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daran interessiert, dafs Leben lind Eigentum auf See und in fernen Län dern gesichert sei. Das Bewmfstsein dieses Interesses und ein feines Ge- fiilil für nationale Stellung und Anseben mufs aber mit der Bereitwillig- beit verbunden sein, in Friedenszeiten bedeutende Summen aufzuwenden, um die Sicherheit des Eigentums herbeizuführen. Sonst trifft der bittere Tadel zu, den Hollands grofser Staatsmann de Witt seinen Landsleuten machte: „Niemals wollen sie zu Friedenszeiten oder aus Furcht vor einem Friedensbruch Entschlüsse fassen, stark genug, um sie im voraus zu ver anlassen, Geldopfer zu bringen. Der Charakter der Holländer ist derart, dafs sie, wenn ihnen nicht die Gefahr ins Gesicht starrt, nicht willens sind, Geld für ihre eigene Verteidigung auszulegen.“ Und sie büfsten dafür. — Nach Aufzählung der kärglichen Verteilung der zur Verfügung stehenden Kriegsschiffe auf die verschiedenen Stationen fährt der Verfasser fort: „Wenn wir von der ganzen Wasserfläche der Erde diejenigen Teile abziehen, wo Kriegsschiffe überhaupt nicht benötigt sind, so bleiben noch mehr als 100 Millionen Quadratmeilen (oder 25 900 Millionen Hektare) Wasseroberfläche übrig, auf denen die deutsche Kriegsflotte ihren Aufgaben nachkommen soll, und ziehen wir dann in Betracht, dafs der Gefechtswert einer Marine hauptsächlich von Schlachtschiffen und Kreuzern 1. bis 3. Klasse, also von Schiffen über 2000 Tonnen, abhängt, so wird sofort klar, wie ab surd klein und unzulänglich die Zahl und Art der Schiffe ist, welche Deutschland für die angegebenen Zwecke verwenden kann. Es erscheint somit auch hiernach offenbar, dafs mit Rücksicht auf die Ausdehnung des deutschen Handels eine Verbesserung durchaus notwendig ist.“ Die Aufgaben der Marine im Kriegsfall zu beleuchten, kann kaum in •den Rahmen dieses Artikels passen. Es wirft sich aber sofort wieder die Frage auf, , ist Deutschland im Kriegsfälle den Anforderungen gewachsen, seine Küsten zu verteidigen, seinen Kauffahrteischiffen den notwendigsten Schutz zu gewähren, die Unterbrechung des Verkehrs mit den Kolonieen zu verhindern und dieselben zu beschützen, selbst wenn es sich nicht darum handelte, einem Feinde auf See Stand zu bieten? Sicherlich nicht. Ein Vergleich der Kriegsflotten dürfte hier von Interesse sein. Eine trockene Zahlenaufstellung kann dabei aber kaum mafsgebend erscheinen und würde auch kein klares Bild liefern. Ein Vergleich mufs vielmehr den Gefechtswert der verschiedenen Kriegsflotten darstellen, der, wie bereits bemerkt, von den Panzerschiffen und Kreuzern über 2000 Tonnen Gröfse abhängt und durch das Alter derselben beeinflufst wird. In einem von Georg Wislicenus in den „Grenzboten“ in diesem Jahre veröffentlichten Artikel ist dies wissenschaftlich unternommen worden, und ergiebt sich ■danach für die Englische Flotte eine Gefechtswert-Verhältniszahl von 100 Französische Russische Nordamerik. Italienische Japanische Deutsche Spanische Österreich. 47 28 20 19 19 18 10 6 Die deutsche Flotte nimmt demnach die siebente Stelle ein, obgleich in”diesen Zahlen noch die alten und jetzt nur noch als Hafenschiffe ver wendbaren Kriegsschiffe „Preufsen“, „Friedrich der Grofse“, „Friedrich Karl“ und „Kronprinz“ mitgerechnet sind. Ist es wohl Deutschlands enormen Interessen am Welthandel ange messen, dafs es für den Schutz derselben erst den siebenten Rang einnimmt und nicht nur von Frankreich, sondern auch von Rufsland, den Vereinigten Staaten, Italien und selbst Japan übertroffen wird! Japan, das seit kaum dreifsig Jahren in die Reihe der zivilisierten Staaten getreten ist! Und dieses selbe Japan, nicht zufrieden mit der Stellung, welche es inbezug auf Seemacht bereits erlangt hat, zeigt auf diesem Gebiete eine Thätigkeit hinsichtlich Weiterentwickelung, die in einem sachkundigen Artikel in der North American Review vom Oktober dieses Jahres geradezu als phäno menal bezeichnet wird. Japan hat danach nicht nur mehr Kriegsschiffe im Bau als irgendeine andere Nation, mit Ausnahme von England, sondern es läfst auch bessere Schiffe auf englischen Werften konstruieren, als Eng land es selbst für seine eigene Flotte thut. Japan hat folgende Schiffe bestellt, deren Bau bereits vorgeschritten ist: 3 Schlachtschiffe, jedes von 14 800 Tonnen Gröfse, 1 Schlachtschiff von 10 000 Tonnen, 5 Panzer kreuzer 1. Klasse von je 9600 Tonnen und .von einer Schnelligkeit von 20 Seemeilen per Stunde, 2 geschützte Kreuzer von 5000 Tonnen und 23 Seemeilen per Stunde, 1 geschützter Kreuzer von 4300 Tonnen und 23 Seemeilen, 3 geschützte Kreuzer von je 3000 Tonnen und 20 Seemeilen, 8 Torpedoboot - Zerstörer von 30 Seemeilen, 12 Torpedoboote von je 90 Tonnen, 3 Torpedo-Kanonenboote