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der dann die von der Partei erwünschte Umformung vor sich gehen läßt. Man wird aus dem Gange der Dinge in der Schweiz viel lernen können. Manche politisch-phan tastische Hoffnung wird durch die Ereignisse zerstört, vielleicht auch manche Ueberraschung geboten werden. Hagesgeschichle. — Deutschland. DaS halbamtliche „Militär wochenblatt" beschäftigt sich mit ven militärischen Veränderungen in Rußland und erblickt in den fort dauernden Truppenanhäusungen an den russischen Grenzen eine große Gefahr, der Deutschland nur begegnen könne, wenn es mit de» Rüstungen seiner beiden Nachbarstaaten gleichen Schritt Halle. Das heißt doch mit anderen Worten, daß für Deutschland eine abermalige HeereSverstärkung ein Ge bot der Selbsterhalkung sei. Bekanntlich ist kürzlich von verschiedenen Blättern angekündigt worden, daß im neuen ReichShauShaltplan erhebliche militärische Mehrforderungen enthalten sein würden. Alsbald ist diese Ankündigung von anderer Seite als durchaus willkürlich bezeichnet worden. ES sei noch keinerlei Beschluß in dieser Hinsicht gefaßt worden. ES ist dies ein Spiel niit Worten, das sich fast alljährlich um diese Jahreszeit zu wiederholen pflegt. Die öffentliche Meinung soll auf diese Weise allmählich mit dem Gedanken an die Nothwendigkeit abermaliger Militärforderungen vertraut gemacht werden. Und so dürfte es auch diesmal sein. — Berlin. Der „Reichsanzeiger" bring! in seinem nichtamtlichen Theile eine Uebersicbt über die Ernteaussichten. Darnach sind in den russischen Gou vernements Kowno, Wilna und Grodno die Aussichten im Allgemeinen befriedigend. Roggen dürfte eine Mittelernte erreichen, die Wcizenernle dagegen unter dem Durchschnitt zurückbleiben. In Finnland ist Aussicht für eine wenig hinter dem Durchschnitt zu rückbleibende Ernte. In Bulgarien verspricht die Ernte eine der besten, jemals erzielten zu werden. In Britisch-Jndien wird das Gesammtergebniß der Weizenernte auf 6,842,000 Tons geschätzt, was den Ertrag des Vorjahres, sowie den Durchschnitt ver letzten 5 Jahre übersteigt. In Ungarn sind die Aussichten für die Weizenernte mittelmäßig, für Rogge» qualitativ befriedigend, quantitativ dagegen schwach mittel.. Die Ernte in Herbstgerste ist quantitativ und qualitativ zufriedenstellend, in Frühjahrsgerste gut mittel. Der Hafer stehl gut mittel, die Maissaaten ausgezeichnet, Hülsen- und Gartenfrüchte tadellos. — Seitens des Garnisonlazareths in Breslau werden zur Zeit auf der Over Ucbungen auf einem als Lazareth eingerichteten großen Oderfahrzeuge ab gehalten, um im Falle der Mobilmachung auch schwimmende Lazarethe zur Verfügung zu haben. — Köln a. Rh. Vorige Woche sind auf dem Schießplatz Wahn bei Köln 3 Mann der 1. Kom pagnie des königlich sächsischen Fußartillerie-Regiments Nr. 12 beim Schießen aus der 5 em Schnellfeuer- Konone schwer verwundet worden durch eine beim Tatzen krepirende Granatpatronc. — Bremen, 14. Juli. Heute Nachmittag wurde ein auf dem Hauptbahnhof stationirter Schutzmann von einem wegen Diebstahls verhafteten Kellner er schossen. Der Mörder erschoß dann sich selbst. — Paris. In der Nacht vom Sonntag zum Aioutag gegen 12 Uhr stieß der von Boulogne kommende Exprcßzug auf dem Nordbahnhofe Hierselbst mit dem von Lille kommenden Expreß zug zusammen. Der Zusammenstoß erfolgte dadurch, daß der von Lille kommende Zug das Haltesignal erhalten halte und auf dem Geleise des von Boulogne kommenden Zuges stand, der gleichzeitig eintraf. Der Güter wagen des Lillcr Zuges wurde durch den Zusammen stoß auf die beiden letzten Personenwagen geschoben. Nach den neuesten Mittheilungen sollen bei dem Unfälle 3 Personen schwer und etwa 15 leicht ver wundet worden sein. — Rußland. Einbemerkenswerth abfälliges Urtheil über den Zu stand der russischen Armee fällt der St. Petersburger Correspondent der „Kopenhagener Politiken", Hr. Andre Lütken, welcher