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und Freuden, mit all seinem Flimmer und Lichter glanz ist herangerückl und voll Erwartung Hanen die Kleinen des Augenblicks, welcher die Familienglieder unter dem strahlenden Weihnachtsbaume zusammen führt. Aber nicht der Kerzenschein allein erinnert uns an dies schöne Fest, auch die Natur will um diese Zeit mit einem neuen Kleide geschmückt sein, und zwar mit dem weißen Winterkleide. Obwohl der Dezember zumeist schöne frostige Tage brachte, ist das Wetter seit gestern ganz umgeschlagen, so daß wir neben dem durch den Regen entstandenen Glatt eis, während der Festtage wohl mir mit aufgeweichten Straßen werden zn rechnen haben, sollte nicht noch unerwarteter Weise der erwünschte Schneefall das Sehnen der Kinderherzen stillen. Sei dem aber, wie ihm wolle! Vor Allem wünschen wir unfern geehrten Lesern Gesundheit und Zufriedenheit und unter diesem Zeichen werden wir auch ohne Schnee und Eis frohe Feiertage halten können. — Schönheide. Bei der am Sonntag nach dem Vormittagsgottesdienst vorgenommenen Kirchen- vorstandSwahl, wobei ungefähr 300 Stimmen abgegeben worden sind, wurden gewählt, beziehentlich wieder gewählt die Herren: Gemeindevorstand Haupt, Kaufmann Viktor Oschatz, Hoflieferant Flemming, Buchhalter Hermann Lenk. — In Chemnitz ist nun auch das Stadtver ordnetenkollegium dem, auch in diesem Blatte er wähnten RathSbeschluß, für Mädchen der Bezirks schulen einen wöchentlich Mündigen Kochkursus probeweise einzurichten, beigetretcn und hat die zu diesem Zwecke ausgeworfenen 5000 Mark bewilligt. Stattfinden soll der Unterricht in der Speiseanstalt. Doch sollen die von den Schülerinnen gekochten Speisen, um das Renommee der Speiscanstalt zu wahren, nicht zur Ausgabe gelangen. Nach einem l'/2jährigen Versuch wird man weitere Entschließ ungen treffen. — Plauen. Unter den Söhnen unserer Stadt, welche im Jahre 1870 im Kampfe gegen Deutsch lands Erbfeind verwundet worden sind, befand sich Herr Schmiedemeister Paul Schiller hier, Sohn des Herrn Stadtrath Schiller. Derselbe diente im 6. Sächsischen Infanterie-Regiment Nr. 105 und wurde vor Paris als Soldat durch einen Pferdehuf schlag so erheblich am Gesicht beschädigt, daß er ope- rirt werden und sich später einer zweiten Operation in Leipzig unterziehen mußte. Nach 19 Jahren, während welcher Zeit sich Herr Schiller als thätiger und geschickter Geschäftsmann gezeigt, ist bei demselben, wie der damalige Arzt als möglich vorausgesagt, in Folge der schweren Verletzung Geistesstörung einge treten. In diesem Zustande und unter unsäglichen Schmerzen ist er am 16. d. Mts. gestorben. Bei dem Begräbniß zeigte es sich, daß die gesammte Be völkerung an dem schweren Schicksal des braven Mannes innigen Antheil nahm, und durch eine fast patriotische Kundgebung bewiesen die Bewohner, daß sie auch die Verdienste, welche sich ein einfacher Krie ger für das Deutsche Vaterland erworben, zu wür digen verstehen. — In diesen Tagen waren cs drei Jahre, daß der Schneefall auf den sächsischen Staatsbahnen so erhebliche Verkehrsstörungen herbeifllhrte, wie man sie- seit deni Bestehen derselben noch nicht erlebt hatte. An einzelnen Tagen, namentlich am 21. und 22. Dezember 1886, waren die meisten Linien und insbesondere die sämmtlichen Hauptver- kchrsrouten mit alleiniger Ausnahme der Linie DreS- den-Bodenbach unfahrbar, und nur der angestrengtesten Thätigkeit des Eisenbahnpersonals war es zu danken, daß cs möglich wurde, wenigstens die wichtigsten Linien bis zu de» Weibnachtsfeiertage» wieder ver kehrsfähig zu gestalten. Wie außerordentlich fühlbar die Verkehrsstockungen waren, erhellt daraus, daß in der Zeit vom 20. bis 21. Dezember 1886 auf den sächsischen Staatsbahnen 62 Courier- und Schnell züge, 587 Personenzüge und 384 gemischte Züge, zusammen