Suche löschen...
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 20.08.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190308208
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19030820
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19030820
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-08
- Tag 1903-08-20
-
Monat
1903-08
-
Jahr
1903
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
sport«, de« Schneeschuhlaufen», de» Hörnericklitteii wie Rodel schlittenfahren», geeigneter mache als die Alpenwrtt. Jnbezug aus da» wie? hörte man zunächst den eingehenden Reisebericht de» Kcllbergwirt» Wohlrab, der mit den Wirten Hieke oom Fichtel berg und KreiSl von „ Stadt Karlsbads Oberwiesenthal eine Winterreise nach dem Riesengebirge unternommen hatte. Genannte Herren gaben u. a. bekannt, daß sie bereit» Hörnerschlitten im Ricsengcbirge bestellt haben. Die Vertreter der Gemeinden Ober- und Unterwiesenthal, Böhmisch - Wiesenthal, Schmicdeberg und Gottc»gab sagten eine Förderung de» Schneeschuhsport» unter der jugendlichen Generation ihrer Gemeinden zu. Bürgermeister Müller-Unterwiesenthal. Borsitzender de» hiesigen ErzgcbirgSverein», begrüßte e» in beredten Worten, daß man sich diesseits und jen seits der Grenze die Hand zu einmütigem Handeln reiche. Nach längeren Beratungen über Wegemarkierung und Zuziehung von Schlittensührern au» dem Riesengebirge schloß Sobitschka die interessante Veriammlung mit der Bitte, mit aller Treue und Hingebung für da« segensreiche Werl eintreten zu wollen. Er ließ seine Worte in einem „All Heil' auf die Zukunst de» Erz gebirge» auSklingen, dem man begeistert zuslimmle. — Schöneck, 17. August. Am Freitag mittag sind bei der Familie R., die hier zur Sommerfrische weilt, nach dem Genüsse von Pilsen, die sie selbst eingesammelt hatte, leb hafte« Erbrechen und VergistuugSerschcinungen ein getreten. Al» man nach dem vierjährigen Kinde sah, da» man nach dem Essen zur Ruhe gebracht hatte, lag es schon im Starr krampf. Der herbeigerufcne Arzt Herr l)r. Kirsi vermochte den Mund de» Kindes nach längeren Bemühungen zu öffnen und e« gelang ihm denn auch, da» Kind durch Einflösung von Milch usw. zum Erbrechen zu bringen. Da« Kind, wie auch die übrigen Angehörigen der Familie befinden sich nunmehr außer Lebens gefahr. — Schöneck, 17. August. Am Sonnabend ist im Tann häuser Staatsforstrevier, dem Gebiete de« Oberförster Reh- Kottenhcide, ein starker Fischadler geschossen worden. Die Spannweite beträgt 1,?o in. — Im 8 92 de» Jnvaliden-VersicherungSgesctze» ist bestimmt, daß weiblichen Personen, welche eine Ehe ein gehen, bevor ihnen die eine Rente bewilligende Entscheidung zugestellt ist, ein Anspruch auf Erstattung der Hälfte der für sie geleisteten Beiträge zustehl, wenn die letzteren vor Eingehung der Ehe für mindesten» 200 Wochen entrichtet worden sind. Dieser Anspruch muß bei Vermeidung des Ausschlusses vor Ab lauf eine« Jahres nach dem Tage der Verheiratung geltend ge macht werden. Mit der Erstattung erlischt die durch da» frühere Versicherungsverhältnis begründete Anwartschaft. Von diesem Rechte, die Beitragserstattung in VcrchelichuugSfällen zu ver langen, wird, wie die Jahresberichte der Versicherungsanstalten beweisen, seitens der Versicherten in der Regel Gebrauch gemacht. ES kann und muß wohl zugegeben werden, daß es für die Ver sicherten von Wert ist, bei oder bald nach ihrer Verheiratung eine gewisse Summe baren Geldes zu erhalten, c« ist aber vor allem auch zu bedenken, daß mit der Beilragserstatlung die durch da« frühere Versicherungsverhältnis begründete Anwartschaft