zetzschwitz, Herr Bürgermeister vr. Käubler, Herr RegierungSrath Uhlemann, der Vorsitzende des Kreisvereins der Oberlausitz, Herr Pfannenstiel, der Sekretär des Landes- kulturrathes Herr vr. Raubold, die Kreissekretäre Herr Oekonomierath Franke-Leipzig, Herr vr. v. Litrow-Dresden, Herr Direktor Brugger- Bautzen u. a. Außerdem war im Auftrage deS Allgemeinen Verbandes der landwirthschastlichen Genossenschaften des Deutschen Reiches Herr Verbandssekretär Ihrig aus Offenbach a. M.. und im Auftrage des nachbarlichen Verbandes der landwirthschastlichen Genossenschaften der Provinz Sachsen Herr Oberrevisor Huscher aus Halle a. S. erschienen. Die Verhandlungen be- gönnen kurz nach 11 Uhr und verliefen unter lebhafter Betheiligung seitens der Genossen zur allseitigen Zufriedenheit, in denselben wurde? Rückblick. Alle« in Allem genommen hat der Wahlkamps mit ziemlicher Zahmheit, auf Seiten der Ord nungsparteien aber auch leider mit bedeutender Lauheit und Uneinigkeit begonnen. Man darf wirklich immer wieder mit vollem Recht auf daS Vorgehen der Sozialdemokraten Hinweisen, die ihre im Einzelnen bewundernSwerthe Organisation nicht erst während der Wahlzeit kümmerlich und mühsam aufstellten, die vielmehr bereits am Tage der Reichstagsauslösung so weit fertig waren, daß sie in geschlossenen Kolonnen in'S Feld rücken konnten. In i/z aller Wahlkreise haben sie Kandidaten ausgestellt, vielfach allerdings ohne die Absicht und Aussicht auf einen positiven Erfolg. Aber die alte Parole, daß die Wahlzeit eine Zeit der Musterung der sozialistischen Heeres säulen bilden müsse, gilt auch für heute, und leicht ist es möglich, daß mancher ehrliche Spieß bürger, wenn er die von den einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen summirt, sich höchst bedenk lich die Schlasmütze zurechtrückt und betrübt vor sich hinmurmelt: Da muß doch aber etwas ge schehen! Wahrhaftig, etwas mehr Schneidigkeit und etwas mehr Freudigkeit, das könnte man den staatserhaltenden Parteien, wenn anders sie sichdieseS Epitheton bewahrenwollen,wohl wünschen. In den jetzigen Wahlkampf sind zum ersten Male eine Anzahl von Faktoren eingetretcn, die man bisher nicht dort zu sehen gewohnt war. Die Großherzoge von Baden und Hessen haben Ansprachen zu Gunsten der Militärvorlage ge halten, und wie neulich der Kaiser bereits auf dem Tempelhofer Felde seine Ansicht über die Gegenwart und seine Absichten für die Zukunft einen nicht Allen willkommenen Ausdruck gab, so hat er auch in Görlitz die Gelegenheit einer festlichen Veranstaltung benutzt, um seinem per sönlichen Wunsche, die Militärvorlage angenommen zu sehen, erneuten Ausdruck zu verleihen. Auch Seitens deS Fürsten Bismarck ist ein programma tischer Ausdruck seiner Meinung in einem Artikel der „Hamb. Nachr." erfolgt. Er hält fest an seiner Ueberzeugung, daß die Qualität der Armee hätte gehoben werden müssen, statt daß man die Quantität in den Vordergrund rückte, aber er legt den Hauptnachdruck daraus, daß in Zukunft nicht wieder ein Parlament von Leisetretern und Strebern nach der Rcichshauptstadt ziehe, sondern ein Parlament von thatkräftigen und entschlosse nen Männern, die im gegebenen Falle auch der Regierung gegenüber daS Ansehen und die Be deutung des Reichstags ausrecht zu erhalten wisse«. Auch er glaubt, wie er es ja schon in Jena und Kissingen aussprach, daß die Autori tät deS Parlaments gehoben werden müsse, wenn anders nicht der nationale Gedanke in Deutsch land Schaden erleiden soll. Aber auch an weiteren Kundgebungen hat cs nicht gefehlt. Eine größere Anzahl von Ver tretern der Börse in Berlin hat sich zu einem Auf ruf emporgeschwungen, in dem sie Geldmittel dar bieten für die Wahl von liberalen Kandidaten, welche für die Heeresvorlage eiutreten wollen. Wir hätten gewünscht, daß dieser Aufruf unterblieben wäre. Denn gerade heute, gerade nach den auf regenden Ereignissen, deren Helden die Ritter von Blumenfcld, die Polke, Maaß und Wolf waren, nach den trüben Erfahrungen, die zahl reiche Kreise mit Argentiniern, Portugiesen und sonstigen Exoten gemacht haben, scheint es wünschenSwerth, daß die Börsenwelt sich möglichst wenig in den Vordergrund stellt. Sie wird nicht überall die volle Ueberzeugung von ihrem Patriotismus erwecken, zumal in ihrem Aufruf jeder Ausdruck der Bereitwilligkeit fehlt, durch eine Erhöhung der Börsensteuer einen posi tiven Beweis der Vaterlandsliebe zu geben. Da dürfen die rheinischen Industriellen viel eher Anspruch auf Sympathieen machen, wenn sie sich unaufgefordert dazu bereit erklären, einen Theil der geforderten Lasten auf ihre Schultern zu nehmen, und sie würden wirkliche Bewunderung erwecken, wenn nicht in ihrer Kundgebung ein deutlicher Angriff auf das allgemeine Stimm recht erfolgte. Es ist nicht nur ein taktischer Schnitzer, es ist ein grober historischer Fehler, wenn man heute an dem Stimmrecht rütteln will, das allein dem Einzelnen die Theilnahme an der Leitung seiner Geschicke ermöglicht. Fast gleichzeitig mit der Börsenkundgebung erschien der Aufruf der vereinigten Landwirthe. Er stellt eine Anzahl von Forderungen wirth- schaftlicher Art auf, denen man fast durchweg zustimmen muß. Von diesen Forderungen greifen nur zwei in ein allgemeines politisches Gebiet hinüber: Die Forderung nach einer internationalen Regelung der Währungsfrage und daS Verlangen, alle Handelsverträge abzulehnen, die eine Herab-