sonach 1033 dem. Personenverkehre dienende Züge ausfallen mußten. Die Kosten, welche den säch sischen Staatsbahnen durch die außergewöhnliche Schnee beseitigung erwachsen sind, bezifferten sich im Monat Dezember 1886 auf rund 243,500 M., eine Summe, die sich daraus erklärt, daß fast überall für die allerdings nicht leichte Arbeit sehr hohe Löhne be zahlt werden mußten. Der Einnahmeausfall erstreckte sich in der Hauptsache nur auf den Personenverkehr, da im Güterverkehr die vorerst zurückgehaltenen Trans porte zum weitaus größten Theil der Bahn doch noch zugeführt wurden. Tages-Gedenkblätter fürs Wettiner Irtveljahr 1889. 24? 1870. Der Armeebefehl des Königs Johann betr. die Theil- nähme der Sachsen an der Schlacht bei Mlliers wird den im Felde stehenden Truppen bekannt ge geben. 1881. General v. Schreibershofen starb im nahezu vollen deten 95. Lebensjahre in Dresden. 1884. Aus Fort Bismarck trifft für die dortige sächsische Wachtmannschaft eine mächtige Ladung Dresdner Lhriststollen ein , ein Geschenk des Prinzen Friedrich August von Sachsen. 25. 1699. Der Gastwirth und Räuber Nickel List wird in Ketten und Banden von Hof aus durch Leipzig nach Zelle gebracht, wo er einen Kirchenraub begangen hatte und später hingerichtet wurde. 1745. Friede zu Dresden, welcher dein 2. schlesischen Kriege ein Ende macht und Schlesien bei Preußen ließ. 26. 1709. Der Baron Klettenberg ersticht in Frankfurt a. M. einen jungen Mann und flüchtet deshalb nach Dresden, wo er am Hose August des Starken als angeblicher Goldmacher mehrere Jahre eine große Rolle spielte, dann aber aus den Königstein gesangen gesetzt und dort am 1. März 1720 nach mehrfachen sehlgeschlagenen Fluchtversuchen enthauptet wurde. Seinem letzten Wunsche gemäß wurde seine Leiche im goldgestickten Scharlach Sammetrock und mit der großen Allongcperriicke begraben. 27. 1755. König Anton gestorben. 1855. König Johann schenkt der Universität eine goldene Amtskette für den Rektor Magnificus. 1871. Eröffnung der Beschießung des Mont Avron mit 76 deutschen Belagerungsgeschützen. 28.1642. Torstens»» beginnt mit seinen Schweden die Be lagerung und Beschießung der Stadt Freiberg, welche bis 18. Februar 1643 dauert; dann muß er vor den anrückenden Oesterreichern unverrichteter Sache abziehen. 29.1720. In der Stadt Schellenberg richtet ein aus dem Bärgarten des Schlosses Augustusburg ausgekom mener Bär großes Unglück an; er tödtet ein zehn jähriges Mädchen, den Bürger Fischer und verletzt eine Frau, ehe es gelingt, ihn zu tödten. 1870. Der Mont Avron vor Paris wird von den Sachsen besetzt. Es wurden aus demselben große Massen Artillerie-Munition gefunden und zwei 24 Pfünder vernagelt. 2 Kompagnien dringen bis zum Dorfe Rosny vor. 30.1760. Caroline Neuberin, die vormalige berühmte Schau spielerin und Direktorin, die Reformatorin der deutschen Kunst, starb in bittrer Armuth zu Laube gast bei Dresden, wo ihr auch ein Denkmal er richtet ist. 1833. Verordnung des König!. Finanzministeriums betr. die am I. Januar zu eröffnende Landrentenbank. 31.1762. Beginn der Friedensverhandlungen zwischen den, preußischen Legationsrath von Herzberg, dem öster reichischen Hosrath Collenbach und dem sächs. Geh. Rath v. Fritzsch aus dem Schlosse Hubertusburg nach beendeten, 7jährigen Kriege. 