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den Redestrom der empörten Frau, aus dem die Aus rufe: „O'est uffruux! 6'est ubominable!" gleich zischenden Raketen emporschnellten, zu unterbrechen. „Was liegt hier vor?" wandte er sich endlich an mich. Ich zog den Ouartierzettel aus der Tasche, zeigte ihn dem Lieutenant und erzählte dabei den Hergang der Sache. „So, da« konnte ich mir denken," antwortete der Offizier. „Die Leutchen hätten zu Hause bleiben und wenigstens den guten Willen zeigen sollen, Ihnen von ihren Vorräthen soviel zu geben, wie sie ent behren konnten. Wenn man Ihnen angesichts dieses gespickten Kellers nichts verabfolgen will, dann nehmen Sie, eventuell unter Anwendung von Gewalt, soviel, wie Sic beanspruchen können. Ich werde der Ma dame da« klar machen." „Madame," wandte sich jetzt der Offizier gegen unsere Ouartierwirthin, welche während der Unter haltung mit mir endlich ihre Zunge ruhen ließ, „Leis. n'e8t pus eoiniue vou8 clitv8. Vou8 voxer tout en noir. Voiei killet äs lu muirie — pour «ix kommen I-u guerre entruine avee eile bien äv8 nmux — et eile u äecumpe ä'ici, i>ourguoi wuäams?" „^'avais peur, nionsieur le capitain!" „Na, Alte, das glaubt Dir auch kein Mensch. Wer solch ein Fischweiberorgan besitzt, pflegt sich in der Regel selbst vor dem Gottseibeiuns nicht zu fürchten," antwortete lachend der Offizier. Dann setzte er der sehr verblüfft dreinschauenden Frau aus einander, daß wir Hunger hätten, und sie klug handelte, wenn sie uns gut bewirthe. „Venire utiume n'a point ä'oreille8", schloß er und erhielt hierauf schnell die Zusage, daß sie ihr Möglichstes thun wollte, uns zufrieden zu stellen, vorausgesetzt, daß wir sofort den Keller verließen. Hierzu hatte Madame, welche, wie ich beobachtete, eine Mehltonne, vor welcher ein Paar Holzschuhe standen, nicht aus ven Augen ließ, ihren besonderen Grund. Während dieser Auseinandersetzung hatte Knülle, im Hintergründe bei seinen „Weißköppen" stehend, seine Neugierde, betreffs des Inhalt« der Flaschen, nicht überwinden können und eine dieser mit seinem Korkzieher, den er sorgfältiger zu hüten pflegte als seinen Geldbeutel, geöffnet und seitwärts tretend, einen „langen Zug" daraus gethan. Als er die Flasche „absetzte", glänzte sein breites wettergebräun- teS und stark behaartes Germanengesicht vor innerem Behagen. „Ra, Knülle, Sie konnten wohl der Versuchung nicht länger widerstehen? Was haben Sie denn da aufgestöbert?" fragte ihn der Lieutenant, der sein heimliches Treiben beobachtet hatte. „Det is Conjak, Herr Lieutenant, prima Qua lität — wärmt besser als zwee Leibbinden." „Ich habe nichts dagegen, wenn Sie ein Schnäps chen trinken, mehr als diese eine Flasche nehmen Sie aber nicht mit, verstanden! Ich hoffe, die Leute werden jetzt thun, was in ihren Kräften steht. Von Ihnen erwarte ich, daß Sie den Umständen Rech nung tragen und nichts Unbilliges verlangen. Sollte die Madame ihr Wort nicht halten, dann kommen Sic zu mir." Nach diesen Worten wollte sich der Lieutenant entfernen; er kam aber nur bis zur Treppe, denn plötzlich erscholl aus dem Mehlfaß dicht an dem Treppenaufgang, von dem ein kalter Luftzug in den Keller drang, ein dreimaliges lautes „Häpischauo!" Noch waren wir darüber im Unklaren, woher das laute Niesen kam, als die Madame mit zornblitzenden Augen auf das erwähnte Mehlfaß kurz vor dem gleichfalls herbeieilenden Knülle zusprang, wüthend den lose daraufliegenden Deckel davonriß und ihre fleischige Rechte in das Innere desselben versenkte. Als sie die Hand wieder aus dem Fasse zog, hielt sie eine weiße, oben in eine Quaste auslaufende spitze Schlafmütze in derselben und hinter dieser stieg gleich wie der Vollmond am Horizont langsam unter lauten „AchS" und „OHS" ein kahle« Menschenhaupt empor, dem ein langer, dürrer, blaubeblouster und