er lischt; d. h. daß die Versicherten dadurch des Rechtes auf Rente verlustig werden. - Nicht nur in Fällen, in denen die versicher- ungSpflichtigc Beschäftigung nach der Verehelichung fortgesetzt wird, ist es vortcilhast, von BeitragSerstattung bezw. von An trägen auf solche abzuschen, cs erscheint auch geraten, solche zu unterlassen, wenn und obgleich mit der Verheiratung das Aus scheiden aus dem versicherungSpflichtigcn Arbeiisvcrhällnisje statt findet. In Fällen der letzteren Art ist es dringend anzuraten, die Anwartschaft aus Rente durch freiwillige Fortsetzung der Ver sicherung ausrecht zu erhalten. Die» wird schon dadurch erreicht, daß jährlich für 10 Wochen Beiträge entrichtet werden, was, wenn Marken der niedrigsten Lohnklasse zur Verwendung kommen, eine jährliche Ausgabe von 1,»» M. bedeutet. Zum Eisenbahnunglück bei Rothenkirchen. Rothenkirchen. Neber das Eisenbahnunglück wird weiter gemeldet: Der verunglückte Zug war in Rothen kirchen mit erheblicher Verspätung eingetrofsen. Um diese Ver spätung aus der weiteren Fahrt möglichst einzuholen, ließ der Zugführer die Fahrt so beschleunigen, daß die Wagen durch das schnelle Fahren ins Schaukeln gerieten und sich dann an der Kurve zwischen Rothenkirchen und Bärenwaldc, unweit der Rothen- kirchcner OrlSgrenze, das schreckliche Unglück ereignete, indem die Wagen aus dem Gleichgewicht kamen und teil- nach link», teil» nach recht» au« dem Geleise stürzten und bi» auf die letzten beiden fast vollständig zertrümmert wurden. Die Lokomotive suhr noch eine kurze Strecke weiter und stürzte dann die gegen 1'/, Meter hohe Bahnböschung hinunter. Die Szenen, die sich dann aus der UnsallfteUc bei der herrschenden Dunkelheit zutrugen, waren schreckliche. Drei Tote wurden au« den Trümmern hervorgezogen. 40 Personen waren zum Teil schwer verletzt. Sofort nach Be- kanntwcrden de» Unglück» wurde in Rothenkirchen die Feuerwehr alarmiert, die alsbald im Verein mit Bahnbeamten usw. an« Rettung-Werk ging. Die Verletzten sanden den ersten sachgemäßen Beistand durch die Herren Aerztc au» Rothenkirchen und Bären walde, denen Herr Friseur Emmerich au» Rothenkirchen wacker zur Seite stand. Die schwerer Verwundeten wurden im nahen Bärenwalde untergebracht. Sic gehören meist einem Gesangverein aus Niederplanitz an, der einen Ausflug nach dem Kuhberg ge macht hatte. In der zwölften Stunde traf der herbeigerusene RcttungSzug ein, dessen Mannschaften sofort mit den Aufräumungs arbeiten begannen. Eine nach vielen Hunderten zählende Menschen menge strömte am Montag fortwährend zur Unfallstelle, die einen schrecklichen Anblick der Verwüstung bot. Bon einigen Wagen waren nur noch die Achsen und ein Haufen Holzsplitter vor handen. Photographen aus allen Richtungen hatten sich aus der Unglücksstätte eingcsundcn, um da» Bild der Verwüstung durch photographische Aufnahme festzuhalten. Von den Personen, die an der Fahrt teilgcnommeu hatten, wird berichtet, daß der Per sonenzug bereit» aus der Fahrt bi» Rothenkirchen ungewöhnlich schnell suhr, so daß die Wagen bereit» da erheblich in» Schaukeln gerieten. Auf der weiteren Fahrt von Rothenkirchen «n äußerten dann verschiedene Passagiere, aus der nächsten Station den Zug verlassen zu wollen. Der Lokomotivführer und der Heizer de» verunglückten Zuge» sind mit verhältnismäßig geringen Verletz ungen davongekommen. Eine anderweile Meldung besagt: Die Ursache de« be klagenswerten Unfälle» bei Rothenkirchen läßt sich bi» jetzt nur vermutungsweise au» dem Besunde der zerstörten Wagen und der entgleisten Maschine seststcllen. Da» Gleis ist so intakt, daß