1850. Der König Friedrich August II. von Sachsen stiftet den Albrechtsorden. Wärterhaus Nr. 9. Eine Weihnachtsgeschichte aus dem Verkehrsleben v. Th. Schmidt. (5. Fortsetzung.) , Gegen siebeneinhalb Uhr betrat Steffens an diesem Abend seine Wohnung. Seine Frau, welche mit einer Näharbeit an dem schwach erleuchteten Tisch saß, erhob sich in sichtlicher Freude und ging ihm entgegen. Sie hatte sich heute mehr als je nach ihrem Manne gesehnt, hauptsächlich wohl, um ihm die für die Kinder erhaltenen Geschenke, die jetzt wieder auf der Commode ausgebreitet lagen, zu zeigen. Aber die Schritte, die sie ihm schnell entgegen gethan, that sie eben so schnell wieder zurück, als sie in sein vom Genuß des Branntweins rothglühendes Antlitz blickte, und ein tiefer Schatten legte sich plötzlich über ihr eben noch von einem schwachen Schimmer des Glücks vortheilhaft belebtes Gesicht. Nur zu gut wußte sie, was die Veranlassung zum Trinkeu bei ihrem Manne gewesen war. Er hatte beim Gläubiger nichts erreicht! Nur zu gut wußte sie aber auch, daß dieser Zustand bei dem sonst so soliden Manne noch oft wiederkehren würde, wenn es nicht bald gelang, die Ursache desselben zu beseitigen. Zuerst trinkt man aus Aerger, hernach aus — Gewohnheit. Um ihren empfindlichen Mann nicht zu reizen, stellte sich das unglückliche Weib so, als bemerke sie den Zustand ihres Mannes nicht. Wie sonst holte sie das karge Abendbrot herbei, setzte es auf den Tisch und schob ihrem Manne einen Stuhl hin, dabei ihn freundlich zum Essen nöthigend. „Laß nur, Dorette," hob Steffens an, der aus dem Benehmen seiner Frau doch wohl herausfühlte, wie sein Zustand ihr schmerzte. Seine Blicke waren dabei von ihr abgewandt und hafteten auf den Gegen ständen auf der Commode. „Habe jetzt keine Zeit zum Essen, muß den Achtuhrzug erst durchlasseu, kann später noch essen. — Was sind denn das für Sachen?" „Die sind für Fritz und Conrad bestimmt!" „Sooo! Woher hast Du denn das Geld zu solchen Sachen?" fragte Steffens gedehnt. „Die kosten nichts. Mutter Lürßen hat sie den Kindern geschenkt." „Geschenkt? Du läßt Dich von einer wildfremden Person beschenken ... bettelst wohl gar schon um ein Almosen bei den Leuten, trotzdem Du weißt, daß ich von Niemand etwas geschenkt nehme, weil ich mich keinem Menschen verpflichten will. Wenn ich betteln möchte, hätte ich schon längst von meiner Behörde eine kleine Geldunterstützung erhalten, aber das will ich nicht, das kann ich nicht!" „Fritz, Du thust mir Unrecht. Die Sachen sind nicht erbettelt. Die alte Frau hat sie mir als Gegen leistung für die häufigen Erfrischungen, die ich ihr gereicht habe, gegeben. Und da ich eine ihrer besten Kunden bin, den sie sich gern erhalten möchte, so kann ich in der Annahme der Sachen nichts Entehren des erblicken. Außerdem — Fritz, denk mal nach — freust Du Dich denn nicht auch, Deinen Kindern morgen Abend bescheeren zu können? O, Du solltest sie nur vorhin gesehen haben, wie ihre Augen glänzten, al« ich ihre Frage: „„ob däs Christkindchen auch zu uns käme"",bejahte." Frau Steffens' Worte nahmen plötzlich einen innigen warmen Ton an. „Sieh, Fritz, sind wir auch augenblicklich in großer Bedrängniß, ja arm an irdischen Gütern — einen Schatz haben wir selbst vor manchen Reichen voraus, das sind unsere lieben Kinder! Um diesen Schatz bin ich heute Nachmittag schon beneidet. O, komm und betrachte sie jetzt, wie friedlich sie schlafen unv gewiß von dem lieben, heiligen Christ träumen. Sie haben Dir heute ja auch keine gute Nacht wünschen können. Willenlos ließ Steffens sich von seiner Frau zur Kammer führen und stumm betrachteten Beide die rosigen Kindergesichtchen. Das Christkindchen hatte sich heute endlich einmal am Kammerfenster gezeigt, in den Schuhen der Kleinen lagen bereits einige Aepfcl und Nüsse. An des Mannes Brust gelehnt, flehte das arme Weib in diesem Augenblicke zu Gott, daß er ihnen helfen möge, das schwere Leid zu tragen und daß ihr Mann bald die Ruhe und den Frieden der Seele wieder gewinne. Plötzlich schrak Steffens zusammen und machte sich hastig aus den Armen seines WeibeS los. „Mein Gott, wie kann ich nur so vergeßlich sein — es ist die höchste Zeit... in einer Viertelstunde passirt der Zug! Station Neumühl meldet schon die Abfahrt," sagte Steffens, als in diesem Augenblicke von unten herauf die