mehlbe staubter Körper folgte; in dein Antlitz dieses mo dernen Diogenes stritten sich Furcht und Scham um die Herrschaft. „Nanu!" platzte Knülle heraus. „Det i« ja zum Wälzen!" Und während wir uns vor Lachen schüttel ten und der Lieutenant mit hochgezogenen Augen brauen und malitiösem Lächeln die weißgepuderte jämmerliche Gestalt sich vollends aus der Mehltonne winden sah, keifte Madame derartig auf den zittern den Mann, dem sie „Hasenherz, Schlafmütze" und andere schwer zu übersetzende Kosenamen an den Kopf warf, ein, daß derselbe wie ein gelenklahmer Feldstuhl zusammen klappte. Aber auch einer heißblütigen Französin versagt die Zunge zuletzt den Dienst, und diesen Augenblick benutzte unser Lieutenant zu einer allerdings nur ironischen Begrüßung des offenbar aus Angst vor den „Prussiens" in die leere Mehltonne gekrochenen Hausherrn. „M! moiwisur, guelis ugreudle 8urpri8s! Oomment vou8 voilä ckun8 cstto petit prison?" Der Franzose wandte sein schmales, ängstliches Antlitz dem Offizier zu und antwortete zitternd: Man habe erzählt, daß die Preußen, welche heute in Orleans einrückten, aus der Provinz Land sturm stammten, noch total wilde Völker wären, ganz schwarz gekleidet seien, vor der Kopfbedeckung einen Todtenkopf*) trügen, nichts, selbst das Kind nicht in der Wiege verschonten und Alles massacrirten. Als dann die Soldaten in sein Haus und hernach in den Keller, in den er sich geflüchtet, gedrungen seien, da hätte er geglaubt, sein letztes Stündlein habe geschlagen und sei in der Angst in das Faß geklettert. Zu seiner Freude sähe er aber, daß die Preußen gerade so aussähen wie andere Menschen, ja sogar französisch sprechen könnten und sicherlich keinen friedlichen Bürger aufspießen würden. Der Lieutenant lachte herzhaft über des Fran zosen Erzählung und schüttelte verwundert den Kopf. „Köstlich, köstlich!" sagte er und stieg dann die Treppe zur Straße hinauf. Madame aber faßte ihren langen „Baptiste" energisch am Arm und zog ihn schimpfend und polternd die andere Treppe hin auf. Wir folgten den Beiden auf dem Fuße und das war ein Glück für „Monsieur Baptiste", sonst hätte die aufgebrachte Madame ihm unter vier Augen wahrscheinlich noch diverse Püffe für sein helden- müthiges Verhalten verabfolgt. Im Uebrigen war Madame nicht unsere schlech teste Ouartierwirthin. Unser ernstes gesetztes Wesen und bestimmtes Auftreten imponirte ihr offenbar; wir kamen gut mit ihr aus, auf unsere Wünsche ging sie ausnahmslos ein. Ihr Mann schien im Hause nur die Rolle eines Hausknechts zu spielen. Schweigend verrichtete er alle ihm von seiner ent schieden „stärkeren" Ehehälfte ausgetragenen Arbeiten. (Fortsetzung folgt.) *) Das 3. Bataillon des Braunschweigischen Infanterie- Regiments Nr. 92 trägt vor dem Czako einen Todtenkopf und befand sich mit dem Regiment bei der zweiten Armee unter Prinz Friedrich Carl an der Loire. Vermischte Nachrichten. — Tilsit, 27. Juni. Die Entmündigung eines anerkannt tüchtigen Arztes, des von einem anderen Arzt in seiner Eigenschaft als gericht licher Sachverständiger für „blödsinnig" erklärten I)r. Brozeit, bildet jetzt hier das Tagesgespräch weit über Tilsits Grenzen hinaus. Das hier zur Wahrnehmung der Interessen des Herrn I)r. Br. gebildete Komitee hat, wie die „Tils. Allg. Ztg." meldet, in Folge einer an die früheren und jetzigen Patienten gerichteten Aufforderung, in welcher dieselben um Einsendung von Zeugnissen über den Verlauf ihrer Krankheiten durch die Behandlung des Herrn Ür. Br. gebeten wurden, ein wahrhaft überraschendes Material aufzu weisen. Die große Anzahl eingegangener Briefe sind des Lobes voll. Die meisten Einsender sprechen sich dahin aus, daß sie über die Wirkung der von vr. Br. gegebenen Medizin überrascht waren. Die An gelegenheit scheint an Umfang immer zuzunehmen und wird jedenfalls