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Wolfgang Schaller Über meine Er Zählung Mein Held, Rolf Rößler, sechsundzwanzig Jahre, drei Jahre verheira tet, fährt von einer Polen-Studienfahrt zurück. Sechs Wochen ge trennt von Frau und Kind, freut er sich aufs Wiedersehen. Provo ziert durch seinen Freund Renel läßt er die Jahre seiner Ehe noch mal abrollen. Angesichts der Trennung und der Wiedersehensfreude, auch als Selbstrechtfertigung vor Renels Angriffen, erscheinen ihm diese Jahre sehr rosa , das Zärtlich-Unkomplizierte dominiert, alle Zänke und Schwierigkeiten vergangener Zeit sind jetzt nicht exisl Doch hat es sich der Autor zur Aufgabe gestellt, die Problematik hier schon spürbar werden zu lassen. Rößler malt sich das mitter nächtliche Wiedersehen aus. Doch auf dem Bahnhof angekomiaen, ist seine Frau nicht da. Dieser Schock genügt, um die Ehe noch einmal zu überschauen. Diesmal mit einem Minuszeichen, wobei er dieses Minuszeichen seiner Frau zuschiebt. All die aufreibenden Lappalien erscheinen ihm als Vorstufe zur heutigen Enttäuschung. Aber wieder siegt die Illusion: Seine Frau wird nicht gekommen sein, um ihn zu Hause würdig zu empfangen. Doch ihm öffnet eine aus dem Schlaf geklingelte Frau, die keinen Sinn zeigt, noch Stunden beim Wein zu sitzen. Das Kind war krank, sie konnte vergangene Nacht kaum schla fen, morgen müsse sie wieder zeitig raus. Muß er diese Argumenta tion anerkennen, so weiß er doch, daß sie vor Jahren dieses Opfer gebracht hätte, daß es ihr kein Opfer gewesen wär, so wie es ihm heut noch kein Opfer wäre. Aus ein paar gereizten Worten wächst ein Streit, und - erst betont ruhig — sagt ihm schließlich auch seine Frau harte, ernüchternde Worte. So wird dieser so schön ge dachte Augenblick zu einem der unschönsten in seiner Ehe. Allein in seinem Zimmer und dann in den nächtlichen Straßen der Stadt ihm, nun ein drittes Mal seine Ehe überdenkend, bewußt, daß auch er viel falsch gemacht hat, daß er sein Verhältnis zu seinem Part ner neu überdenken muß, daß er seine Ehe mit Neuem anreichern muß. Es soll eine Geschichte werden, sich abspielend primär zwischen den beiden Partnern, wobei die Fäden, die in die Außenwelt und von «dort zurück führen, sichtbar werden müssen. Eine Geschichte ohne