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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 20.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190601204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19060120
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19060120
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-01
- Tag 1906-01-20
-
Monat
1906-01
-
Jahr
1906
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Besuch lieh leider viel zu wünschen übrig, war es, daß das Publikum durch Dilettanten Darbietungen überhäuft war, oder man halte keine Kenntnis davon, daß unser neuer Wirt, Herr Hering, gewohnt ist, nur etwas tüchtiges, seinem Lokal angepaßtes, zu arrangieren. — Stützengrün, 16. Januar. Die Behausung des Gastwirts Böttcher, wo für heute Karpfcnschmaus angekün- ditzt war, wurde in der verflossenen Nacht von Dieben heim gesucht, die an den vorhandenen Fleischwaren eine gute Beute hatten. Hoffentlich gelingt es, den Spitzbuben auf die Spur zu kommen. — Dresden, 17. Januar. Se. Königl. Hoheit der Prinz Ludwig von Bayern traf heute vormittag Uhr 48 Min. in Vertretung Sr. König!. Hoheit des Prinz- Regenten Luitpold von Bayern zum Besuche am König!. Hose in Dresden ein. — Dresden, 17. Januar. Die vor dem Dresdner Land und Amtsgericht anstehenden Strafprozesse gegen die am 6. und l7. Dezember vorigen Jahres anläßlich der Dresdner S tr a ß e n kra w a l l e verhafteten Wahlrechts demonstranten haben nunmehr ihr Ende erreicht. Bon 26 An geklagten, die wegen Aufruhrs, Landfriedensbruch, Auflaufes, Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Beamtenbeleidigung, Ruhestörung usw. angeschuldigt waren, ist nur ein einziger freigesprochen worden. Den übrigen Verurteilten, die zum Teil verheiratet sind und Kinder zu ernähren haben, sind empsindliche Strafen auferlegt worden, die hoffentlich andere veranlassen werden, am 21. d. M. ähnlichen Szenen fern zubleiben. Eine ganze Reihe von Angeklagten stand am Abend der blutigen Demonstrationsnacht unter dem Einflüsse des Alkohols. Viele wußten nicht einmal, worum es sich eigentlich handelte und hatten den vor den Krawallen statt gefundenen Wahlrcchtsversammlungen nicht beigewohnt. Die Gerichte in Dresden haben gegen die für schuldig befundenen 25 Demonstranten insgesamt 21 Jahre 11 Monate Gefäng nis und 33 Wochen Haft ausgeworfen. — Leipzig. Eine achtzehnjährige Verkäuferin aus Berlin stahl ihren dortigen Verwandten 8«>o Mk. Auf der Reise nach Leipzig wurde ihr jedoch das Geld wieder ge stohlen und sie selbst festgenommen. — Pirna, 16. Januar. Das Testament des ver storbenen Dresdner Fabrikbesitzer Greif, durch welches der Stadt Pirna ein Vermögenswert von über 8M<>oo Mk. zu fiel, wird nach einer an den Rat gelangten Mitteilung von den Verwandteil des Stifters angefochten, da sich der Erb lasser bei der Abfassung der letztwilligen Bestimmungen nicht im vollen Besitze seiner geistigen Kräfte befunden hätte. Die Verwandten wünschen zunächst, daß mit ihnen wegen Ge währung einer „angemessenen Abfindung" in Verbindung getreten werde. Vom Rate kann hierauf nicht Angegangen werden. Auch geben die eingezogenen Erkundigungen keinen Anhalt dafür, daß der Verblichene bei Errichtung des Testa ments tatsächlich nicht mehr im vollen Besitze seiner geistigen Kräfte gewesen sei. — Meißen. In einer hiesigen Schule ist eine nervöse Erkrankung aufgetreten, die wegen ihrer Uebertragbarkeit den Ausschluß der er kran k t e n K ind er vom Schulbesuch not wendig machte. Trotz dieser Vorsichtsmaßregel hat