bekanntlich am Hofe der Czarin Verbindungen unterhält. Eine besonders eingreifende Probe auf die Wannowsky'sche Armeereform haben, nach de« Eorrespondcnten Ansicht, die vorjährigen Herbst übungen in Volhhnien gebracht, bei denen, wie er innerlich, 125,000 Mann in zwei Hälften unter den Generalen Gurko und Dragomirow gegen einander manövrirt haben. Officiell wurde damals das Ma- növercrgebniß hochtöuig gepriesen; thalsächlich aber hatten sich bedenkliche Zustände hcrauSgestcllt, welche die Schlagfertigkeit der russischen Armee im Ernst fälle in hohem Grade gefährden dürften. Bei jener großen Probe der volhynischen Manöver versagten, wie der dänische Correspondent hervorhebt, nicht nur di« Transport- und Verpflegungseinrichtungen gänz lich, sondern auch von den Offizieren waren die meisten der ihnen gestellten Aufgabe auch nicht ent fernt gewachsen. Mil Schaudern sprachen nachher die Eingeweihten von dem Falle, daß man eine gleich starke deutsche Armeeabihcilung gegen sich gehabt hätte. Eine unverhältnißmäßig große Anzahl von Soldaten war fußkrank, was aus die von dem neuen Kriegs minister eingeführten hohen Stiefel geschoben wird; auch die schirmlose niedrige Pelzkappe wird, außer für Winterfeldzüge, als höchst unpraktisch bezeichnet. Auch von der russischen Cavallerie hat der Corre- spondcnt des dänischen Blattes keine besonders hohe Meinung. Außer zusammen acht Regimentern Küras sieren, reitenden Grenadieren, Husaren und Ulanen bestehen die 55,000 Mann dieser Reiterei nur aus Dragonern, die auch für den Dienst zu Fuß voll ständig ausgebildet sind, und über diese „berittene Infanterie" sind die Meinungen sehr getheilt. End lich die Kosaken sind nach jener Mittheilung wesent lich nur zur Erregung von Panique in Feindesland bestimmt; auch von ihnen hält der dänische Publicist nicht viel. AnerkcnnenSwerth dagegen erscheinen ihm die strategischen Bahnbauten des Generals WannowSky, wie seine Grenzbefestigungen, doch sind diese in ihren Sümpfen bereit- wieder halb verfallen und bedürfen der beständigen Ausbesserung, wenn sie nicht völlig nutzlos werden sollen. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Am vergangenen Montag Nach mittag 5 Uhr ist Herr Forstmeister Gläsel, Ver walter des Auersberger Staatsforstreviers, aus dieser Zeitlichkeit abberufen worden. Der Tod, der in Folge eines schweren Magenleidens eintrat, war schmerzlos. Seit I. Februar 1870, also länger als 20 Jahre, hat Herr Forsimslr. Gläsel das AuerSberger Revier verwaltet. Die Pflichttreue, die er dabei bewiesen, ist von Allerhöchster Stelle aus durch die Verleihung deS Ritterkreuzes vom CivibVerdienst-Orden und des Titels Forstmeister anerkannt worden. Seine Bei setzung soll heute Nachmittag 3 Uhr siattfinden. Er liche in Frieren! — Eibenstock. Zur Erleichterung des Besuchs des am 26. und 27. dS. Mts. in Crottendorf abzu haltenden Sängerfcstes des Obererzgebirgischen Gausängerbundes beabsichtigt die Staatseisenbahn- Verwaltung, am Sonntag, den 26. ds. Nits, einen Sonderzug von Schönheide nach Aue abzu lassen. Derselbe wird Vorm. 5 Uhr 30 Min. Schön heide, 5 Uhr 30 Min. Eibenstock, 5 Uhr 49 Min. Wolfsgrün, 5 Uhr 55 Min. Blauenthal und 6 Uhr 5 Min. Bockau verlassen, um 6 Uhr 21 Min. in Aue anzukommen und hier direkten Anschluß an den 6 Uhr 40 Min. Vorm. in der Richtung nach Anna- berg abgehenden Personenzug Nr. 542 zu finden. Zur Benutzung dieses Sonderzugs berechtigen die gewöhnlichen Fahrkarten. — Schönheide, 12. Juli. Die obere Mulde, deren eigentliches Bett fast das ganze Jahr hindurch meist trocken gelegt ist, da das Wasser gewöhnlich von einer gewerblichen Anlage (Holzschleiferei, Papierfabrik, Sägewerk rc.) zur andern geleitet wird, ohne daß es das Flußbett mehr als auf die Länge einiger Meter berührt, zeigt gegenwärtig, infolge deS fast unausge setzt anhaltenden Rcgenwctters einen verhältnißmäßig hohen Wasserstand; die Fabriken rc., auch