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volles Leben zu Ende. Unter großer Anteilnahme wurde „Vater Hiller", wie er allgemein genannt wurde, beerdigt. Die Stelle, wo Hiller begraben liegt, ist heute unbekannt- kein Stein und kein Hügel bezeichnet sie. Man weiß nur, daß sich seine letzte Ruhestätte in den Anlagen hinter der Johanniskirche in Leipzig befindet. Auf das gesamte Musikleben seiner Zeit hat Hiller einen bedeutenden Einfluß ausgeübt. Er wirkte als Ge sangslehrer, wurde der Gründer einer deutschen Gesangs schule, war elf Jahre lang als Thomaskantor tätig und war der Komponist von Singspielen, die tatsächlich der Ausgangspunkt der deutschen Oper geworden sind. Sein Verdienst ist es, daß er in einer Zeit, wo fremdländischer Einfluß das Theaterwcsen beherrschte, dem deutschen Volke ein deutsches Singspiel gab. Hiller ist der eigentliche Be gründer des deutschen Singspieles, ihm haben wir es zu verdanken, daß das Singspiel sich bald in Deutschland ein bürgerte und zu rascher Blüte gelangte. „Der Gegensatz zwischen Stadt und Land, zwischen im Geiste Rousseaus reiner Natur und der Verderbtheit der höheren Stände war sein Lieblingsmotiv und bot ihm Gelegenheit, die volkstümelnde Melodie, das einfache Lied zu pflegen, ohne doch auf die musikalischen Reichtümer der italienisierenden Arie verzichten zu müssen." (A. Einstein, Gesch. ö. Musik, S. 86.) Und so wurden die Singspiele Joh. Adam Hillers, wie Hermann Kretzschmar sagt, „die Eltern der Zauber flöte und des Freischützen". Hiller war es auch, der die ersten vollständigen Auf führungen des „Messias" von Händel in Deutschland ver anstaltete. Als sich Hiller 1786 auf kurze Zeit in Berlin aufhielt, traten einige Musikfreunde mit dem Wunsche an ihn heran, Händels „Messias" in einer den Londoner Riescnaufführuugen ähnlichen Gestaltung in Berlin zu Gehör zu bringen. Da das Unternehmen von allen Seiten kräftig unterstützt wurde, kam diese rühmliche erste Auf führung des Hündelschen „Messias" am 10. Mai 1786 in Berlin auch zustande. Als Hiller den Auftrag bekam, die Leitung des Ganzen zu übernehmen, äußerte er in seiner bescheidenen Art in einem Schreiben: „Sv schmeichelhaft mir auch derselbe war, so sehr er mit meiner Neigung, gute Absichten zu unterstützen und befördern zn helfen, übereinkam, so konnte ich doch den Entschluß, mich an die Spitze zwey berühmter Kapellen, aller Königlichen Sänger und einer Menge durch Stand und Verdienste ausgezeich neter Dilettanten zu stellen, so leichtsinnig nicht fassen. Ich müßte mich in einem sehr hohen Lichte und alle diese ehr würdigen Personen in einem sehr dunkeln gesehen haben, wenn ich es gekonnt Hütte. Da ich aber von Zeit zu Zett durch verschiedene dabey interessierte Personen, die zum Thetl Hauptpersonen vorstellten, von der Aufrichtigkeit des Wunsches, mich an der Spitze zu sehen, überzeugt ward und mich ihrer Freundschaft versichert halten konnte, so unterzog ich mich einem Geschäfte, welches ich mit Recht als das rühmlichste meines Lebens ansehe." Den Haupt anteil an dem Erfolg dieser Rtesenaufführung, die eine grenzenlose Begeisterung hervorrief, muß man Hiller zu sprechen. Von dieser Berliner Aufführung an hat der „Messias" in Deutschland Eingang und Würdigung ge funden. Trotz aller Armut und Entsagungen hatte es Hiller verstanden, sich eine gute Allgemeinbildung und ein vor zügliches Wissen und Können auf dem Gebiete der Musik anzueigneu. In allen Zweigen der Tonkunst war er be wandert, sodaß er allen Schülern, die sich Rat und Hilfe suchend an ihn wandten, gute Unterweisungen zu geben vermochte. Ja, er ging sogar soweit, daß er oft, wo es not tat, nicht nur geistige, sondern auch materielle Unter stützung leistete. Er war ein Menschenfreund im edelsten Sinne, offen