die in den letzten Tagen der vorigen Woche zuerst öfter beobachtete, mit Gittern verbundene Krankheit weiter um sich gegriffen. Die Schulverwaltung hat deshalb die davon betroffenen Klassen vorläufig bis nut Ende dieser Woche geschlossen, um die An steckungsgefahr zu verringern. Die Krankheit ist an sich nicht gefährlich und nimmt einen gutartigen, raschen Verlauf, wird nach ärztlichem Ausspruch auch irgendwelche nachteilige Folgen nicht haben. Immerhin reizt der Anblick der Kranken zu krankhafter Nachahmung. Von der Krankheit sind auch einige Lehrer befallen worden. — Oelsnitz i. V., 17. Januar. Gestern abend gegen 7 Uhr wurden beim Begehen der Eisenbahnstrecke Oelsnitz- Hundsgrün die zermalmten Teile eines menschlichen Körpers gefunden. Nachforschungen ergaben heute, daß der 13jährige Bürgerschüler Paul Fickert am Sonntage wegen eines kleinen Gelddiebstahls von seiner Mutter gezüchtigt worden war; aus Reue über seinen Fehltritt hat er den Tod durch Ueberfahren gesucht. — lieber das abnorme Winterwetter, das gegenwärtig in ganz Europa herrscht, teilt eine Meteoro loge einige interessante Beobachtungen mit. „Wie bei uns, so strahlte auch in England in diesen Tagen die Helle Sonne, und die Temperatur war von der gewöhnlichen Januarkälte weit entfernt. Aus Biarritz kommen Klagen über große Hitze; in Montreux ist das Wetter schmutzig, feucht und wärm wie im April. Der Vesuv ist übrigens wieder tätig und läßt drei Lavaströme ausflicßeu. In der Schweiz ist das Wetter so warn«, daß der Schnee verschwunden ist, während aus Wien von Staubstürmcn und Erdbeben be richtet wird. Andererseits beklagen sich die Reisenden in Egypten über kaltes Wetter, dessen Temperatur niedriger ist als seit 25 Jahren. Zu gleicher Zeit wird aus Australien berichtet, daß die Sommersaison durch ganz ungewöhnlich strenge Kälteperioden empfindlich gestört worden ist. Das Eintreten von Staubstürmcn in Oesterreich — wahrschein lich haben sie auch weiter südlich stattgefunden - weist darauf hin, daß ganz Südeuropa von einer atmosphärischen Be wegung getroffen ist, die die warme Luft u>.d den Staub der Sahara hcrgeführt hat. Zweifellos besteht auch zwischen der östlichen und westlichen Halbkugel ein Zusammenhang in den Bedingungen des Wetters; sic verhalten sich immer entgegengesetzt." — Ernst Hasse, der verdiente Vorsitzende des „Alldeutschen Verbandes", vollendet in Kürze sein M. Lebensjahr. Jin Kreise des Verbandes beabsichtigen dessen führende Körperschaften ans diesem An laß eine besondere Ehrung. Aber auch viele Volksgenossen, die dem Verbände nicht angehören, schulden Hasse für seine unermüdliche Tätig keit im Dienste des nationalen Gedankens, für sein mannhaftes Auf treten im Interesse des Deutschtums, insbesondere im Auslande, Dank und Anerkennung. Sie alle werden aufgefordert, sich zu einem Werke zu vereinigen, das den Namen des verdienten deutschen Vorkämpfers dauernd mit der Hilfstätigkcit für bedrohtes Deutschtum verbinden soll. Seit zwei Jahren besteht, hervorgegangen aus den Anregungen nationaler opferwilliger deutscher Männer, der „A lldeutschc Wehrscha tz", der der Unterstützung des bedrohten Deutschtums dient. Ihm sind be reits 42 000 Mark zugeflossen, von denen ein beträchtlicher Teil Jahr für Jabr kapitalisiert wird. 20 000 Mark sind bereits in diesen zwei Jahren in bedrohten deutschen Kampfgebieten erfolgreich für das Deutschtum eingesetzt worden. Die Beiträge, um die gebeten wird, sollen unter dem Namen „Hasse-Stiftung" dem" „Alldeutschen Wehrschatz" angegliedert werden, um in