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die ersteren, die Deutschen und ihre seit dem 10. Jahrhun dert eingewanderten Väter, gegeben haben, sind z. T. ohne weiteres zu erkennen, wie z. B. Löbauer Wasser, Albertbach. Ebenso ein Teil der wendischen Na men, von denen noch später die Rede sein wird. — Dar über hinaus kommen wir zu den alten Germanen, die vor der Einwanderung der Wenden, um 500, hier wohnten. Wie lange aber saßen diese hier, ivie viele Jahr hunderte oder Jahrtausende? Hat vor ihnen bereits ein anderes Volk hier gehaust und gesprochen? Das ist die große Frage, die wieder eng mit der andern nach der Ur heimat der Jndogermanen, von denen die Ger manen einer der wichtigsten, wo nicht der wichtigste Teil waren, zusammenhüngt. Lange suchte man diese Urheimat in Asien, sei es in den Tälern des Himalaya, sei es in der turanischen Steppe. Aber davon haben uns die Ergebnisse gerade unserer vorgeschichtlichen Forschung, wir können wohl sagen, end gültig abgebracht. Zwar kann man noch nicht mit völliger Sicherheit sagen, in welcher Gegend des nördlichen oder mittleren Europas der Ursitz der Jndogermanen war, aber soviel lehren uns Schädelfunde und das Studium der For men der alten Gefäße und Geräte, daß in diesen Teilen Europas durch Jahrtausende vor Christi Geburt eine sich stetig weiter entwickelnde Kultur vorhanden gewesen ist, die einen einheitlichen Träger in einer großen Volks gemeinschaft mindestens höchst wahrscheinlich macht. Fest steht, das; das Urvolk bereits die Kultur der ausgehenden Steinzeit besaß, und nach dem Wortschatz der durch die Sprachwissenschaft erschlossenen Ursprache der Jndoger- manen trieb es in seinem westlichen Teile bereits Acker bau, während die weiter östlich wohnenden Glieder der Familie (Inder und Jranier) noch überwiegend ein Hirten leben führten. (S. Anm. 1.) Montelius und Svphus Mül ler, Matthäus Much und Kossinna stellen die ununter brochene Folge germanischer Bevölkerung im Norden nach den Boöenfunden als eine Notwendigkeit hin, wenn auch die ersteren beiden eine Einwanderung in ältester Zeit an nehmen. Eduard Meyer allerdings will die Berechtigung dazu nicht anerkennen; er ist, ohne die Frage für spruch reif zu erachten, doch geneigt, die Herkunft von dem asia tischen zentralen Hochland als wahrscheinlicher anzusehen, wo man neuerdings bekanntlich in den Ruinenstätten von Ost-Turkestan Überreste indogermanischer Sprache bei den Tocharern gefunden hat, von der Mitte des 1. Jahr tausends vor Ehr. Aber es ist doch wohl viel näher lie gend, in diesen Tocharern nach Osten versprengte Splitter der.Jndogermanen zu sehen, als den Rest des Urstammes. Jedenfalls sind Jndogermanen der älteste Sprachstamm, den wir um 1000 vor Chr. in Mitteleuropa nachweisen können; ein andrer ist nicht bekannt. Wir müssen mit ihnen rechnen, müssen den Versuch machen, Ortsnamen aus vor historischer Zeit aus dem Indogermanischen zu erklären. Hat aber Deutschland zu dem Ursitze der Jndogermanen mit gehört, so können es folgerichtig nur d i e sein, die noch jetzt darin wohnen oder die wir beim Beginn der Ge schichtsüberlieferung hier finden, die Vorfahren der Deut schen, die alten Germanen. Im Süden und Westen von ihnen saßen die Kelten, im Osten, doch weiter entfernt, als jetzt, die Slaven. Mit beiden, namentlich aber mit den Kelten, haben sich freilich die Germanen mannigfach gemischt und die Grenzen mit ihnen haben sich, als die ein zelnen Sprachstämme sich längst aus der indogermanischen Einheit abgesondert hatten, oft verschoben. So sind wir wohl berechtigt, diejenigen Flußnamcn, die nicht ohne weiteres aus den gegenwärtig gesprochenen Sprachen er- Anm. 1. Die Ergebnisse der Sprachforschung in dieser Beziehung findet man am übersichtlichsten bei O. Schrader, die Jndogermanen. (Wissenschaft und Bildung Nr. 77.) klärt werden