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für Bischofswerda, Stolpe« und Umqegend, ^imtoblat« -er Kgl. Amtohauptmannschüft UN- -er Kgl. Schnlinsprction zu Kautzeä,: sowie -es Königlichen (!?rrichtoamteo un- -es StuÄtrathes zu Bischofswerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabend« und kostet einschließlich der «»ich abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark bv Pfg. (IS Rgr.). Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« früh » Ubr angenommen und kostet die gesp-ltene Corpuszeile »der deren Raum. >0 Pfennige. 40. Sonnabend, den 1» Mai. ! 1877. Des Pfingstfestes halber erscheint Nr. LI d. Bl. Sonnabend den 26. Dtai. vis Lxxsäition <168 „säoLs. LrLädlsrs." Wird der Krieg localistrt bleiben? Die englische Antwort auf die russische Circular depesche hat die diplomatische Constcllation wesentlich verändert; doch dürste die Ansicht, daß mit ihr das Stadium des localisirten Krieges thatsächlich über schritten und der europäische Krieg eingeleitet sei, noch keineswegs begründet erscheinen. England hat den Schritt Rußlands gemißbilligt, und zwar in einer Weise, die hart an die Grenzen des mit der Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen Ver träglichen streift. Ob die Gortschakoff'sche Depesche auch von den anderen Mächten eine Beantwortung erfahren hat, ist nicht bekannt geworden ; voraus sichtlich würde dieselbe von keiner Seite in gleichem oder ähnlichem Sinne ausgefallen sein. Nicht, als ob anzunehmen wäre, daß die übrigen Mächte Rußlands Verfahren unumwunden billigten ; aber sie würden sich jedenfalls vor den haltlosen Argumenten hüten, welche Earl Derby als Hand habe dienen müssen. Vollständig zu übersehen, daß Europa seit zwei Jahrzehnten von der Türkei zum Narren gehalten worden, und die Unterlassung der allgemein verlangten Reformen seitens der Pforte ausschließlich den russischen Truppenanhäufungen an der Grenze zuzuschreiben ist, heißt sich der sittlichen Entrüstung doch gar zu sehr aus Kosten der Objek tivität hingeben! Mau mag über die diplomatischen Verhandlungen der letzten Jahre, namentlich über die Conferenzverhandlungcn denken, wie man will, jedenfalls haben sie den Beweis erbracht, daß die Türkei weder bisher ihren vertragsmäßigen Ver pflichtungen nachgekommen ist, noch den aufrichtigen Entschluß zu erkennen gegeben hat, ihnen in Zukunft nachzukommcn. Unter diesen Umständen war der Pariser Ver trag thatsächlich nur noch eine historische Reminiscenz, und Diejenigen, welche die englische Regierung für ihren energischen Hinweis auf denselben als den einzigen Hort von Wahrheit und Recht preisen, erinnern an jene Naiven Gemüthrr, welche ein pa thetisches Schauspiel für baare Wirklichkeit nehmen! Für die politische Betrachtung kann die Bedeu tung der Derby'schcn Depesche selbstverstänvlich nicht in der von ihr geübten rückwärtsschauenden Critik des russischen Vorgehens liegen, sondern allein in ihren etwaigen Wirkungen auf die fernere Gestaltung der Lage. Es fehlt nicht an Nachrichten, welche Eng land bereits unmittelbar vor dein Losschlagen stehen lassen. Zunächst aber wird man sich doch die Frage vorzulcgen haben, welche Gründe es zu einem Kriege gegen Rußland haben könnte? Daß es au» bloßer Schwärmerei für „Recht und Wahrheit" sich in ein solches Unternehmen stürzen sollte, werden Diejenigen am wenigsten behaupten wollen, welche da« Vorgehens Rußlands, für die unterdrückten Christen einzutreteu, als eitel Schwindel erklären. Es müssen also realere Interessen im Spiele sein. Man könnte fürchten, daß aus dem Kriege eine die englischeil Interessen gefährdende Erweiterung der Machtstellung Rußlands hervorgehen könnte; aber diese Befürchtung scheint der überzeugenden Grundlage völlig zu entbehren. Wenn ein Gerücht wissen will, daß binnen Kurzem die Besetzung ConstantinopelS von Seiten England» bevorstehr, so fragt man sich, warum eine derartige Besetzung überhaupt als nöthig erachtet werden sollte? An eine Eroberung ConstantinopelS durch Rußland ist, selbst die militärische Möglichkeit angenommen, bei der gegenwärtigen europäischen Lag« gar nicht zu denken. Rußland dürfte sich auch bei dem gün stigsten AuSgange seine» Kriege» mit der Türkei, neben der-Durchsetzung der willenSfrcien Stellung Bulgariens, mit der Wiedererwerbung der Donau mündungen und einiger Positionen in Kleinasisü begnügen. Welche Gefahr eine solche Eventualität für Englands Weltstellung in sich schließen könnte^ ist nicht abzusehen. Möglicherweise ließe sich aber auch für eine englische Kriegserklärung gegen Ruß land nebeji der Besorg« iß vor einem Machtzuwachs des letzteren der Wunsch nach einer Niederlage des selben als maßgebend denken; die Maxime, -atz jede Schwächung Rußland» eine Stärkung England» be deute, ist zwar etwa« veraltet, hat aber noch t«st«r ihre Anhänger. Jndeß, soweit die für eine tüMfk