Volltext Seite (XML)
105 tctc mein Vater. In einer Stunde, gut! Die Stunde war noch nicht vorüber, als Karl IV. unter dem Schutz und im Schatten der Segel eingcschlafcn war. Er schläft; spannt alle Segel auf, rief mein Vater leise zwischen beiden Händen durch, den beiden Schif fen zu, die mit dem unfern schwammen. Alle Segel aufgcspannt! Die drei Schiffe verschlangen den Wind. Heiliger Johannes, das ist wahr; ich weiß nicht, wie wir nicht in Splitter flogen! Der König schlief fünf Stunden. So wirkte das Meer auf ihn. Als er er wachte, lag vor unfern Blicken die Küste Spaniens, die Küste Cataloniens. Die Sonne ging eben unter." „Wo bin ich? fragte der König erwachend, als die Schiffe hielten, und erstaunt, sich von einer Menge anderer Fahrzeuge umgeben zu sehen, die von Leuten wimmelten." „Majestät! sagte ein alter Offizier seiner Armee zu ihm, Ihr seid im Golf von Roses, in Eatalonien, in Spanien, und da seht Ihr vor Euch Euere getreuen Unterthancn, die Euch auf den Kniccn bitten, bei ihnen zu landen. In einem Monate seid Ihr in Madrid. Sire, unser Dorf wird den andern ein Bei- s' geben; das Feuer wird auf die Städte übergehn, Stadt zu Stadt wird cs ganz Spanien durchkreu zt. Diese braven Seeleute haben Euch befreit; sie wollen sterben, um Euch wieder auf den Thron zu setzen." „Und Karl I V., den wir in unfern Armen hielten, sing an zu weinen, wie ein Kind. Er konnte sich richt satt sehen an den Gebirgen Spaniens, an den Härten Cataloniens, er konnte sich nicht satt hören an den spanischen Worten, die ringsum ihn erklangen. Er segnete, umarmte und weinte." „Ich hielt den Stock und den Hut des Königs in der Hand." „Nein, meine Kinder, sagte er, ich bin verbannt und würde mein königliches Ehrenwort brechen, wenn ich auf Euch hörte. Uebrigens aber verzeihe ich Euch, daß Ihr mich gelauscht habt. Also das, Mateo, war Dein Fischfang! Ich verzeihe auch Dir. .Ihr habt mich sehr glücklich gemacht. Spanien! Spanien! schrie er, an sein Herz den alten Soldaten drückend, der ihn beschwor, sich auszuschiffen. Er grüßte mit der Hand die zwanzig menschenbedeckten Schiffe. Ach! Ihr seid nicht so zu beklagen, wie ich. Ihr verliert nur einen König, und ich verliere ein Vaterland! In die hohe Sec, Mateo! rief er, und nach Frankreich! In die hohe See!" „Mein Vater zauderte." „Ich will es!" sagte der König noch einmal. „Den folgenden Tag stieg Karl IV. bei Tagesan bruch hier an diesem Gestade aus." Der catalonischc Fischer ließ das Haupt auf die Brust sinken, tiefes Stillschweigen überkam ihn, als sähe er in den Abgrund von zwanzig verflossenen Jahren. Als er eine Weile nachgedacht, erhob er die Stirne und sagte, wie um traurige Gedanken zu verscheuchen: „Na, das Wetter will anders werden, die See kräu selt sich, wir werden Wind bekommen." „Vielleicht," sagte ich darauf, mit zu wenig Ach tung vor seiner Gemüthsbcwegung, „hätte Karl IV. seinen Thron wieder erobert, wenn er in Spanien an das Land gestiegen wäre." „Lebendig wäre er nicht ausgcstiegcn," sagte Ger- vaisy, der Hirte, und steckte in die Scheide sein Mes ser, mit dem er während des ganzen Gesprächs nicht zu spielen aufgehört hatte. „Du warst ein kaiserlicher Spion, das Hab' ich seitdem erfahren, und ich stürzte Dich später darum nicht von der Höhe dieser Berge in das Meer, weil Du uns nicht angczeigt hast." „Ich hatte es nicht nöthig. Karl IV. schrieb so gleich an den Kaiser, er möchte ihm für künftig den Fischfang verbieten. Und Napoleon fügte hinzu: Der König von Spanien wird nie mehr in seinem Schlosse schlafen. Seitdem war er nicht eine Nacht mehr da." „Doch der Wind geht frisch," wiederholte Mateo. „Bursche, richte die Segelstange auf! In die hohe See!" „Und ich werde zu meiner Heerde gehn," sagte Gervaisy. Der Hund und der Hirte erhoben sich. Gervaisy stieß noch einmal in das Kuhhorn, und sein melancholisches Tönen folgte mir bis tief in die Ebene unter Fichten und Ginstcrstrauch nach, die der Strahl des Mondes erhellte.