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195 Zur Errichtung einer Versuchs-An stalt für Färberei, beziehungsweise einer Färberschule in Wien. Von Ferd. Victor Kallab. (Fortsetzung.) Verfasser stellt sich einen solchen derart vor, daß die durch Zusammenbringen der Farbstoff lösungen mit den diversen Beizen entstehen den Niederschläge, die „Farblacke", ebenso die Farben-Nuancen der direct färbenden (sub stantiven) Farbstoffe dabei als Grundlagen zu dienen hätten (die Schaffung solcher Tabellen: Veranschaulichung der „Farblacke" und der Nuancen der substantiven Farbstoffe, wäre wohl eine mühsame, aber dankbare Arbeit: sie harrt noch ihres Vollbringers!) Von diesen ausgehend hätte man, nach vorheriger Uebung in Scalen der Primärfarben, sich jeden gegebenen Farben ton in seine Componenten zerlegt zu denken, respective die Zusammensetzungsweise der binä ren und tertiären Farbentöne (Mischfarben, Mo defarben) in physiologischer Beziehung im Wege der Färberei zu lehren. Die Chevreul'schen Farbentafeln ,wären dabei ein vorzüglich ver wendbares Hülssmittel.*) Die Durchführung dieser Sache sollte einen Hauptabschnitt des Praktikums an Färberschulen ausmachen. Bei der Creirung einer Färberschule, die eine Vorbildung, wie sie die Staatsgewerbe schule beansprucht, zu fordern hätte, müßte vor Allem das Streben vorwalten, dem Färber jene maßvolle Bildung zu ermöglichen, welche weder hinter dem Stande zurückbleibt, noch darüber hinausgeht; nur so würde man die Benutzung der Schule der Mehrzahl von Fachinteressenten ermöglichen und selbe zum Segen des gesamm- ten Industriezweiges gereichen lassen, während es dem nach höchster wissenschaftlicher Vorbil dung Strebenden unbenommen bliebe, dies an der technischen Hochschule zu erreichen. Daß die Färberschule auch dem angehenden Coloristen zu dienen hätte, braucht wohl nicht erst betont zu werden. Die wichtigste Frage aber ist die folgende: *) Gegen Einsendung von 36 Mark von der Ex pedition zu beziehen. Hat die Färberschule ihre Zöglinge durch Darbietung fachwissenschaftlicher, bei gleichzeiti ger Erweiterung allgemeiner Bildung für ihren Beruf vorzubereiten, oder soll sie ihre Schüler in dem Färberei-Fache ausbilden? Die Ansichten des rühmlich bekannten Ge werbe-Schulmannes, Herrn Direktor Wilda, die er bezüglich der Form des gewerblichen Un terrichts in seinen „Warnehmungen lind Ge danken" niedergelegt hat, sind so überzeugend, daß man, will man sie auf die Färberei bezie hen, sich nicht mehr von ihnen trennen kann. Wilda's Befürwortung des Lehrwerkstätten-Sy- stems, wie es in Frankreich eingeführt ist*), hat gerade für die Färberei besondere Bedeutung. Ich will dies mit Folgendem begründen: Von unserer zukünftigen Färberschule wür den, falls selbe blos die Vorbildung des Fär bers zum Zwecke hätte, (das heißt die Einwir kung wissenschaftlicher Grundsätze, nach welchen die Schüler zeitlebens ihr Gewerbe zu betrei ben hätten) junge Männer der Färberei über geben werden, welche in den seltensten Fällen in der Lage sein würden, ihre praktische Aus bildung im Sinne der Färberschule zu voll ziehen. Es ist zweiselhast, ob diese jungen Leute, durch ihre Ansichten fortschrittlicher Richtung mit denjenigen der Empirie in Colli sion gerathend, aus diesem Kampfe als Sieger hervorgehen würden.**) Der in ihnen durch Subordination unter empirisch arbeitenden Vor gesetzten erzeugte Widerspruch zwischen Wissen schaftlichkeit und Empirie würde die Lust zu ihrem Berufe nicht fördern. Diese aus dem Mangel an eigener innerer Befriedigung ent stehende Unlust dürfte sogar ihr Vorwärts kommen in der Praxis schädigen und dadurch mit das Ansehen der Färberschule (von welcher ja manche Praktiker Wunderwirkungen verlan gen werden!). Um daher eine in allen Theilen harmonirende, dem Zeitgeiste entsprechende Aus bildung des Färbers und somit die Heranbil dung moderner Färbermeister zu ermöglichen, *) Für mechanisch-technische Industrien. **) Kostet ja dies einem an der technischen Hoch schule vorgebildeten, daher selbstständiger Denkenden große Ueberwindung, wie Verfasser an sich selbst erfahren hat.