seinem Rahmen mit ihrem Zins erträge zur Unterstützung des bedrohten Deutschtums im Auslande zu dienen. Hierdurch hofft man, für ferne Zeiten den Namen Ernst Hasses als eines unermüdlichen Vorkämpfers deutschen Volkstums lebendig und wirksam zu erhalten. So werden denn alle diejenigen, die Haßes Verdienste um die Sache des deutschen Volkes anerkennen, die von der Not wissen, in der an zahllosen Stellen Vorposten unseres deutschen Volkes leben und kämpfen, dir mitßelfen wollen, diese Not zu lindern, eingeladen, ihr Scherflein zur Hasse-Stiftung beizusteuern. Beiträge werden an Herrn Oberrechnungsrat Werner in Potsdam, Lenn.'straßc 13 >, erbeten. Die Empfangsbestätigung erfolgt durch Herrn Major a. D. Freiherrn von Stössel in Potsdam, Augusta Viktoria- Straße 13 — Fürsorge für Taubstumme. Die Lehrerschaften unserer sächsischen Taubstummenanstalten in Dresden und Leipzig haben bei ihrer am 30. Oktober v. I. abgchaltcnen Landesversammlung einen Fürsorgeverein für Taubstumme im Königreich Sachsen ins Leben gerufen, welcher am 29. Dezember 1905 ins Ver einsregister des König!. Amtsgerichts Dresden eingetragen morden ist. Der Verein bezweckt, für bedürftige Taubstumme im Königreich Sachsen auf sittlichem, geistigem und wirtschaftlichem Gebiete zu sorgen, Taub stummenheime zu errichten und zu unterhalten und die zur Erreichung der genannte» Zwecke erforderlichen Kapitalien anzusammeln. Fällt es jetzt schon den Hörenden schwer, den Kainpf ums Dasein erfolgreich zu führen, wieviel schwerer wird es den armen Gehörlosen! Es ist ost unmöglich, ihnen Arbeit zu verschaffen, obwohl recht viele von ihnen treue und geschickte Arbeiter sind. Man fürchtet, mit ihnen sich nicht verständigen zu können, und so kommt es, daß sie in die bitterste Not geraten. Um das traurige Los der hilfsbedürftigen, arbeitsunfähigen nnd altersschwachen Taubstummen zu mildern, reichen die Mittel der bis jetzt bestehenden Stiftungen bei weitem nicht aus. Der Verein bittet deshalb herzlich, ihn in seinen Bestrebungen zu unterstützen: Mitglied des Vereins kann jede volljährige Person werden, welche all jährlich mindestens 50 Pf. Beitrag oder eine einmalige Summe von 50 Mk. leistet. Der Vorstand des Vereins, Oberlehrer P. Köhler, Dresden-Plauen, sowie die Direktionen der Taubstummenanstalten zu Dresden und Leipzig nehmen Beitrittserklärungen und Beiträge schon jetzt entgegen. Zur Förderung der Vereinszwccke werden Vertrauens personen in allen Teilen des Landes gesucht. Hlm fremde Schuld. Roman von Reinhold Ortmann. (4. Fortsetzung). „Ich bitte Sie sehr dringend, Herr Hilgers, nicht wieder in einen Ton zu verfallen, der mich schließlich noch zwingen wird, mir bei meinem Schwager eine Wiederholung Ihrer Besuche ernstlich zu verbitten. Wenn Sie mir wirklich etwas Wichtiges zu sagen haben, so bitte ich, damit bis zur An wesenheit meiner Schwester oder deren Gemahls zu warten." „Sie zeigen sich mir wiederum unnahbar!" seufzte der junge Mann, der sich sichtlich die größte Mühe gab, um seinen Verdruß zu verbergen. „Nun ivohl, Fräulein Elfriede, ich füge mich auch heute, denn die Strafe, welche Sie mir androhen, ist eine zu entsetzliche. Aber erlauben Sie mir wenigstens, Ihnen die Noten des kleinen Musikstückes zu überreichen, das Sie vor einer Woche so lebhaft zu besitzen wünschten. Es hat sehr viele Mühe gekostet, es aufzu treiben —" „Und ich muß doppelt bedauern, daß Sie sich dieser Mühe unterzogen haben, denn Herr Doktor Eichstedt hatte bereits gestern die Freundlichkeit, mir das Stückchen zu übersenden." Jetzt