baldigst einer höheren gericht lichen Instanz vorgelegt werden, auf deren Entschei dung man gespannt sein darf. Neuerdings ist ein hiesiger Gymnasiallehrer durch eine mit seiner Namens unterschrift versehene eingehende Kritik des Ent mündigungsverfahrens sehr entschieden zu Gunsten des vr. Br. an die Oeffentlichkcit getreten. — Erfurt. Am 23. vor. Monats vermißte man in einer hiesigen Vorschule ein kleines Mädchen, die 8jährige Gertrud Schmidt. Die Schulbücher des Kindes lagen auf ihrem Platze, aber von dem Kinde war nichts zu sehen. Endlich fand man es in dem Abortrohre erstickt vor. — Im Hinblick auf die jetzige Reisezeit seien alle Reisenden, die irgend welchen Werth auf ihr Gepäck legen, daran gemahnt, ihre Koffer rc. bei der Aufgabe auf der Bahn zu versichern. Die Ber- sicherungsgebühr beträgt nur wenige Pfennige und die Reisenden erhalten in Berlustfällcn den vollen versicherten Werth ersetzt. Allerdings ist die Bahn verwaltung auch ohnedies ersatzpflichtig. Aber für die Eigenthümer der abhanden gekommenen Gepäck stücke ist es zumeist sehr schwer, den Werth der letz teren nachzuweisen. Der Verlust wird dann nach dem Entschädigungstarif der Bahn abgcschätzt und der ist selbstverständlich auf einen besonders werthvollen Inhalt der Gepäckstücke nicht eingerichtet. — In Griechenland hatte man seit 6 Jahren keinen Scharfrichter mehr, weil kein Hellene sich da zu hergebcn wollte. Jetzt hat sich aber ein zum Tode vcrurtheilter Raubmörder angeboten, wenn er begna digt werde, die schauerliche Funktion zu übernehmen. Die Regierung hat ihn angenommen, und der Mör der wird demnächst daran gehen, die seit 1884 ange sammelten Todcscandidaten in's Jenseits zu befördern. — Verlockende Aussicht. Hausfrau: „Halten Sie nur aus bei mir, Anna, wenn auch der Lohn gering ist! Wissen Sie, wenn meine Mädel 'mal groß sind, dann heirathen sie, und Hochzeiten bringen immer 'ne Menge Trinkgelder!" Stan-lsamMche Nachrichten von Eibenstock vom 25. Juni bis I. Juli 1890. Geboren: 202) Dem Spediteur Paul Ernst Ungetbüm hier 1 T. 203) Dem Waldarbeiter Robert Hermann Hutschen reuter hier 1 T. 204) Dem Fuhrwerksbesitzer August Fürchte gott Weigelt hier 1 T. 205) Dem Maschinensticker Karl Her mann Seidel hier 1 T. 206) Dem Klempner Emil Ferdinand Brandner hier 1 S. 207) Dem Bretschneider Guido Höhlig hier 1 T. 208) Der unverehel. Wirthschafterin Mine Schott hier 1 S. 209) Dem Zimmermann Gustav Louis Huster hier 1 T. Aufgeboten: 29) Der Handschuhmacher Emil Friedrich Lippold in Johanngeorgenstadt mit der Stickerin Franziska Helene Siegel hier. Eheschließungen: 27) Der Strumpswirkerei - Werkführer Otto Friedr. Schlegel in Limbach mit der Ida Sophie Otto hier. Gestorben: 146) Des Eisengießers Moritz Paul Anger hier S.. Paul Bernhard, 2 M. 13 T. alt. 147) Die Christiane Henriette verw. Förster geb. Glaß hier, 80 I. 2 M. 17 T. alt. 148) Des Maschinenstickers .Hermann Emil Fuchs hier S., Emil Hugo, 19 T. alt. 149) Der Waldarbeiter Jacob Friedrich Meichßner hier, ein Ehemann, 78 I. 11 M. 14 T. alt. 150) Des Waldarbeiters Robert Hermann Hutschenreuter hier T., Frida Elise, 3 I. 10 M. 10 T. alt. 151) Des Sattler« Wil helm Bartsch hier T., Helene, 7 M. 1 T. alt. Uarlrv iLLxsrt's kÜLstor "" beste Wund-, Heil-, Zug- u Magen-Salbe, benimmt sogleich Hitze und Schmerz, zieht gelinde alle „---um-!. 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Für die vielen Beweise herz licher Theilnahme bei dem Heim gänge unsrer unvergeßlichen Groß mutter Lhristiane Henriette verw. Förster sprechen wir hiermit un fern herzlichsten Dank aus. Die trauernde« Jamikieu funle u. 8ctiönf«I«tor. A)ei unserer Abreise nach Mochsbnrg bei Penig sagen wir allen lieben Freunden und Bekannten hiermit ein herzliches Lebewohl! Eibenstock, 1. Juli 1890. ArresthauSinsp. a. D. HVaxwsr und Familie.