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für ,, Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt des Königlichen Verichtsamtes «nd des Sradtrathes zu Kifchofswerda. Diese Seitschrist erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« «nd Sonnabends, und koket einschließlich der Sonn abend« «rschtinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'1, Nge. Inserat« werden bi« Dienstag« und Freitag« früh 8 Uhr angenommen. Mittwoch, den 18. September. ! 1872« Politische Umschau. Die kaiserliche Festzeit oder die festliche Kaiser zeit — je wie man will - liegt hinter uns. Allen Combinationen, welche man an diese Zusammenkunft knüpfen mag, brach Fürst Bismark die Spitze ab, indem er den Ueberreichern von Ehren-Diplomen in seiner bekannten Offenheit erklärte: die Zusammen kunft verfolge keine politischen Zwecke, sondern sei einzig ein Act der Freundschaft zwischen den drei Kaisern. Es ist dies nicht nur möglich , sondern auch wahrscheinlich, wiewohl deshalb nicht ausge schlossen bleibt, daß die' leitenden Staatsmänner über diese und jene wichtige Frage in Gedanken austausch traten. Je mehr in dieser Beziehung Uebereinstimmung erzielt wurde, um so. sicherer dürfen wir auf Erhaltung des Weltfriedens rechnen. Nirgends zeigt sich augenblicklich eine Spur von Wolke, die diesen Frieden trüben könnte. Freilich fehlt es selbst in Deutschland nicht an Leuten, welche aus der Entrevue Capital schlagen und als Resultat derselben den Cäsarismus, Militarismus und ähnliche schöne Dinge prophezeihen. ES sind dies jene sonderbaren Schwärmer, welche bei dem Worte „Republik" in Entzücken gerathen und sich vor Begeisterung überschlagen. Wenn man ihnen sagen wollte: das Jesuitengesetz ist für die Cultur-, entwickluug der ganzen Menschheit unendlich mehr werlh, als beispielsweise die heutige französische Republik, so würden sie uns verwundernd anstarren, wenn nicht mitleidsvoll belächeln. Aber alle Maß regeln, die das deutsche Reich zur Vertheidigung seiner Existenz ergriffen, sind so groß und gewaltig für unsere gesummte geistige Entwickelung, daß wir mit Vergnügen unfern Republikanern die ganze französische Republik dafür schenken. Die Aufhebung der Congregationsschulen, die Vernichtung jedes jesuitischen Einflusses in Familie und Unterricht, die Verweltlichung des letzteren, die Aufficht, des Staates und der Gemeinde über denselben — ist- in der französischen Republik nur eine derartige Maßregel denkbar? Dort bringt die Regierung ein Unterrichtsgesetz von so reaktionärer Tragweite ein, daß kein deutscher Cultusminister, auch nicht Herr v. Mühler, je gewagt hätte, es einem Landtage vor- zulegen. Aber der Majorität der französischen Siebenundjwanztgster Jahrgang. National-Versammlung ist das Gesetz viel zu liberal, der Minister wird als Ketzer und Heide verschrieen, weil er den geistlichen Unterricht — nicht etwa verboten, das getraut sich ja in Frankreich Nie mand — sondern nur an demselben zu rühren ge wagt hat. In Lyon versucht es die Gemeinde, den Geistlichen den Unterricht zu entziehen und weltliche Lehrer anzustellen; da wird der Maire durch den Präfecten gezwungen, die Jesuiten und die Congregationen in die Schulen wieder einzu führen. Mit anderen Worten: die Republik will, daß der Unterricht in den Händen der Geistlichen bleibe. Die Heirath des Pater Hyazinth gilt in Frankreich nicht, denn der Clerus verbietet es und die Republik leistet dem Clerus Schergendienste. Ein anderer Geistliche wird zu Gefängniß verurtheilt, weil er, obwohl als Gegner -der Jnfallibilität excommunicirt, die geistliche Kleidung fortgetragen. Kurz, wohin man sieht, ein Jammerbild von Repu blik in diesem Frankreich. Während das deutsche Reich die Jesuiten vertreibt und dadurch der Emancipation der Schule und Freiheit des Unter richts neue Garantiecn verschafft, werden sie in Frankreich gehätschelt, so daß sie die Gesellschaft be herrschen. Ja noch mehr! Italien würde für die Freiheit der Schule und in Bezug auf die Auf hebung der geistlichen Orden und Klöster zehnmal mehr thun, wenn eS nicht die Einsprache der fran zösischen Republik fürchtete. Es wäre nicht das erste Mal, daß die französische Republik die Frei heit und die Unabhängigkeit Italiens vernichtete, obgleich man augenblicklich deshalb wenig Sorge haben darf. Alles in Allem: wer Freiheit und Bildung, d. h. die richtige Grundlage des gejammten Staatslebens vernichten oder, was dasselbe, der Herrschaft des Clerus unterwerfen will, wer den Sieg des Ultramontanismus, die Wiederherstellung der päpstlichen Weltherrschaft und die geistliche Knechtung der Staaten noch irgendwie hofft — der wende seine Blicke nach Frankreich und er wird dort willkommen sein. Dor dieser gerühmten Republik wolle der Himmel Deutschlands Freiheit und Deutsch lands Bildung in Gnaden bewahren! Seit die drei Kaiser Berlin verlassen haben, ist die politische Windstille wiedergekehrt. Die Marien burger Festlichkeiten, zu denen sich Kaiser Wilhelm