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4s 1 ertappt" cr wollte weiter reden, da öffnete sich die Lhüre, ein Page trat herein und überreichte ein Schreiben des Kaufherrn Niehut'. Cruse erbrach und las cs: „Exccllcnzeu und gnädigste Herren!" „Nachstehendes sind die eigenhändig geschriebenen Worte meiner ganz gesundeten Tochter, die ich auf ihr wiederholles und dringendes Verlangen Cw. Ercellenzen gehorsamst zu übersenden nicht unterlassen konnte:" „„Der Gedanke, die angesochtene Unschuld eines edlen Mannes retten zu können und zu müssen, zwingt mich vielleicht, der weiblichen Zartheit ein wenig zu nahe zu treten. Nur erst in der Nähe des mir wohlbekannten Herrn Hoftunkers bin ich in Ohnmacht gefallen, in der mich Ew. Ercellenzen und mein Vater fanden. Mit vollem, ja gesteigertem Verstände, habe ich ihn als meinen Retter aus Schurkenhänden herbcispringen sehen, und ich werde dies nicht nur bis an das Ende meines Lebens be- ' - .upten, sondern auf Ner.angen feierlich beschwören. L)ie zwischengetretene Catastrophe zerriß plötzlich mei nen gespannten Lebensfaden, und als ich an der * Seite meines theuren Vaters erwachte, fühlte ich noch dermaßen die Nachwirkung, daß ich nicht so gleich, sondern erst jetzt, jenen edlen Retter gezie mend rechtfertigen konnte. Möchte doch dies, Excel- lenzen, der Fall sein :c."" "' bitte gehorsamst, jene Erklärung als lauter men, da ich derselben beistimme, und die >üchl weiter zu untersuchen. Ew. Ercellenzen re. Nieh u s." Cruse gebot jetzt, die Sache als abgekhan anzu sehen, und dem Günstlinge Fiemming die Hand rei chend, gralulirte er ihm zu einer Rechtfertigung von solchen Händen. Vielleicht hatte Brüggemann Ursache, nichts dagegen einzuwenden, aber heftiger Neid und bitterer Grimm durchglühte sein Inneres. Neid? und warum nicht, da sich aus jenen, so warm geschriebe nen Worten, auf eine Vorliebe für Flemming fast un bestreilbar schließen ließ, und Grimm, Wuth, den Ver haßten siegen zu sehen. — Doch wie sollen wir jenes namenlose Glück schildern, jenen Triumph, der bei einem Dichter die glücklichste Quelle seiner Pbantasien- gebilde wird, der in Flemming's Geist und Gemüth so unvertilgbar, so unauslöschlich feuerflammend em porwuchs zu einer Blülhe der reinsten Liebe. Nichts hielt ihn in seinem Esser zurück. Am selbigen Nach mittag flog er hin zu seiner Sophia, denn er glaubte sie sein, und übcrfluthete jene überraschte, erröthende Jungfrau mit einem Strome begeisterter Dankesworte. Mit der reizendsten Bescheidenheit lehnte sie diese ab; sie vcrwieß ihre Tbat in das Gebiet dankbarster, hei ligster Pflicht. Dann konnte cr nicht umhin, von sei ner morgenden Abreise zu sprechen, und mit Wchmuth die glücklich verlebten Tage in Reval zu schildern, die nun enden würden. Sie schwieg, sie wußte nicht, was sie auf eine so vielsagende Bemerkung erwiedcrn sollte. Er stand auf. „Die Zeit drängt," sagte er weich, „ich muß Euch ein Lebewohl, vielleicht auf immer, sa gen." — „Mein Vater sagte mir, Ihr würdet bei der Rückreise wieder durch unser Reval kommen," crwie- dcrtc sie leise. -- „O, holdeste Jungfrau, unser Ziel ist noch weit und führt durch unbekannte Länder. Wer kann wissen, ob cr zurückkehrl?" — „Den Redlichen schützt Gott!" — „Sehr wahr. Nur auf ihn baue ich. Weder Vater noch Mutter können für mich zittern und sorgen, sie sind nicht mehr. Und doch ist es so bese ligend und erhebend, Jemanden besorgt für uns zu wissen." — Sophia crwiederte hierauf nichts. „Lebet wohl," sagte er, und trat zögernden Schrittes zu rück. — „Lebet wohl," lispelte sie, „stets will ich dankbar Eurer gedenken!" — „Das wird mich glück lich, selig machen!" sprach er mit beklommener Brust, doch sie war schon in das andere Gemach geschlüpft. Er schritt nach der Thüre, da sah er auf dem getäfel ten Fußboden etwas glänzen. Es war eine goldene Haarnadel. Freudig rasch hob er sie auf; ein ewiges Andenken von ihr sollte sie ihm bleiben. Cr drückte sie an Mund und Brust und ging hinweg. Noch am nämlichen Abend trat er auf Olcarius Zimmer mit fol gendem Sonett: Auf die güldene Haarnadel. Du güld'nc Nadel Du, noch güldener als Gold, Die Du der Liebsten sielst aus ihren güld'nen Haaren, Ach! weine nicht zu sehr, daß Dir dies widerfahren. Daß Du ihr schönstes Haupt, als ich wohl sclbsten wollt', Hinfort nicht zieren wirst. Erhöhte Deinen Muth! Dich'hat kein loser Dieb bei schwarzer Nacht genommen, Du,bist viel weniger in Räuberhände kommen; Air war ein junges Blut von ganzem Herzen gut. Denn als cr suchte Lust in heißen Liebcspressen, Sah cr und Hub Dich auf. Cupido lachte dessen, Und sprach: Hinfort bedarf ich keiner Pfeile mehr. Der, der die Nadel nahm, wird sich ihm selbst berücken Und sein forthin ein Raub, wenn er nur wird erblicken Den Raub, den falschen Raub, wird er sich stechen sehr.