- 5 - Voraussetzung dafür wäre die aktive geistige Auseinan dersetzung mit tradierten Vorstellungen über die Position der Frau in ihrer Gesellschaft: "Du sagst, nur Männer besäßen diese uneinge schränkte Freiheit des Willens, Dein Geschlecht sei unauflöslich an der Verhältnisse der Meinung und des Rufs geknüpft." Ulrike von Kleist, die mit großer Warscheinlichkeit eine aufgeklärte, also mit Gedanken der Aufklärung vertraute Frau war, litt unter der, auch von ihrem Bruder er kannten, allerdings auch gebilligten, bereits ober ver merkten Stellenordnung. Welche Schlußfolgerung sie daraus zieht, erfahren wir aus dem nächsten Zitat: "Wie? Du wolltest nie Gattin und Mutter werden? Du wärest entschieden, Deine höchste Bestimmung nicht zu erfüllen, Deine heiligste Pflicht nicht zu vollziehen?" Diesen Entschluß nennt Heinrich von Kleist "höchst straf bar und verbrecherisch", einen anderen ywtfrk greift er ebenso energisch und geziehlt an: "Aber was soll ich glauben, wenn Dir der, nicht scherzhafte, nur allzu ernstliche Wunsch ent schlüpft, Du möchtest die Welt bereisen? Ist es auf Reisen, daß man Geliebte suchet und findet? Ist es dort, wo man die Pflichten der Gattin und Mutter am zweckmäßigsten erfüllt? Oder willst Du endlich wenn Dir auch das Reisen überdrüssig ist, zurückkehren, wenn die Blüte Deiner Jahre dahingewelkt ist, und erwarten, ob ein Mann philosophisch genug denke, Dich dennoch zu heiraten?" Heinrich von Kleist entwickelt diesen Brief, nennen wir es: strategisch, bis hin zu der nun folgenden Aussage: "Soll die Sorge für künftige Geschlechter nur der Üppigkeit feiler oder eitler Dirnen Überlassen sein?