klang eS wirklich wie schlecht' verhehlter Unmut in Hilgers Stimme, als er sagte: „Dann muß ich ja allerdings wohl zurückstehen, denn init einem Universalgenie, wie es Herr Doktor Eichstedt, namentlich in der Kunst der Herzenserkennung, zu sein scheint, kann ich nicht rivalisieren." „Ich begreife in der Tat nicht, was Sie berechtigt, in diesen, Tone zu mir zu sprechen." „O, Elfriede, glauben Sic nicht, daß Sie mich durch diese kalten Abweisungen immer am Reden verhindern werden. Einmal muß es doch gesagt werden, was mich seit dem ersten Besuche dieses Herrn Eichstedt bedrückt und Sie müssen mich anhören, selbst wenn es wirklich Ihre Absicht ist, mich da raufhin bei Herrn von Trysen zu verklagen! Wodurch habe ich die verächtliche Behandlung verdient, welche Sie mir zu teil werden lassen, seitdem dieser neue Freund des Herrn von Trysen zu den täglichen Besuchern Ihres Hauses gehört? Glauben Sie aber wirklich, daß ich den wahren Beweggrund Ihres veränderten Benehmens nicht vollkommen zu durch schaue» vermag und Ihr außerordentliches Interesse für den Doktor nicht erkannt habe? Ich habe vom ersten Tage an alles durchschaut; aber ich bin nicht gesonnen, vor einem solchen Rivalen zurückzuwcichen!" „Kein Wort weiter, mein Herr!" unterbrach ihn Elfriede jetzt flammenden Blickes und mit bebenden Lippen. „Was Sie mir da zu sagen wagten, ist so empörend und verletzend für mich, daß ich Ihnen für die Zukunft selbst auch die geringste Annäherung an mich ein für alle Mal verbiete. Mein Schwager wird mich auf meine Bitte vor Ihren Be lästigungen zu schützen wissen. Ich denke, für dieses Mal ist Ihr Besuch zu Ende!" Sie wandte ihm den Rücken und beschäftigte sich mit den Notenheften, welche auf dem Klavier lagen. Der junge Mann b.ieb mit fest zusammengepreßten Lippen noch einen Augenblick stehen, als wollte er etwas erwidern oder als er warte er noch ein einlenkendes Wort von Elsrieden's Seite. Da jedoch in diesem Moment auf der Terrasse der rasch näherkommcnde Schritt eines Mannes vernehmbar wurde, richtete er sich hastig empor und ging mit einem Blick auf Elfriede, in dem nichts weniger als Liebe und Höflichkeit lag, zu der nach den übrigen Gemächern des Hauses führenden Tür. Kaum hatte sich dieselbe hinter ihm geschlossen, als Doktor Oswald Eichstedt in der gegenüberliegenden offenen Flügeltür erschien und mit einem raschen, suchenden Blick das Innere des Salons überflog. Als er Elfriede erblickte, hellten sich seine ernsten Züge unverkennbar auf und er tat diskret einige weitere Schritte in das Zimmer. Das junge Mädchen drehte sich bei diesem Geräusch hastig um und auch auf ihr soeben noch erregtes Antlitz kehrte das frühere sonnige Lächeln zurück. ZFch störe Sie doch nicht, gnädiges Fräulein!" sagte Oswald. „Es ist sehr unbescheiden von mir, hier unan gemeldet zu erscheinen; aber Herr von Trysen, der momentan sehr dringlich beschäftigt ist, hat mich hierher geschickt. Wenn ich also nicht lästig falle —" „O, durchaus nicht, Herr Doktor," erwiderte das junge Mädchen, indem sie ihm freundlich die Hand entgeycnstreckte. „Sie wissen ja, daß Ihr Besuch uns immer sehr willkommen ist und daß mein Schwager mit seiner aufrichtigen Verehrung für Sie uns schon daran gewöhnt hat. Sie als ein Mitglied unserer Familie zu betrachten. Da können wir der Formali täten schon entbehren." „Sie machen mich glücklich, gnädiges Fräulein. Ich weiß in der Tat kaum, womit ich so viel Liebenswürdigkeit und Freundschaft verdient habe und ich will hoffen, daß es inir gelingt, sie auch für die