können, sondern deren Klang ein höheres Alter verrät, aus der von den Sprachforschern erschlossenen indogermanischen Ursprache, deren Wortschatz z. B. von Fick in seinem Indogermanischen Wörterbuch zusammen gestellt ist, oder aus dem Germanischen oder Keltischen zu deuten. Die Möglichkeit mag freilich nicht abgeleugnet werden, daß auch aus einer noch älteren Menschheits periode — ältere neolithische Zeit — Namen übernommen worden sind. Aber wahrscheinlich ist dies nicht, da wir uns damals die Menschheit wenigstens in Mitteleuropa im all gemeinen auf einer doch noch sehr niederen Kulturstufe — ohne Ackerbau, ohne dauernde Sitze — zu denken haben, was einer Ortsnamengebung sehr wenig günstig war. Jedenfalls würde es sich um nur s.ehr vereinzelte Namen handeln, so daß diese mögliche Fehlerquelle nur gering zu veranschlagen ist. Wie steht es nun mit den Kelten als Namengebern unserer Gegenden? Sie haben sich zweifelhaft gerade in den letzten Jahrhunderten vor Chr. Geb. in großen Teilen Deutschlands seßhaft gemacht; erbebte doch auch Rom um 300 vor dem Galliersturm und setzten sich die Kelten damals in Oberitalien fest. Die große Wanderung, auf der sie sich in jener Zeit befanden, hat sie unzweifelhaft auch sonst da mals weit nach allen Richtungen geführt; Frankreich, Süd deutschland, ein großer Teil des Alpenlands ward von ihnen in Besitz genommen; sie gelangten auf die Balkan halbinsel, und ihre äußersten Ausläufer finden wir in Kleinasien (Galatien). In unsrer Nachbarschaft besaßen sie zu der Zeit, als Cäsar in Gallien erschien, Böhmen und Mähren (Boier und Volcae). Hier finden sich in der Tat auch Flußnamen, die sich wenigstens keltisch erklären fassen, wie Eger (Agira, kelt. Ogria), die „kalte", im Gegenteil zu den warmen Karlsbader Quellen, die den Tepl (das „warme" Wasser) bilden, oder Jser, Jsara. Doch lassen sich diese Namen ebenso gut aus dem Germanische« herleiteu, von dem sie die Kelten wahrscheinlich erst übernahmen. Da gegen sind Kelten am allerwenigsten in Ostdeutschland nach weisbar, weder durch Schriftstellerangaben, noch durch au- klingende Namen oder Bodenfunde. Wie steht es nun mit ihnen in Sachsen und in der Oberlausitz? Im Erzgebirge hat H. Schurtz (Der Seifenbergbau im Erzgebirge und die Walensagcn) ihre Spuren nachzuweisen gesucht, und einige Namen tragen auch wirklich keltischen Stempel, immerhin ist es nicht viel, was auf sie hiudeutet. Von der Oberlausitz, die seit dem 10. Jahrhundert nach Chr. immer in so leb hafter Verbindung mit Böhmen stand, ließe sich von vorn herein erwarten, daß sie vom keltischen Boierlande her auch ihrerseits keltische Spuren aufzuweisen hätte. Aber auch hier sind diese mindestens dürftig (Wall auf der Schmoritz, Oybin). Geräte oder Waffen der la Tene-Periode, deren Kultur den Kelten eigentümlich ist, sind noch so gut wie gar nicht gefunden. (S. Anm. 2.) In der Niederlansitz sind sie etwas häufiger, so daß hier ein gewisser Einfluß der keltischen Kultur wahrscheinlich ist, aber gegen die über wältigende Masse der älteren Urnenfelder treten die la Tene-Grabfelder auch hier weit zurück; eine Einwanderung keltischer Völker ist dadurch nicht bewiesen; sie widerspräche auch den Angaben des Tacitus. So kommen wir auch hier Anm. 2. Die von W. Frenzel neuerdings gefundenen Spuren sind doch noch zu spärlich und unsicher, um bewei sen zu können. — Vergl. auch meinen Aufsatz in den B. Gesch.-Bl. II: „Inwiefern ist aus den Ortsnamen der Bautzener Gegend auf das Bestehen vorslavischer Sied lungen in dieser zu schließen?" — W. Frenzel Hat die be achtenswerten, wenn auch keineswegs schon entscheidenden Ergebnisse der Forschungen der Ges. f. Vorgesch. u. Gesch. der Oberlausitz im 6. Bande der B. Gesch.-H. 4. Heft dar gestellt. Jedenfalls sprechen auch diese für ein weites Zu rückgehen germanischer Siedlungen in Ostdeutschland.