und 1 Aviso. Es darf nicht vergessen werden, dafs diese Schiffe nach den neuesten und besten Typen der modernen Marine-Architektur gebaut sind, und das Maximum von Kraft, Zweckmäfsig- keit und sparsamer . Bearbeitung in sich vereinen. Das Vorgehen Japans wird als eines der bedeutsamsten Zeichen unserer Zeit angesehen. Besonders hervorzuheben ist nun, dafs das deutsche Volk nicht nur eine besondere Fähigkeit für Handel und Industrie zeigt, sondern auch in seiner Küstenbevölkerung einen Stamm von Menschen bat, der sich vor allen anderen in seiner Befähigung für die Seeschiffahrt auszeichnet. Durch die Hochsee-Fischerei von altersher mit allen Gefahren des Meeres vertraut, hat sich ein Geschlecht herausgebildet, das nicht nur mit Liebe am Meere hängt, sondern auch alle die Eigenschaften besitzt, welche beim Seemann behufs Überwindung der Schwierigkeiten seines Berufs besonders erwünscht sind. Der deutsche Seemann ist in allen Teilen der Welt wegen seiner Fähigkeiten und Charaktereigenschaften hoch geachtet. Dies ist ein Um stand von der gröfsten Bedeutung für die deutsche Handelsflotte und so mit auch für die Kriegsmarine, welche als eine Notwendigkeit aus ihr entspringt. Wenn die deutsche Kriegsflotte schon jetzt volltständig unzulänglich erscheint, um den oben beleuchteten Anforderungen zu genügen, so liegt auf der Hand, dafs, ganz abgesehen von allen anderen Erwägungen, eine Vorsorge für die Zukunft notwendig ist, da sich das vorhandene Material im gewöhnlichen Laufe der Dinge abnutzt und gegenüber den Neuschöpfungen anderer Nationen veraltet, während es geraume Zeit in Anspruch nimmt, um Ersatz zu schaffen. So friedliebend Deutschland auch sein mag, so ist es doch nicht vor der Kriegsgefahr sicher. Gott schütze es davor, aber w r enn sie eintreten sollte, dann mufs Deutschland nach allen Seiten so dastehen, dafs es seine Interessen wahren kann. Dieselben haben sich in den letzten 25 Jahren enorm ausgedehnt. Ein Blick auf den Welthandel zeigt, dafs Deutschlands Anteil in dieser Zeit in seinem jährlichen Ein- und Ausfuhrumsatz um über 2500 Millionen Mark zugenommen hat, während sich seine Kauffahrtei flotte um über 600 000 Tonnen vermehrte. Diese ungeheuren Werte, unter deren — wenn auch nur teilweisem — Verluste das Vaterland empfindlich leiden würde, bedürfen des Schutzes. Deutschland hat 'wertvolle Kolonieen erworben, die nicht preisgegeben werden dürfen. Wie kann das aber ge schehen? Doch nur durch eine Achtung gebietende Kriegsflotte, welche die heimatlichen Küsten verteidigen und einem Feinde gegenüber stand halten kann, imstande ist, irgendwohin zu gehen und irgendetwas zu unter nehmen, wie der Herzog von Wellington von seiner Armee der Halbinsel sagte. Es wäre in der That traurig, wenn Deutschland mit den erheben den Traditionen seiner Vergangenheit, seiner Macht, seinen Hilfsquellen und seiner Hoffnung auf eine nach allen Seiten segensreich wirkende ruhmvolle Zukunft, den vernichtenden Vorwurf auf sich beziehen müfste, welchen De Witt den Holländern machte. Von der Art und Weise, wie die Flottenvorlage jetzt erledigt wird, mag zu irgendeiner Zeit die Sicherheit des Handels Deutschlands und des Eigentums seines Volkes, das Leben seiner Bürger, die Ehre seines Na mens, die Unversehrtheit des Reichsgebietes, ja die Solidarität der ganzen grofsen Nation abhängen. Eine so überaus wichtige Frage, deren Entschei dung die Wohlfahrt und Existenz eines durchaus praktischen Volkes aufs tiefste berührt, sollte doch unter keiner Bedingung nur von dem Stand punkte einfacher Sparsamkeitsrücksichten aus beurteilt wurden! Wie verschiedentlich oben schon angedeutet wurden ist, haben die hervorragendsten Staatsmänner der gröfsten Nationen die Notwendigkeit des Besitzes einer Kriegsflotte, die der Bedeutung der vaterländischen Interessen entspricht, betont. Es mag nun zum Schlufs gestattet sein, noch auf einen Auszug aus einem Briefe hinzuweisen, den der amerikanische Staatsmann John Adams, nachdem er seinem Lande als Präsident und Nachfolger George Washingtons gedient hatte, im Jahre 1802 schrieb: „Den Ratschlag, wel chen Themistocles Athen gab, Pompejus Rom, Cromwell England, De Witt Holland und Colbert Frankreich, habe auch ich immer meinen Landsleuten gegeben, und ich werde fortfahren, das zu thun, nämlich, dafs, da die grofsen Fragen des Handels und der Macht zwischen Nationen und Reichen durch eine Kriegsmarine entschieden werden müssen, der Kriegsflotte jede zu rechtfertigende Unterstützung gegeben werden sollte. Der Dreizack Neptuns ist das Scepter der Welt.“ ♦ ♦ ♦ _ _ _ ♦ ♦ landes nehmen Abonnements entgegen. — Ahonnementspreis jvtk. 8.— jährlich. ~ % ♦ ♦ Abonnements auf die Zeitschrift „Voltdampf“ tZTungf tApoilZ%fT7eTjnAnd%t