e» bereit» am Nachmittag de» auf den Unfall folgenden Tage befahren werden konnte, ohne daß am Geleise selbst besondere Nacharbeiten erforderlich gewesen wären. Insbesondere erwiesen sich Ueberhöhung und Spurweite al- vollkommen richtig und völlig erhalten. Die Maschine hat die Kuppelung zwischen ihr und dem ersten Wagen zerrissen und ist noch 36 Meter wett gefahren, bi» sie aus einem etwa einen Meter hohen Damm nach recht» umstürzte, wobei sie mit Esse und Dampfdom 1'/^ Meter lange, bis 70 Zentimeter liefe Löcher in» Feld bohrte und nach nochmaligem Ueberschlazen auf ter Seite mit den Rädern gegen den Damm gekehrt liegen blieb. Die zerstörten Wagen waren sämtlich noch sestgekuppelt und standen im Zickzack gegen einander, etwa 8 Meter reckt» seilwärt» de« Geleise». Die letzten Wagen hingen noch mit dem aus dem Geleise gebliebenen Zugführer wagen zusammen. Nur die zwei ersten Wagen zeigten größere Beschädigungen. Bei den folgenden waren nur die Schutzwände für die Plattform und teilweise die Stirnwände eingedrückt. Von den im Zuge vorhandenen 14 Wagen waren zehn lauffähig ge blieben. Der vorstehend geschilderte Zustand läßt mit großer Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß die mit 25 Kilometer für die betreffende Strecke festgesetzte Höchstgeschwindigkeit vom Lokomotivführer de» verunglückten Zuge» bedeutend überschritten worden ist. Die erste 'Nachricht von dem Unglück gelangte Sonntag abend gegen IO Uhr nach Rothenkirchen, woselbst der Gemeinde vorstand Müller die Feuerwehr zur Hilfeleistung alarmierte. Auch in Bärenwaldc wurde bereits ungefähr 20 Minuten nach dem geschehenen Unglück die Feuerwehr zum gleichen Zwecke alarmiert. Von den tätlich verunglückten hinterläßt der 31 jährige Berg arbeiter Ernst Wilhelm Wenzel eine Witwe mit vier Kindern im Alter von IO, 8,4 und 2 Jahren, der 36jährige Bergarbeiter August Hörning eine Witwe mit acht Kindern im Alter von 10 Wochen bis zu 16 Jahren, und die Frau Pampcl 2 Kinder. Kirchberg, 18. August. Bon den 8 im hiesigen Kranken haus eingclieferten, bei dem Eisenbahnunglück verletzten Personen ist der Schlosser Theodor Seifert au» 'Niederplanitz, welcher eine leichte Kopfwunde davongctragen hatte, gestern als geheilt ent lassen worden. Auch ist der Bergarbeiter Georg Alsred Müller aus Niederplanitz, welcher einen Kieferbruch und Verletzung de» Kopfe» davongetragen hat, nicht gestorben, befindet sich vielmehr noch im Kirchberger Krankenhause und ist heute bei dem Ge nannten sogar eine Besserung festzustcllen. Von weiteren als den gemeldeten 3 Todesfällen ist hier nicht» bekannt. Amtliche Mitteilungen aus der ll. öllentlichen Sitzung des Stadtverardnetcukollegiums vom 31. Juli 1803. Anwesend: IN Stadtverordnete. Entschuldigt fehlen 2 Stadtverordnete. Vorsitzender: Herr Stadlverordnctenvorsteher Mersch. Der Rat ist vertreten durch Herrn Bürgermeister Hesse. I> Der Erweiterung der Vorschriften über die Reinlichkeit und Ordnung in den Bäckereien auf die Müllereibetriebe in ber vom Stadtrat beschlossenen Weise stimmt man zu. 2) Hiernach gibt der Herr Vorsitzende den Ratsentwurf der stautionSbestimm- ungen sür Leuchtgäsabgabe bekannt. Nach diesem ist der Stadtrat berechtigt, von Inhabern von Gast- und Schankwirtschasten eine Kaution zur Sicherung des GaSzinseS zu fordern. Auch diesen Vorschriften stimmt man zu. 3) Des Weiteren erklärt das Stadlverordnetenkollegium zu den Vorschriften über das Schlasstellenwesen, welche bei den Herren Mitgliedern des Kollegiums zirkuliert haben, einstimmiges Einverständnis. 