Folge zu erhalten." „Das Dürfte Ihnen wohl nicht gar zu schwer werden," meinte Elfriede lächelnd, „und ich fürchte eher. Sie selbst werden uns bald gar zu anspruchsvoll finden. So habe ich zum Beispiel heute schon wieder eine große Bitte an Sie auf dem Herzen." „Muß ich Ihnen denn wirklich erst sagen, wie unendlich viel Freude cs mir machen wird, Ihnen dieselbe zu erfüllen." „O, Herr Doktor, Sie sind zu liebenswürdig! Könnte ich nicht am Ende jetzt irgend ein wirkliches Opfer von Ihnen verlangen? — Aber Sie dürfen sich beruhigen; ich wollte Sie nur recht herzlich bitten, mir noch einmal die reizende Komposition vorzuspielen, mit der Sie vorgestern abend unsere kleine Gesellschaft entzückten. Ich habe es schon oft versucht, sie aus dem Gedächtnis zu wiederholen; aber ich konnte es bisher leider noch nicht vollkommen zustande bringen." „Ich stehe Ihnen sehr gern zu Diensten, Fräulein El —, verzeihen Sie, — gnädiges Fräulein! Wenn Sie es wünschen, kann ich die neue unbeoenlende Komposition ja auf der Stelle spielen." „O, bitte, bitte! Sie glauben gar nicht, wie sehr Sie mich dadurch erfreuen. Aber tun Sie es jetzt, noch ehe mein Schwager und ineinc Schwester herunterkommen. Ich habe viel mehr Andacht, wenn ich ganz allein zuhören kann." Oswald ließ sich auf den Klavierbock nieder und schlug mit sicherer kunstgeübter Hand die Tasten an. Elfriede hatte sich so dicht hinter ihn gestellt, daß ihn ihr Gewand fast berührte und daß er von Zeit zu Zeit fühlte, wie ihr warmer Atem seine Wange streifte. Es schien saft als ob diese Nähe der jungen Dame einen besonderen Ein fluß auf den Spielenden ausübte, denn schon nach den ersten Akkorden röteten sich seine Wangen, ein lebhaftes Feuer leuchtete aus seinen Augen und die Erregung und Begeister ung, welche ihn erfüllten, fanden einen unverkennbaren Aus druck in den herrlichen Tönen, welche er mir seltener Meister schaft den Saiten des Klaviers zu entlocken wußte. Es war nur eine einfache und anspruchslose Komposition, welche er spielte, eine Phantasie über eines der sinnigsten und schönsten Volkslieder: aber aus der seelenvollen Tiefe, mit welcher sie zum Vortrag gebracht wurde, konnte man leicht erraten, daß es der Komponist selbst sei, der hier seine innersten Gedanken in die weiche und einschmeichelnde Form der Töne kleidete. Neber den volltönenden Klängen des Klaviers hatten sowohl Oswald wie Elfriede es überhört, daß noch eine andere Zuhörerin durch die Tür, durch welche vorhin der junge Hilgers verschwunden, eingetreten uud lauschend stehen geblieben war. Es war dasselbe stattliche, imponierenDe, schöne Weib, welches wir vor etwa acht Tagen auf dein Balle des Kommerzien rats Schlesinger als die Gattin des Herrn von Trysen kennen gelernt haben und es schien beinahe, als ob sie in dem ele ganten Promenadenklcide, das heute die herrlichen Formen ihrer üppigen Gestalt umschloß, noch schöner aussähe, als an jenem Abend. Auch heilte bildete eine einzige dunkelrote Blume den ganzen Schmuck des goldigschimmernden Haares, während an ihrem schwanenweißen Hals ein kostbares Brillanten- Kreuz funkelte. Ihr Gesicht aber trug in diesem Augenblick nicht denselben kalten und gleichmäßigen Ausdruck wie an jenem Ballabend; es zeigte vielmehr unverkennbare Spuren einer inneren Erregung und zwischen den schönen Augenbrauen trat sogar eine kleine, aber scharf gezeichnete Falte hervor, als ihre Blicke lange und forschend auf der ahnuiigslosen, selbstvergessenen Gruppe vor dein Klavier ruhten. Sah sie doch, datz die schlanke Gestalt ihrer