und ehrlich gegen seine Freunde, frei von Eitelkeit und Neid gegen seine Kunstgenüssen. Überall suchte er, nur das Gute zu fördern. Zum Schluß möchte ich noch einige Worte von Her mann Kretzschmar zitieren, die die Bedeutung Hillers am besten erkennen lassen. Sie lauten: „Unserm Schütz, Bach, Händel und fügen wir diesen drei Größten hinzu: unserm Johann Adam Hiller — nicht als Komponisten, aber als Organisator, als schöpferischen Kopf in praktischen Fragen — diesen Namen hat in ihrer Zeit kein zweites deutsches Land ebenbürtige Musikernamen gegenüberzustellen." * Anmerkung: In Nr. 26 der OHZ. brachten wir be reits anläßlich des 200. Geburtstages Johann Adam Hil lers einen Aufsatz aus der Feder M. Gondolatsch', der sich mit dem Wirken dieses Oberlausitzer Komponisten befaßte. Die heutige Arbeit W. Dreßlers darf als eine wertvolle Ergänzung des obigen gelten. Die Schriftleitung. Eine Heimatfest - Predigt Über zwei Jahre sind vergangen, seit in Nieder oderwitz ein Heimatfest abgehalten und auch kirch lich gefeiert wurde. Aus der damals — 10. Oktober 1926 — vom Ortspfarrer Brussig gehaltenen Festpredigt bringen wir die nachstehenden Aus führungen, die auch jetzt «och Viele interessieren dürften. Veralten können dieselben nie, sie sind ein Loblied zum Preise der Heimat! Verrauscht sind die Harmonien, die uns kamen wie aus einer anderen Welt. Wir wollen unserm Gott dafür dan ken, daß er uns als Auftakt unserer Festtage den gestrigen und den vorgestrigen Abend geschenkt hat. Das ist das rechte Geschenk, ein Gottesdienst zu tiefst aus dem Menschen herzen heraus, ein Gottesdienst, der sich vereinigt mit dem ewigen Dienst der Lichtgestalten vor Gottes Thron. Es ist so wunderbar, wenn eine Offenbarung von diesem ewigen Tönen und Klingen in ein Meuschenherz kommt. Ein from mer Meister wird ergriffen, hat Visionen, wie einst Jo hannes. Das Herz geht ihm über und dann schreibt er, sieht die Welt nicht um sich und es strömt aus ihm heraus und die Menschen, die nehmen und nehmens in ihre Her zen hinein. In mühseliger Arbeit begreifen sie das große Werk. Dann kommt es aus den Instrumenten heraus und aus den Kehlen der Menschen, genau so, wie es der Meister einst erlebte. Ihm war es eine Gottes-Offenbarung. Ich meine, was wir erlebt haben, ist der wahre Gottesdienst, dieses unmittelbare Ergrtffensein von Gott. Ergriffen an Gott, das sind sie gewesen, die uns dieses köstliche Geschenk gebracht haben. Wir wurden hineingeftthrt in die Mensch heit im grauen Altertum. Diese Kapitel, an die die nüch terne moderne Welt nicht mehr glauben will, sind doch eigentlich so wunderbar. Gott gab uns, den Menschen, die Heimat, diese Erde. Er schuf diese Erde, die an sich im All so winzig klein ist, so wunderbar reich und schön. Das ist uns gesungen worden, das haben wir gehört. Wir haben gehört, wie das Licht brauste hinein in das Chaos, und wie die Geister der Finsternis weichen mußten, wir sahen die Ordnung schreiten über diese Erde, nicht als ein harter Herr, als ein Gottesengel. Wir sahen das Land sich er heben, wir sahen die Quellen entspringen und hörten den Bach sein Lied singen und den Strom brausen und das Meer rauschen, wir sahen, wie die Berge ihr Haupt er hoben und wie sie sich freuten in ihrer Schönheit. Wir sahen aus den Keimzellen heraus das Leben wachsen, die Mutter Erde, die gebiert ein Leben ohnegleichen. Und nun über dem Leben der Reigen der Gestirne, die Sonne, die uns leuchtet, die sich heute mit uns freut, nach dem schweren Kampf nächtlicher Dämmerung, der sanfte Mond und der Sterne unendliches Heer. Ja, ihr Lieben, und wir Men schen mitten darin in dem Garten Gottes. Wir sehen die Blüten, wir sehen die Frucht, wir sehen die Geschwister in der Luft und im Wasser und auf Erden, die Leben haben