4f Der Rat hat aus Vorschlag des Bailausschusses beschlossen, noch im lausenden Jahre den zwischen Nord- und Lchulstrnße liegende» Teil der Oststraße bebauungsplanmäßig mit Schleuse und Kiesfnßweg herzusteUcn, 2610 Mark gewährt worden. Mit Rücksicht auf diese Sachlage stimmt auch das Etadtverordnelenkollegium den, Strabcnbau unter Kostenver- ivilligung zu. Herr Hertel regt im Interesse der hier verkehrenden Touristen an, daß an den unteren Scheunen am Windischwege ein Wegweiser „nach dem Bahnhose" angebracht werde. 3) Einverstanden ist man mit der Anstellung des Kassenassistenten Arthur Mendt in Le..genfeid als Assistenten des Verbandskassenrevisors. 6) Die von Herrn Stadtverordneten Schlegel nachgeprüste und für richtig befundene Wasserwerkskassenrechnung für das Jahr 1902 spricht man richtig. 7) Die Biersteuerrechnung sür >902 übernimmt Herr Stadtverordneter Pfefferkorn, die Stadtkaffenrechnung für 1902 Herr Stadtverordneter Hirschberg zur Nachprüfung. 8s Von der Verwill gung von Staatsbcihilfen von 1600 M. für die Handels schule und 300 M. für die gewerbliche Zeichenschule nimmt man dankend Kenntnis. 9) Zugestimmt wird dem Abschlüsse eines Vertrages mit der fiskalischen Straßenbauverwaltung über die Durchlegung einer Schleuse durch die fiskalische Eibenstock-Auerbacheistraße in der Nähe de» Rathauses. Die Strohmänner. Major von Strobach fluchte. Da» war sonst nicht seine Art, denn er war mehr sür da» gemütliche. Aber diesmal tat er e« doch. E» war auch zu dumm, daß der Brigadckommandcur General von TreSlh jetzt grade den Einfall kriegte, sein Bataillon sehen zu wollen. Hettstadt liegt so wundervoll gemütlich und ein höherer Vorgesetzter verläuft sich selten dahin. Und Major von Strobach überließ die Geschäfte des Bataillon» seinem Adjutanten und die Ausbildung der Truppen dem ältesten der vier Hauptleute, der dafür wieder seine Kompagnie seinem Oberleutnant überlassen mußte. Nun half cS nicht«, nun mußte „gebimst" werden — und dazu waren nur noch zwei Tage übrig. Und wa» mußte da noch alle« gemacht werden, denn General von Tre»kh wollte zwei Tage bleiben. Am ersten Tage wollte er da» Bataillon im Exerzieren und im Felddienst besichtigen und am nächsten Vormittag im Turnen, Bajonettieren, Instruktion usw. Da» war einfach unerhört und „kam nicht vor," jetzt, da man vor dem Manöver stand und Kompagnie- und Balaillon»-Vorstellung doch längst hinter sich hatte. Beim Exerzieren schimpfte Major von Strobach wie ein Wilder: Hauptleute, Leutnant», Unteroffiziere und Gemeine — alle waren sie in gleicher Mitschuld und Verdammnis. Beim Felddienst wetterte er und beim Turnen — na, da fluchte er, wie — na — wie eben ein Major, den man au« seiner schönsten Ruhe gewaltsam ausgerüttelt hat. Aber am Tollsten ging'» beim Bajonettieren. In der neunten Kompagnie, der ersten de» Bataillon», zwar schien sich'« gut an zulassen, denn da waren einige Paar ganz vorzügliche Fechter dabei — vier Paar, die sich sehen lassen konnten, in allen übrigen Kompagnien jedoch kaum je ein Paar. Aber man mußte sich zu helfen wissen und so tat der Major von Strobach etwa», wa» er sonst noch nie getan hatte: er inszenierte einen regelrechten Besichtigungsschwindel. Drei Paare der neunten verteilten sich, sobald die Besichtigung der ersten Kompagnie beendet war, in die zehnte und nachher auch noch in die elfte und zwölfte. E» wurden genau diejenigen Leute bezeichnet, di« mit den guten Fechtern ihre Stellung wechseln sollten und dann wurde e» geübt und der lange Sommertag neigte sich seinem Ende zu. Am nächsten Tage ging e» gleichfall» so. Die Leute fluchten und schimpften. Am nächsten Tage kam der General. Einfach