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wenigen sorgsam ausgewählten Zeugen die glückliche Familie. Nicht ohne Erröthcn und die Augen vor innrer Beschämung zu Boden senkend, war Natalie das erste Mal wieder dem Assessor Pannwitz unter die Augen getreten. Aber mit ruhiger Haltung hatte sie dennoch, als die erste beschämende Erinnerung an die Vergangenheit niedcrgekämpft und ihre Verlegen heit bezwungen war, Anna's Hand in die ihres Ver lobten gelegt und bei dem Feste, das wir oben erwähnt, wäre cs schwer zu unterscheiden gewesen, ob die Nichte sich glücklicher und zufriedener fühlte, als die zehn Jahre ältere Tante. Als dann am Jahrestag ihrer Verlobung der Priester den Segen über die Neuvermählten ge sprochen, trat Balsau mit einer Thräne im Auge zu Pannwitz und mit einem herzlichen Händedruck sprach er zum Ohr des jungen Mannes geneigt: „Möge Anna Ihnen und einst Ihren Kindern das werden, was meine Natalie mir und meiner Tochter als Gattin und Mutter ist, und ich bin überzeugt, mein junger Freund, daß Ihnen dann in Ihrem häuslichen Leben nichts mehr zu wünschen übrig bleiben kann." „Werde so glücklich, als ich cs nun seit länger denn einem Jahre bin!" rief Natalie, als sie glück wünschend ihre Nichte in die Arme schloß, „und Alles, was sich nur sagen läßt, ist in diesen Worten gesagt. Möge aber das Schicksal Dir jene bittre Enttäuschung ersparen, durch welche ich aus den Pfad des wahren Lebensgenusses geführt ward. Möge die gütige Vor sehung nie den Bannfluch jenes entsetzlichen Wahnes über Dich aussprechen, vermöge dessen ich einst glaubte, Glück und Anerkennung außerhalb des Familienlebens suchen und meine Fähigkeiten zuerst für den rauschen den', aber falschen Beifallsruf des Salonlebcns nützen und aufsparen zu müssen. Was sind doch," schloß Natälie mit überströmenden Augen ihre Rede, „was sind alle Triumphe der Eitelkeit, alle Siege, die Schön heit und Talente sich erringen, gegen den warmen Schlag eines Herzens, das aufrichtig für Dich fühlt, und gegen die Freude, die Du empfinden wirst, wenn Dein Kind Dir einen selbstgewundenen Kranz von Feldblumen bringt oder mit Hülfe Deiner Anleitung die erste Blume in kunstloser Einfachheit auf das Papier zeichnet." — Das Todesloos. Drei Krieger sitzen auf der Todtenwacht; — Sie haben ihres Hauxtmanns Blut vergossen, Weil schlagend er des Mannes Werth verlacht, Drum wird von Dreien Einer früh erschossen, Schon morgen früh — und draußen schlägt's schon Acht! Die Sonne wirft den letzten Blick hinein Mit goldncn Strahlen durch die Fensterscheiben Und während sie: wie mild im Abendschein Daheim der Wind die Blüthen möge treiben, Noch sinnen, wird es. dunkel — es schlägt Neun! „„Wacht in's Gewehr!"" Die Krieger alle gehen Ernst vor die Thür. „Knie't nieder zum Gebete!" „„Gott, laß den Kelch an mir vorübergehn!"" So beten drinn zwei Bäter. — „„Mich zertrete, O Tod!"" so fleht der Dritte. — Es wird Zehn! Und immer ringt der Jüngling noch, erfleht Den Tod, weil ihn nur Kinder nicht beweinen, Bis ihn auf einmal sanfter Schlaf umweht. Die Andern klagen, Jeder um die Seinen, Seht, wie um Eins und Zwei die Runde geht. — Der Morgen tagt. Ein Schlummer faßte kaum, Ihr Augenlid, als schon die Trommeln rollen, -» Den Jüngling aber fesselt noch ein Traum, So süß, als knüpft ihn keines Wunsches Wellen, Kein Sehnen mehr am Küstern Erdeilraum. Man weckt ihn auf, und als das Spiel man rührt, Da ruft er fest, als sie die Loose bringen: „„Ich Hab' allein den Todesstrcich vollführt. Drum muß allein das Todcsloos mir springen. Mir gilt allein der Kriegsspruch! — Präsenlirt!"" Der beide» Bäter Herz pocht schwer, pocht leicht, Schlägt für das Weib, das Kind und die Gefühle, Sic schwanken zwischen Ja und Nein, da streicht Des Jünglings Blick mit festem Mienenspielc Vorbei und spricht gebieterisch: „Ihr schweigt!" Ein Wort nur kennt der sterbende Soldat. — „„Mein Mädchen grüßt, sagt ihr, daß sic nicht weine!" Der Tambour bittet. — „Nur bei Gott ist Knad'!" Ruft der Major, „bei Menschen giebt es keine, Gott sei Dir gnädig, armer Kamerad!" T.E.W. Druck von C. P- Melzer in Leipzig.