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Die Verwertung der Abfälle in der Spinnerei. Von Emil Hemiig, Spinnerei-Direktor in Guben. (Nachdiuck verboten.) E ine charakteristische Erscheinung unserer Zeit ist es, dafs ihr nichts zu unbedeutend erscheint, um in den Kreis ihrer Besprechungen*ge zogen zu werden. Das Geringste wie das Erhabenste sucht sie mit gleichem Eifer zu ergründen, und das eine wie das andere wird ihr eine Quelle theoretischer Wahrheiten und praktischer Erfolge. Es ist nicht nötig weit zu gehen, um dafür Beweise zu finden. Fast in jedem Spinnsale werden wir hei einiger Sachkenntnis die Be merkung machen, dafs der Wollstaub und die Flugwolle in gröfseren oder kleineren Mengen, bisweilen in recht auffälliger Weise in die Erscheinung tritt. Diese sogenannte Flugwolle, welche in früheren Jahren keinen grofsen Wert hatte, weil dieselbe praktisch auszunutzen einmal das Verständnis fehlte und auch wohl der ernste Wille, ist für unsere heutige Textilindustrie von grofser Wichtigkeit. Es ist Thatsache, dafs sich im allgemeinen in den Spinnsälen, be sonders bei Verarbeitung von minderwertigen Spinnmaterialien, eine Menge Wollstaub entwickelt, ein Umstand, der nun einmal nicht zu be seitigen ist und mit in den Kauf genommen werden mufs. Aber diesen Übelstand, welcher in der Hauptsache auf den Krempel- prozefs zurückzuführen ist, auf das geringste Mafs zu beschränken und Mittel und Wege zu suchen, denselben möglichst zu beseitigen, soll die Sorge jedes denkenden Spinners und Fabrikanten sein. Bekanntlich hängt das gute oder schlechte Spinnergehnis (Bendement) wesentlich davon ab. Es wird daher unsere vornehmste Aufgabe sein, alle diese Abfälle, von denen im Nachfolgenden die Bede ist, sorgfältig einzusammeln, sortieren und dort wieder zu verwenden, -wo sie am Platze sind. Abgesehen davon wird auch schon in einer gut geleiteten Spinnerei darauf Wert gelegt werden, jede einzelne Wollfaser, sei es Flug oder Wolle, zusammenzuhalten und sie der Industrie überhaupt wieder dienst bar zu machen. Erfahrungsgemäfs sind es drei Ursachen, die wesentlich dazu beitragen, die Menge der AbfäHe in bedenklicher Weise zu vermehren. Erstens die Beschaffenheit der Kratzen im allgemeinen, welche leider in vielen Spinnereien so im Zahn heruntergearbeitet werden, dafs sie schliofs- lich keine Aufnahmefähigkeit mehr besitzen. Zweitens die stumpfe Be schaffenheit derselben, welche nicht mehr im stände sind, die Wolle fest zuhalten, aufzunehmen und weiter zu transportieren. Drittens die mangel hafte Einstellung der Arbeitswalzen zu einander, und endlich die falsche bezw r . unverständige Behandlung derselben durch minderwertige Arbeiter elemente. Man wird aber nicht sagen können, dafs diesem Gegenstände überall diejenige Aufmerksamkeit gewidmet wird, welche er eigentlich verdient. Die Majorität der die Maschinen bedienenden Arbeiter und bisweilen auch die Herren Spinnmeister, machen sich weiter keine Gewissensskrupel darüber und verhalten sich im allgemeinen recht passiv resp. gleichgültig diesem Umstande gegenüber. Ich werde nun in Nachstehenden Vorschläge machen, um dem gen. Ühelstande einigermafsen abzuhelfen, und den Weg zeigen, wie das Ein sammeln, Sortieren und Beinigen der in den Krempelsälen sich ansammeln den Abfälle gehandhabt werden mufs. In denjenigen Spinnereien, welche sich mit der Herstellung von Streich garnen aus Wolle und Kunstwollgarnen beschäftigen, unterscheidet man in der Kegel 4 Sorten Abfälle: 1. Wollflug (sogen, guter Flug); 2. Ausputz (Bänder, sogen. Putzstücke); 3. Minderwertige, schlechte Abfälle; 4. Enden, Zwirnenden (festgedrehte Ketteenden, Trümmer). Die genannten Sorten, w'elche sich während des Arbeitsprozesses in jeder Fabrik ansammeln, repräsentieren in gröfsern Massen angehäuft, immerhin ein kleines Kapital. Diese Abfälle sollen mehrere Male täglich zusammengekehrt, nach Farben und Qualitäten geordnet und dann sofort in den zu dem Zweck bereitstehenden Körben oder Kisten aufbewahrt