und spartanisch, wie man ihn kannte, stieg er auf dem Lahnhof direkt zu Pferde — er hatte sich vorher jeden Empfang »erbeten — und der Oberst, der sehr sür Feierlichkeiten und äußere» Gepränge war, machte die „chosc" mit sauersüßer Miene mit. Natürlich hatte er mit gemußt und da» war ihm nicht angenehm gewesen. Denn er konnte Strobach nicht leiden und hätte ihm am liebsten etwa» am Zeuge geflickt. Allein in Gegenwart de« General» würde sich da» vielleicht doch schlecht machen. Ha, vielleicht würde man ihm unter vier Augen seine Meinung nicht zu verhehlen brauchen. Aber, weiß der Kuckuck, da» klappte ja alle» ganz großartig! Schon die Meldung! Strobach saß elegant zu Pferde und sprengte elegant heran. Wie oft und mit welcher Beharrlichkeit Strobach da» allerding« geübt hatte, da« konnte der Herr Oberst nicht wissen. Leim Exerzieren fand selbst da« Auge de» strengen Hern, General« nicht« au»zusetzen. Hauptmann Pfeiffer, der ja sonst immer da» Bataillon exerzierte, hatte ein strenge« Kommando und ahndete jede Nachlässigkeit ohne weitere» mit Nachexerzieren. Aber da» konnte der Herr Oberst ebenfalls nicht wissen, denn bei der Kompagnievorstellung hatte da« Bataillon schlecht, bei der Bataillon-Vorstellung nur leidlich abgeschnittcn. Da« an da» Exerzieren sich anschließende Gefecht hatte ebcn- fall» den Beifall de» Herrn Obersten. Man hatte e« ja auch zweimal durchgeprobt und der Adjutant hatte dem Herrn Major so lange Vortrag darüber gehalten, bi» der Herr Major jede« Wort auswendig wußte. Dem entsprechend war der Herr General dann auch ganz gegen seine Gewohnheit außerordentlich liebenswürdig und schloß seine Kritik mit den Worten: „Ich bitte Sie, Herr Major, den Leuten heute nachmittag freizugeben. Und wie haben Sie da» Programm sonst entworfen?" „Zu Befehl, Herr General — ich habe nach der gemein samen Mittagstafel an ein Konzert im Garten de« Stadlparke» gedacht". „Vortrefflich, Herr Major — werde natürlich da sein! Und nun, habe einen Bärenhunger — ich bitte die Herren, sich ja keinen Zwang aufzucrlcgen. Kommen Sie, wie Sie gehen und stehen — lassen Sic sich ein wenig abbürsten und dann essen wir. Die Felduniform ist doch immer da» schönste Ehrenkleid de» Soldaten". Der Tag endete in sehr animierter Stimmung, die nur bei dem armen Strobach dadurch bedenklich beeinträchtigt wurde, daß er ständig schauspielern mußte. Ihm war nämlich nicht ganz wohl zu Mute, wenn er an seine Strohmänner dachte, die morgen in allen Kompagnien fechten sollten. „Wenn da» etwa herau»- kam! —" Aber da» Grübeln half nicht — und al» er endlich nach Hause ging, da war auch er ziemlich animiert. Am anderen Morgen standen die Truppen Punkt 5 Uhr aus dem Kasernenhofe, diesmal aber im Drillanzug, Mütze und Schnürschuhen, denn e» war ja Turnen, Bajonettieren und In struktion angcsetz«, kleiner Dienst. Und die Herren Offiziere waren im Ueberrock und Mütze. E« wurde zunächst eine gute halbe Stunde instruiert, jede Kompagnie nicht ganz 10 Minuten. Die Fragen und Antworten flogen nur so herüber und hinüber, und sogar wenn der Herr General in den Gang der Probelektion selber eingriff, brüllten die Kerl» laut und vernehmlich, wie e» ihnen vom Hauptmann Pfeiffer sorglich eingetrichtert war. Der hohe Vorgesetzte nickte befriedigt und besonder» dann, wenn die Antworten, wie meisten», richtig waren. E» kam da» Turnen und die Leute schwitzten bereit« wie die Bären. Denn bei jeder der vierundzwanzig Abteilungen — jede Kompagnie sechs, hielt sich der General auch ungefähr fünf Minuten auf und so war c» fast acht Uhr geworden, als da» gefürchtete