Schwester den Körper des Spielenden fast berührte und daß sich in der regungslosen Haltung derselben eine so hingehende Teilnahme an das Spiel aussprach, wie sie mit dein bloßen Interesse für ein an sprechendes Musikstück wohl kaum vereinbar ist. Der letzte Ton war kaum verhallt, als Wanda auf Beide zutrat, und sie dadurch jäh aus ihrer Versunkenheit ausschreckte. Die Falte war von ihrer Stirn verschwunden und es lag sogar ein sehr liebenswürdiges Lächeln auf ihren Zügen; aber doch streifte ein mißtrauischer und unwilliger Blick Elfriedens Antlitz, als sie sagte: „Es ist sehr liebenswürdig, Herr Doktor, daß Sie meine Schwester in einer so aufopfernden Weise unterhalten. Elfriede hat für diese Ihre Komposition ohnehin eine beinahe schwärmerische Vorliebe gefaßt und sich vom Morgen bis zum Abend vergeblich bemüht, sie Ihnen nachzuspielen." „Fräulein Wildenhof erweist, glaube ich, in der Tat dem sehr unbedeutenden Stückchen durch ihr Interesse zu viel Ehre," entgegnete Oswald nach einer höflichen Verbeugung und auch in dem Klang seiner Stimme lag nichts mehr von jener ab weisenden Kälte, die bei seinem ersten Zusammentreffen mir Wanda dem Assessor Harder so sonderbar ausgefallen war. „Die Bescheidenheit des Künstlers läßt Sie so sprechen," erwiderte Wanda lächelnd. „Das Lied ist in der Tat allerliebst. Zu meinem Bedauern muß ich meine Schwester Ihrer Ge sellschaft entziehen, denn es ist die höchste Zeit, daß Elfriede sür unsere Aussahrt Toilette macht. Bis zur Ankunft meines Mannes müssen Sie deshalb wohl mit mir vorlieb nehmen." Oswald verneigte sich abermals, während Elfriede init einem raschen Gruße das Zimmer verließ. Als das Schließen einer zweiten Tür erkennen ließ, daß sie unter allen Umständen bereits außer Hörweite war, trat Wanda mit einer schnellen Bewegung dicht vor Oswald hin und sagte in einein von mtihsgyi unterdrückter Leidenschaftlichkeit bebenden Tone: „Es ist das erste Mal, daß wir allein einander gegen überstehen, Oswald. Jetzt müssen Sie mir eine Frage be antworten, die mir seit Jahren auf der Seele brennt und die mir das Herz so schwer macht, seitdem ich Sie wieder gesehen habe. Ich beschwöre Sie, sprechen Sie es offen aus: Haben Sie mir verziehen?" Der junge Mann hatte eine derartige Anrede gewiß nicht erwartet und die peinliche Ueberraschung, welche ihn erfüllte, malte sich deutlich genug auf seinem Gesichte. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Aachrichten. — „Lockvögel". Aus Monte Carlo wird berichtet: Einen neuen Beruf für hübsche Frauen von feinem Benehmen haben einige unternehmende Pariser Damenschneider gesunden. Damen, die vorzügliche Modekennerinnen sind, werden in die vornehmsten Hotels an die Riviera geschickt, wo sie sehr luxuriös leben und viele Gäste empfangen. Natürlich sind sie mit dem feinsten Geschmack gekleidet. Ihre Tätigkeit be steht nun darin, ihren Auftraggebern neue Kundinnen zuzu sichren, und sie machen das in so diskreter Weise, daß ihr Opfer gar nicht ahnt, was vorgeht. Das schöne Modell sucht die Bekanntschaft reicher, in dem Hotel lebender Damen zu machen, und in einem günstigen Augenblick wird das Ge spräch geschickt auf die Toilettenfrage gebracht. Bei Nach mittagstees, kleinen Diners und Automobil-Ausflügen erscheint sie, und bald steht sie mit den Damen auf vertrautem Fuße, die sich für ihre Pläne besonders eignen. Die Verbindung endet fast immer damit, daß das „Opfer" sehr genau erfährt, wo die liebenswürdige Dame ihre Toiletten arbeiten läßt.
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