werden. Es empfiehlt sich deshalb, dergleichen leere Körbe, d. h. eine be stimmte Anzahl derselben in jedem Spinnsaale aufzustellen und jemand zu beauftragen, der die Verpflichtung hat, die Arbeitssäle nicht nur sauber und rein zu halten, zu kehren, sondern auch die sämtlichen Sachen nach Mafsgahe ihrer Beschaffenheit gleich zu sortieren. Mit der Ausführung dieser Arbeit sollen wir aber Leute beauftragen,, welche das Verständnis haben, den Wert und die Vielseitigkeit der verschie denen Abfälle, die sich täglich in den Krempelsälen vorfinden, zu beurteilen. Wir dürfen also nicht den ersten besten Arbeiter von der Strafse- wegnehmen, der keine Ahnung davon hat, was z. B. Wolle und w r as Kunst wolle ist, sondern es müssen Leute in Aussicht genommen werden, die- schon einigermafsen sich zu der Arbeit qualifizieren. Und wenn der Spinmneister nicht das Verständnis oder dem guten Willen dazu hat, den Leuten die nötigen Instruktionen zu geben,, dann bleibt schliefslich weiter nichts übrig, als dafs der Chef seihst Hand an legt, um dem Arbeiter die richtige Anweisung zu gehen, wie diese Mani pulation gehandhabt werden soll. Am Desten eignen sich Frauen oder Mädchen (sogen. Kehrmädchen)- zu der Arbeit, und wenn sie einmal damit vertraut, sich mit der Zeit, eine gewisse Fertigkeit aneignen. Im andern Falle würde der Sache, um welche es sich hier handelt, ein schlechter Dienst geleistet und das Gegen teil von dem erreicht werden, was man wünscht. Das Zusammenkehren der Abfälle wiederholt sich mehrere Male des Tags über und nimmt die meiste Zeit dann in Anspruch, wenn die Maschinen nicht mehr in Thätig- keit sind, so z. B. wenn sie gereinigt bezw. ausgeputzt werden. Bei der Gelegenheit mache ich darauf aufmerksam, dafs das Vorkehren der Abfälle und das Ablesen der Flugwmlle im Gange der Maschinen überhaupt nicht gestattet ist. Abgesehen davon kann diese Manipulation, auch wenn die Krempel einmal in Dienst gestellt, niemals mit derjenigen Sorgfalt und Buhe ausgeführt werden, als -wenn sie aufser Thätigkeit sind. Was nun die Abfälle seihst anbelangt, so empfiehlt es sich, wie schon eingangs erwähnt, dieselben gleich nach ihrer Qualität zu ordnen in dem Sinn, dafs sie eben schon fertig sortiert in die zu dem Zweck bereit stehen den Körbe kommen. Aufserdem sollen die Sammelkörbe mit einer schwarzen Tafel ver sehen sein, auf denen der Name und das Quantum der Gattung (Abfall) deutlich mit Kreideschrift angegeben ist. Diese Anordnung ist durchaus praktisch und empfehlenswert, damit der Spinmneister bezw. Manipulant eine schnelle Übersicht bei Verwendung der Abfälle hat und sie jederzeit und sofort, so zu sagen, im Finstern bei der Hand hat. Das Sortieren der schlechten, minderwertigen Sorten geschieht zu nächst auf einem Wolllesetische, dessen Oberfläche mit einer einfachen Drahthorde überzogen ist, durch welche Sand, Stroh und sonstige Schmutz teile gleich hindurchfallen. Bei aufmerksamer Beobachtung wird der Fachmann im Krempelsaale die Wahrnehmung an den Maschinen machen, wenn' sie im Gange sind, dafs sich zwischen Tambur und Peigneur, also an denjenigen Punkten, wo sich diese beiden Arbeitswalzen (Zylinder) am dichtesten berühren, in der Kegel die meisten, in Wirklichkeit aber auch die schlechtesten Ab fälle in grofsen Mengen ansammeln. Diese letztem sollen aber beim Vorkehren unter der Maschine gleich auf die Seite genommen worden und nicht mit dem andern guten reinen Wollstaub wieder vermengt werden. Aber auch für die anderen schlechten Bestandteile im Spinngut, w T ie z. B. Stroh, Kletten, Leder, Brocken, Papier, Holzstücke u. s. w., welche sich in den verschiedenen Arheits- und Spinnsälen, leider auch schon in den Bohmaterialien vorfinden, sollen Sammelkörbe in jedem Saale auf gestellt werden, damit diese Ungehörigkeiten nicht unter die Wolle geraten. Gewöhnlich ist es Gebrauch bei den die Maschinen bedienenden Ar beitern, diese Sachen in der Eile einfach auf das Fenster oder in irgend einen ersten besten Winkel zu werfen.