Bajonettieren herankam. Die Kontrafechter hielten sich famo», namentlich die am rechten Flügel der ersten Abteilung der ersten Kompagnie. Dann kamen noch drei Paare, sie zeich neten sich besonder» au» und da- Uebrigc konnte cbenfall» angehen. Bei der zehnten Kompagnie war'» dasselbe, bei der elften und zwölften da» Gleiche. Der Kelch war vorüber, der General versammelte da« Dutzend Offiziere um sich und kritisierte die Sache in sehr liebenswürdiger Weise. Mit feinem Lächeln flocht er dann ein: „Und merkwürdig, in jeder Kompagnie waren e» vier Paare, die ganz besonder» vorzüglich fochten". Major von Strobach wünschte, daß ihn die Erde verschlänge, aber er faßte sich und, die Hand am Helm sagte er forsch: „Zu Befehl, Herr General, ist mir auch ausgefallen". Nach der Vorstellung sand ein Frühstück statt, bei dem der General ebenfalls sehr liebenswürdig war. „Lieber Strobach", sagte er plötzlich zu dem neben ihm sitzenden Major, — „müssen demnächst einen neuen Tric ersinnen, — der, den Sie beim Bajonettieren anwandten, ist zu alt". „Herr General? —" „Ist zu alt — kenne ihn, hab ihn immer al» Hauptmann angewandt — unter dem Drahtgesteül de» Fechthule» kann man die Kerle ja doch nicht erkennen — aber ich habe den einen an einer Narbe der rechten HalSseite erkannt. Nun — sehen Sie doch nicht so verhagelt au». Da« ist kein Staatsverbrechen. Deshalb kann ich Ihnen doch zum Stern im Vorau« gratulieren!" Aas Ehrgefühl des Kindes. Da« Ehrgefühl zeigt sich im Kinde früh schon in der Furcht, verlacht zu werden, eine Furcht, die bei manchem Kinde so weit geht, daß e» alle» irgend Auffallende (z. B. ein neue» Klcidung»- stück) nur deswegen höchst ungern anlegt, weil da» Neue an seiner kleinen Person die Kameraden zur Aufmerksamkeit und zu irgend einem Spotte reizt. Nun muß freilich in dieser Hinsicht die Zucht da« Kindische darin niederhalten, indem sie da» Kind solch törichte Furcht vor törichtem, nicht bedeutendem Urteil überwinden lehrt, weil e» ihr nicht nachgcben darf; ebenso, daß sic der Empfind lichkeit, die sich bet jedem Worte beleidigt glaubt und in den Schmollwinkel setzt, kein Recht einräumt, sondern da» Kind seine Ehre gerade darin finden lehrt, etwa« ertragen, vergessen, darüber hinwegsehcn zu können, und dann darin, daß der Eitelkeit, die im absichtlichen Auffallen, im Herau»fordcrn fremder Aufmerk samkeit sich kund giebt, keine Nahrung gegeben wird. Allein fern von diesen Fehlern ist derjenige Sinn, der auch da« Kind be stimmt, seine eigene Würde zu wahren und alle« Schandebringende zu meiden. Dieser ehrenhafte Sinn muß sich au» jenen kindischen Formen de« Ehrgefühl» erst lo»ringen und herau»bilden; und die Zucht hilft dazu, indem sie an de» Kinde» Ehrgefühl appelliert, sei e», um e» erst von einer Handlung abzuhalten oder um ta«- selbe zu strafen. Solche» Appellieren knüpft sich an einzelne Ge legenheiten; aber im Einklänge damit muß der ganze Ton im Hause stehen. Woraus basiert sich beim Kinde da» Ehrgefühl? Wie entsteht e» überhaupt In demselben? E» kann ja die« Ge fühl nur dann wahrhaft vorhanden sein, wenn e» an irgend einer Realität, die der Person eigen ist und ihr Wert giebt, seinen Halt findet. Sein Wissen und Können, sein Platz in der Schule — da» wird freilich oft genug dem Ehrgefühl de» Kinde» al» Motiv unterlegt — aber immer falsch, weil darau» eine Selbst befriedigung entspringt, die allem rechten, tüchtigen Wissen und Können hinderlich ist; gerät da« Kind selbst auf diesen Abweg, ist die Ehre sogar die Haupttriebfeder seiner Aeußerungen, so ist
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)