die in größerem Maßstabe angelegten, sind eben nicht im Stande, - den ganzen Wassersegen zu verbrauchen. Außer diesem Vortheil gewährt die nasse Witterung noch den Nutzen, daß die Pilze vortrefflich gedeihen. Während sonst die eigentliche Pilzzeit erst Ende Juli beginnt, so haben Heuer die Pilzsammler schon seit Anfang des Monats eine gute Ausbeute gemacht. Für die Landwirthe jedoch gestaltet sich das Wetter nachgerade zum Verzweifeln. Das während des günstigen Wetters noch gemähte Gras ist bereits voll ständig verdorben und das noch anstehende hat schon längst angefangen, von unten an abzufaulen. — Leipzig. 'Nach einer amtlichen Veröffent lichung am schwarzen Brett des Augusteums hat das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts verordnet, daß die Studirenden der Zahnheilkunde von jetzt an auf drei Jahre bei hiesiger Universität immatrikulirt werden, nicht wie bisher nur auf zwei Jahre. Diejenigen Studirenden der Zahnheilkunde, welche jetzt hier studiren und deren Eintragung in die Listen der Hochschule auf zwei Jahre erfolgt ist, können unter Beibringung der Mat rikel ihre Immatrikulation an zuständiger Stelle noch auf ein weiteres Jahr kostenlos verlängern lassen. — Vom Schwurgericht zu Chemnitz wurde der 38jährige Raubmörder Ludwig aus Hainichen, wel cher am 12. März d. I. den 17 Jahre alten Hand werksgesellen Emil Friysch im Nonnenwald zwischen Grünlichtenberg und Mosheim mit einem Prügel erschlug, seiner Baarscbaft beraubte und ferner noch die Eltern de» Erschlagenen in rasfinirter Weise um ca. 3M M. beschwindelte, zum Tode verurtbeilt. — Zwickau, 13. Juli. Am heutigen Tage trat der Kgl. Schwurgericht-Hof Hierselbst zu seiner dritten diesjährigen Quartalssitzung zusammen. Demselben präsidirte Herr Landgerichtsdirektor Ortmgnn; die Kgl. Staatsanwaltschaft vertrat Herr Rechtsanwalt Or. Stadler. Herr Rechtsanwalt, Justizrath Nathu- siuS führte die Vertheidigung deS Maschinenstickers Paul Richard Bretschneider au« HundShübel, Herr Rechtsanwalt Otto die deS Handarbeiters Lud wig Leonhardt genannt Singer auS CarlSfeld. Sowohl die Verhandlung wider Bretschneider wie die gegen Leonhardt entzogen sich der Oeffentlichkeit. Bretschneider wurde wegen Vergehen- gegen 8 176 unter I deS Reichsstrafgesetzbuches zu einer Gefäng- nißstrafe von 8 Monaten, Leonhardt wegen einfachen Diebstahls und Versuch- des im 8 177 deS ReichS- strafgesetzbuche« gedachten Verbrechen« zu einer Zucht hausstrafe von 2 Jahren 1 Monat verurkheilt, Letz terer auch der bürgerlichen Ehrenrechte auf 5 Jahre für verlustig erklärt. Bretschneider, dem mildernde Umstände zugebilligl worven waren, erhielt von der erlittenen Untersuchungshaft 3 Monate auf die ihm zuerkannte Strafe angerechnet. Leonhardt ist übrigen- diejenige Persönlichkeit, die durch ihr Verbrechen (Ueberfall eine« Mädchen- auf der Straße nach Blauen thal) Eibenstock und Umgegend am 26. vorigen Mo nat- in große Aufregung versetzte. — In eine recht schlimme Lage sind gegen 50 Arbeiterfamilien in Oederan gekommen. In der Dingel'schen Webwaarenfabrik, die gegen 56 Arbeiter beschäftigt, ist am Sonntag in Folge schlechten Ge schäftsganges gekündigt worden. Die Wenigen, die vorläufig beschäftigt werben, sollen aufardeiten und dann soll der Betrieb der schon längere Zeit zum Verkauf ausgebotenen Fabrik eingestellt werden. Unter den gekündigten Arbeitern befinden sich solche, die 25 bis 45 Jahre in der Fabrik beschäftigt waren. — Wilkau bei Zwickau. Die Abtheilung für örtliche und politische Angelegenheiten im gemein nützigen Vereine ist bestimmten Nachrichten zusolge der Errichtung eines Bolksbades für unseren Ort nunmehr näher getreten. In der letzten Sitzung legte der Vorsitzende, Commerzienrath Dietel, Riß und Anschläge dafür vor, die bei einfachster Ausführung doch noch 35,000 M. erfordern. Die hohe Summe kommt daher, weil für unseren Ort die Wahl eines geeigneten Platzes sehr