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Lin Laulitzer Velperbild in Nixdorf (Nähmen) Die mittelalterliche Holzplastik ist fast ausschließlich^ kirch lich. Sie hat eine beherrschende Aufgabe: den großen Flügel altar wie wir ihn noch häufig in Nluseen und Kirchen finden. Daneben sind noch als weitere Themen zu nennen: die Kreuzi gungsgruppen und die Triumpfkreuze zwischen Chor und Schiff. Neben diesen Hanptthemen kommt aber auch den Andachts- bildern eine besondere Bedeutung zu. Nach der Häufung zu schließen, hat sich dabei der sitzende Schmerzensmann besonderer Beliebtheit erfreut, währenv die Pieta oder das Vesperbild mehr auf Klöster und besondere, der Mutter Gottes geweihte Stätten beschränkt blieb. Das Vesperbild, die Darstellung der Mutter Gottes, die auf ihrem Schoß den Leichnam Christi hält und über ihn trauert, ist aus dem tiefsten Gruiwe deutscher Frömmigkeit her vorgegangen. Gestalt gewinnt es aber erstmalig nicht in der bildenden Kunst, sondern in der Dichtung. Dort finden wir diesen Gedanken bereits im 12. Jahrhundert in solche Worte gefaßt: Givit mir doch den doden Lib wan ich sin mudir bin unde ein vil armez wib dat ich »sich gisade minis ruen unde min leit dicke crnuern. Das hier gezeichnete Bild wird erstmalig, etwa um 1320, in dem Vesperbild aus Scheuerfeld, das sich jetzt in den Samm lungen auf der Feste Coburg befindet, in plastische Formen um ¬ gesetzt. Vermutlich geht eö auf einen Urtyp, den man in Dst- franken suchen muß, zurück. Der in diesem frühesten Stück er haltene Typus hat sich auch bei uns erhalten. Im Kloster Marienstern befindet sich ans dem 14. Jahrhundert eine Pieta, die ein gutes Belegstück für diese früheste Form, in der Fach welt „treppenförmiger Diagonaltypus" genannt, ist. Ihr eng verwandt sind die ganz ähnlichen Andachtsbilder in Bonn, Er furt, Naumburg und im Kloster Leubus in Schlesien. Im folgenden Jahrhundert wandelt sich die plastische Aus formung des Gedankens, der Körper Christi wird stärker ge streckt, die Todesstarre mehr betont, die Tokenklage der Nkutter nicht mehr anklagend, sondern beklagend, fast verzweifelnd. Das Fragment aus Radibor ist ein guter Beleg dafür. Weitere Pieta sind in der Lausitz, außer in dem nördlichen Seitenalkar in Dstritz, mir nicht bekannt. Auch diese stammt aus der Ieit um 1480. Ilm so erfreulicher ist cs, daß sich jetzt noch ein weiteres Stück gefunden hat. Forschungen zur Barockplastik führten mich nach Nix dorf, Kreis Rumburg. Dort wird zur Heit die Kirche einer gründlichen Renovierung unterzogen und dabei auch das An dachtsbild aus dem Seitenaltar hcrauögenommen, da der Altar farbig aufgefrischt werden sollte. Auf der Rückseite der Figur befand sich in der Handschrift und dem Papier aus der Ieit um 1780 folgende Inschrift*: Dieses uralte Mutter Gottesbild ist uns von einem Reyse- mann ans Sachsen gebracht, welches schon vor der Reforma tion in Verehrung gestanden, nachgehnds aber bei der erbärm lichen Veränderung Lutheri ist wohl nun geraume Ieit in schlechtem Ansehen gehalten worden, bis endlich gedachter Reyscmann von Nixdorf in dem Dorf Dittelsbach bei Sittau von einem Bauer erbeten und mit zu uns nach Nixdorf ge bracht, alwo nachher mit größter Andacht eine Brüderschaft aufgerichtct, welche bestanden 70 Jahre, die Aufhebung ist gewest 1784. Letzter Bruderschaftsdiener war Johann Chri stoph Klinger, welcher dieses znm geneigten Dienstes mit fett nem Sohn Anton Klinger mit andächtigen Herzen 16 Jahre gedient haben. Alles zur größten Ehre Gottes und der schmerz haften Mutter. Weiter fand sich die Notiz: Johann Joseph Liebert, stNaler in Nixdorf, hat dies Bild wieder in Holz repariert und auf neu Staffiert 1786. Die Pieta selbst ist dem Radiborer Typus eng verwandt, allerdings jetzt barock gefaßt, die eine Seite der Maria ergänzt, der Christus scheint unverändert, die Gesichtszüge der Gottes mutter sind durch reichen Farbenüberzug entstellt. Das Mate rial ist Linde, etwa 90 Zentimeter hoch und 60 Zentimeter breit. Zeitlich ist es um 1450 anzusetzen. Seine Auffindung in Dittelsdorf macht es wahrscheinlich, daß das Gnadenbild ans dem Kloster Marienthal stammt. Gleich von vornherein sei aber der Nkeinung entgegenqetreten, daß es sich etwa um die bei Carpzow erwähnte .^schöne Marien, einem Bilde so mit den Leuten geredet" und das „als Wall fahrtsziel dem Kloster" ein „stattlich Aufkommen und Reich tum" eingebracht habe, handelt. Unter einem Ntarienbilde ver steht man in den alten Texten immer ein Bild der Maria, allein oder mit dem Kinde, nie aber einer Nkaria mit dem Leichnam des Herrn im Schoß. Andererseits ist das Fehlen eines alten Andachtsbildes in einem der Maria geweihten Kloster auffallend und muß ein Vesperbild dort ebenso wie in Marienstern gewesen sein. Die Schicksale des Klosters Marienthal sind wechselvoll. 1244 wird der Altar geweiht. 1452, nach den Hussitenkriegen, hat das Kloster 30 Jahre verlaßen gelegen. Die 100 Mark, die ein Martin Dittrich zu einem Altar 1410 gestiftet hatte, werden zum Wiederaufbau verwendet. Schon 1515 und wieder- „"pieta" aus Kloster illarienstern (Ende 14. Jahrhundert) Archiv dcs Kunstvereins zu Bautzen c.v. * Für die Entzifferung bin ich Herrn Dc. Fischer, Dres den, zu Dank verpflichtet.