Glockentöne des elektrischen Läutewerks bei der Brücke erschollen. Schnell trat er in die Stube und zündete eine Laterne an. Dann trank er hastig eine ihm von seiner Frau inzwischen eingeschenkte Taffe Kaffee und schritt zur Thür. Er wollte noch fragen, ob der Gerichtsvollzieher schon dagewesen sei, doch drängte er diese Frage hastig zurück. Er mochte die Freude seiner Frau, der es eben wieder gelungen war, die finsteren Gedanken seiner Seele zu ver scheuchen, mit einer solch häßlichen Frage nicht stören. Ja, seine Frau war eine Perle, das sah der ver blendete Mann endlich ein. Statt zu keifen und zu zanken, wie viele Frauen es thun, wenn der Mann ein wenig bezecht zu Hause kommt, begegnete sie ihm mit freundlichen und schonenden Worten und zeigte ihm ein Bild des reinsten Glücks, das er bislang keines Blickes gewürdigt hatte. Mit dem festen Vor satz, von jetzt ab sein Weib freundlicher und zärtlicher zu behandeln und ihr nie wieder in einem Zustande wie dem heutigen entgegenzutreten, trat er aus der Thür des Wärterhauses. Der Nebel, welcher tagsüber auf den Fluren ge legen, hatte sich am Abend mehr und mehr verdichtet. Man konnte keine zwanzig Schritte weit sehen. Obgleich von dem optischen Telegraphen am WLrterhause aus der Ferne nichts zu sehen war, zog Steffens doch grünes Licht, das „langsam fahren" bedeutet, auf. Da das Gefälle des Bahngeleises in der Höhe des Wärterhauses begann, so hoffte Steffens, daß die Führer des vorbeifahrenden Zuges das Signal wenigstens an dieser Stelle würden erblicken und sogleich die Fahrgeschwindigkeit des Zuges vermindern können. Die Geleise waren nämlich in Folge des starken 'Nebels, der überall, wo er die Gegenstände berührte, sich bald in Eis verwandelte, spiegelglatt geworden. Die eben erwähnte Vorsichtsmaßregel glaubte Steffens heute anwenden zu müssen, da er wußte, daß der Führer des Achtuhrzuges — seiner Instruction zuwider — oft mit beängstigender Schnellig keit durch die starke Curve um den Felsvorsprung und über die Brücke fuhr. Tief in Gedanken versunken schritt Steffens auf dem schmalen nur zwei Fuß breiten Wege an der Böschung hin. Eben wollte er um den Felsen biegen, als er ein Geräusch hinter sich vernahm. Lauschend blieb er stehen ; es blieb aber alles still in seiner Nähe. Nur von unten, vom Dorf herauf, ließ sich in langen Tönen ein Posaunenbläser vernehmen, der sich offenbar zu der morgigen Christfeier in der Kirche, wo ein Dilettantenchor allsonntäglich auf der Orgel den Gesang der Gemeinde begleitete, vorbereitete. Einen Moment lauschte Steffens der Melodie des LiedeS: „Lobe den Herren den mächtigen König der Ehren," dann setzte er seinen Weg fort, denn er hatte keine Zeit weiter zu verlieren, der Zug konnte in wenigen Minuten eintreffen. Es war der letzte Tageszug, der nächste fuhr erst gegen fünf Uhr Morgens. Die Brücke blieb bis nach dem Passiren dieses Zuges geschlossen. Arglos schritt Steffens der Brücke zu; er hatte keine Ahnung von der Gefahr, die über seinem Haupte schwebte. An den Felsen gedrückt, näherte sich ihm von hinten schleichend ein Mann, dessen Augen wie diejenigen eines RaubthierS glühten. Der frisch ge fallene lose Schnee dämpfte die Schritte des rache schnaubenden Meuchelmörrers. Nur noch drei Schritte trennen Wilder, der auf seinen Feind schon seit einer halben Stunde hier lauerte, von seinem Opfer. Nun holt der Unmensch mit einem kurzen schweren Eisen stabe zu wuchtigem Schlage aus und dumpfstöhnend sinkt Steffens zu Boden. Eine teuflische Freude spiegelt sich jetzt in dem Antlitz des Verbrecher- Wieder. Sein Rachedurst ist gestillt, regungslos liegt sein Feind zu seinen Füßen. „Wir sind quitt, Freundchen! Peter Wilder, oder der „wilde Peter" wie mich die Leute auch nennen, läßt sich nicht ungestraft verhöhnen." (Fortsetzun, folF.)