schwer fällt und außerdem das Bad auch im Winter benutzt werden soll. Vergegen wärtigt man sich jedoch die schnelle Durchführung der beiden in der ersten Sitzung dieses Jahre« erwähnten Aufgaben, der Errichtung einer Kochschule und eines Kindergartens, so wird man gewiß sein, daß auch die dritte Aufgabe trotz der fast unüberwindlich erscheinen den Schwierigkeiten bald zur Ausführung gelangt. — Seit langer Zeit ist die Niederlausitz nicht von so bedeutenden Ueberschwemmungen heimgesuchl worden, wie in der gegenwärtigen Regenzeit. Die meisten der an den Flüssen gelegenen Wiesen sind unter Wasser gesetzt. Die Landwirthe können infolge dessen das abgemähte Heu nicht unter Dach bringen und das anstehende nicht abmähen. Sehr viel Heu ist von dem Wassermengen fortgeschwemmt worven. An manchen Stellen ist das Wasser bis in die Ge höfte und in die Keller eiugedrungen. Einige Gegen den sind außerdem vom Hagelschlag arg betroffen worden. — Von der böhmischen Grenze. Die Brot preiserhöhung macht sich in den Grenzorten auch dadurch bemerkbar, daß viel mehr Brot in Mengen bis zu 3 kn au« Böhmen geholt wird als früher, weil es drüben viel billiger ist. So sind z. B. im Mai 20,370 D.-Ctr. Brot in kleinen Mengen zoll frei über die Grenze gebracht worden. Dies ist mehr, als während des ganzen Jahres 1887. Bedenkt man, daß auf einmal nur 3 Icg eingebracht werden dürfen, so läßt sich berechnen, daß dazu 679,000 Gänge nöthig waren. Es sind also an jedem Tage des Monats Mai, die Sonntage eingeschlossen, 22,000 Menschen in Bewegung gewesen, um sich billigeres Brot aus Oesterreich zu holen. Aus vergangener Zeit — für nnsere Zeit. 18. Juli. (Nachdruck verboten.) Der IS. Juli I8KS ist für Frankfurt am Main ein im Kalender roth angeslrichener Tag. An diesen. Tage nahmen die preußischen Truppen unter General Vogel von Falckenstein Besitz von der Stadt. So lobenswerth sich im Allgemeinen die siegreichen Truppen während des ganzen Feldzuges betrugen, in Frankfurt traten sie, Deutsche gegen Deutsche, als Eroberer aus. Und d^ geschah in Folge der als grundlos sich heraus stellenden Beschuldigung, die Frankfurter hätten sich an Ver wundeten vergriffen, was, wenn es wahr gewesen wäre, doch immer nur von einzelnen Böswilligen hätte geschehen sein können. Allerdings hatte die Stadt bislang eine scharf anti preußische Gesinnung gezeigt, allein dies war doch kaum ein Grund zu den drakonischen Maßregeln, die genannter General, sonst ein tüchtiger Führer, zu verhängen für gut befand; sprach er doch sogar von „Plünderung", ein Beweis, daß er des Verständnisses sür die deutsche Sache ermangelte. Der Frank furter Senat und das Kontingent der Stadt wurde aufgelöst, der Stadt eine Kriegscontribution von S Millionen Gulden auferlegt. Fünf Tage später sollte die Stadt nochmals, und zwar innerhalb 24 Stunden, 25 Millionen Gulden zahlen. Es kam nicht dazu. Vogel von Falckenstein wurde abberufen und an seine Stelle trat General Manteuffel, unter dem all mählich da« Verhältniß zwischen Bürgerschaft und Militär ein besseres wurde. 17. Juli. Ein von außen kommendes Ercigniß war es, das dem deutschen Einigungsgedanken, der seit de» Befreiungskriegen rege war, aber ohne praktische Bethätigung gleichsam in der Luft hängen blieb, eine festere Gestattung gab. DaS war der Friede zu Villasranka, der unter Niederdrückung des besiegten Oesterreich erstlich dem Kaiser der Franzosen eine erhöhte Macht gab und zweitens das Einigungswerk Italiens beginnen ließ, zenes Reiches, das ebenso wie Deutschland unter seiner Zer rissenheit, Vielstaaterei und fremden Einfluss« so schwer ge litten hatte. Auf Veranlassung des hannoverschen Abgeord neten Rudolf v. Bennigsen versammelte sich am 17. Juli 1859 zu Eisenach eine Anzahl Mitglieder der sogenannten gothaischen Partei, mit dem Gedanken, rin festeres Zusammenschließen der Mittel- u. Kleinstaaten unter preußischer Führung anzubahnen.