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Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -es Königlichen Gerichlsamtes und -es -Ktadtralheo zu Kischosswer-a. vteft Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabends, und koktt einschließlich der Sona» «bmdt erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12's, Ngr. Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« früh 8 Uhr angenommen und kostet die gespaltene EorpuSjeile oder deren Raum 8 Pfennige. ^33 Mittwoch, den 24. April. ,1872. Politische Umschau. Auch in dieser Session kann man dem Reichs tage das Zeugniß des Fleißes nicht versagen. Am Beginn der vergangenen Woche erledigte er in letzter Lesung mehrere Consular-Verträge mit auswärtigen Staaten, unter denen der Vertrag mit den Vereinig ten Staaten Nordamerikas der wichtigste war. Durch ihn ist ein großer Fortschritt hinsichtlich des vermögensrechtlichen Schutzes der Familien unserer zahlreich in Amerika sich aufhaltenden Landsleute gemacht. Zudem wird dieser Vertrag nur als der Vorläufer eines größeren Schifffahrts- und Handels vertrages mit der nordamerikanischen Union betrachtet. Der mißliche Umstand, daß der Reichstag schon wiederholt in beschlußunfähiger Zahl zusammengetreten, veranlaßte den Abg. l>r. Elben zu dem Anträge: „Der Reichstag wolle den Reichscanzler auffordern, dahin zu wirken, daß in Zukunft ein gleichzeitiges Tagen von Landtagen mit dem Reichstage vermieden werde." Fürst Bismark erklärte sich mit dem Princip des Antrages einverstanden, betonte aber dabei die Rücksichten, die man auf die Einzel staaten nehmen müsse. Er seinerseits wolle indeß nach Möglichkeit dahin wirken, daß ein solches Collidiren von Landtag und Reichstag aufhöre. — In der weiteren Diskussion wurden verschiedene An träge wegen Feststellung eines bestimmten Termins für den Reichstag gestellt, doch beschloß das Haus, die ganze Angelegenheit der Geschäftsordnungs commission zur Vorberathung und Berichterstattung zu überweisen. — Auch der Antrag des Abg. Schulze-Delitzsch auf Erlaß eines Gesetzes wegen der privatrechtlichen Stellung der Vereine wurde in eine Commission verwiesen; nicht minder das Reichsbeamten-Gesetz, worauf also später wieder zurückzukommen sein wird. Die unstreitig wichtigste Berathung der ver gangenen Woche galt dem neuen Militär st raf- gesetzbuch.. Wir haben vor acht Tagen über In halt und Zweck des Entwurfs bereits berichtet und können uns heute auf die Debatte selbst beschränken. Bundescommissar vr. Friedberg legte den Ent wurf mit der Erklärung vor: die verbündeten Regierungen hielten denselben nicht für fehlerlos, allein unter den bisher bestandenen und noch be- Siebmundjwaviigster Jahrgang. stehenden Militärstrafrechten sei derselbe doch daS Beste. Nichts stärke und wecke das Gefühl der Zusammengehörigkeit mehr, als das Bewußtsein, daß die aus verschiedenen Contingenten zusammen gesetzte deutsche Armee nach denselben Rechts grundsätzen behandelt werde. Denn ein Zustand, wie er bis jetzt bestanden, wo infolge einer Schlägerei zwischen Soldaten vier verschiedener Contingente dieselben nach vier verschiedenen Strafrechten be straft werden mußten, sei nicht geeignet, das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu heben. Abg. Lasker erkennt an, daß einer der größten Vorzüge des Entwurfs in seiner äußeren Fassung besteht, meint aber, bei eingehenderem Studium zeige das Gesetz vielfach einen wenig zusagenden Inhalt,- denn es habe einerseits zu strenge, andererseits zu milde Vorschriften und die Todesstrafe werde ost da angedroht, wo sie durch die militärische Natur der Verbrechen gar nicht begründet erscheint. Aner kennen müsse er, daß die Antragstrafen nicht mit ausgenommen sind; er beurtheile überhaupt nicht den Werth der Vorlage nach der Menge der Schärf ungen oder Milderungen der Strafe, sondern nach dem Grundprincip desselben. Redner geht sodann auf die einzelnen Bestimmungen der Vorlage näher ein. Der Mangel an Willenskraft sei nicht unter allen Umständen als Strafmilderungsgrund aus zuschließen, höchstens vor dem Feinde. Die Ver gehen der Vorgesetzten gegen Untergebene, das An reizen der Letzteren durch Erstere sei viel zu milde bedroht; diese Milde werde noch bedenklicher durch die Bestimmungen des Einführungsgesetzes, wonach dergleichen Vergehen sogar im Discipliikarwege be straft werden können. Auch das aufgestellte System der Strafarten gebe zu schweren Bedenken Ver- anlaßung, so daß ohne eine durchgreifende Aenderung in dieser Beziehung an die Annahme des Gesetzes nicht zu denken sei. Der strenge Arrest sei eine barbarische Strafart, die mit der Tortur auf gleicher Linie steht. Wasser und Brod sei keine ausreichende Nahrung für den Menschen und müsse schließlich den Tod herbeiführen. Hätte der Bundesrath-eine sachverständige Untersuchung darüber anstellen lassen, so würde sich sicherlich kein Militärarzt dafür > ausgesprochen haben. Dln Offizier freilich treffe» alle diese Strafen nicht, er bekommt Hausarrest.