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Nr. 8 Gberlausitzer Heimat Zeitung M Ab und zu kürzten sich die fleißigen Arbeiterinnen ihre Ar beit durch muntere Gespräche, ohne den Blick von ihren Fingern zu lassen. Am schönsten aber war es, wenn ge sungen wurde. Gewöhnlich gab es in jeder Blumenstube ein Mädchen, das die führende Rolle beim Gesang einnahm. Diese stimmte ein Lied an und sofort fiel der ganze Chor ein. Auch gute zweite Stimmen gab es jederzeit. Ein Lied folgte dem andern und so kam es, daß der Vorübergehende den Mäöchengesang hell bis draußen aus der Straße hörte. Eine Blumenstube ohne Gesang war damals nicht denkbar. Blumen und Lieder — gehören sie nicht zusammen? Ge sungen von frischen Mädchenstimmen, wer konnte sich die sem Zauber entziehen? Und wenn der starke Bursche, der den Holzschlegel in einer abgelegenen Kammer schwang, Zeit hatte, so kam er gern in die Blumenstube, legte die Tabakspfeife beiseite und sang im kräftigen Baß mit. Kei nen Augenblick stockte die Arbeit während des Gesanges. Geräuschlos formten die flinken Mädchenhände allerlei Blätter und Rosen und Sträuße, denen nichts fehlte als wie der Duft der lebendigen Blumen. War ein Lied zu Ende, so entstand eine Pause der Weihe. Klangen und span nen sich die Weisen noch fort in den Seelen der Sängerin nen? Fast schien es so. Die glühenden Wangen, die leuch tenden Augen sprachen eine deutliche Sprache. War es ein schwermütiges Lied gewesen, so tropften wohl auch ver stohlen ein paar Tränen aus den Augen einer rührseligen Sängerin herab auf Mieder und Schürze. Aber nicht lange — dann Hub ein neues Lied an. Bis tief in die Nacht hin ein ging es so. Je mehr Arbeit, um so fleißiger wurde ge sungen. Und heute? Ich weiß nicht, ob es noch so ist. Ver gangene Zeiten. — Die Lieder wurden in dem üblichen uordböhmischen Tonfall gesungen, oft etwas zerrig, aber fast ausnahmslos mit einer Inbrunst, die erkennen ließ, daß die Sängerinnen fühlten, was sie sangen. Muntere, zumeist flüsternd ge führte Gespräche flössen dazwischen hinein. Aber immer wieder begannen die Mädchen den ihnen unentbehrlich ge wordenen Gesang. Und die „Herrin" sah es gern, wenn ihre Mädchen sangen. War ein Lied zu Ende, so schauten die jüngeren Genossinnen bewundernd auf die Stimmführe- rinnen, die bei allen in hohem Ansehen standen. Besonderer Gunst erfreute sich die Altsängerin. Die jungen Mädchen lernten die Lieder von den älteren. Zuweilen kam auch der „Herr" in die Blumenstube, setzte sich in eine Ecke und hörte dem Gesänge zu. Das galt als besondere Auszeichnung. Und hatte der „Herr" gute Laune, so spendete er gern einmal ein Fläschchen süßen Schnaps zum Feierabend. Dann gingen die Zungen gar rasch, und das fröhliche Mädchengezwitscher wollte kein Ende nehmen. Aber auch dabei wurde gesungen. Oftmals kam der Bursche, Ausschläger genannt, und begleitete mit der Gitarre die Lieder, und mancher Sologesang wurde zum Besten gegeben. Gesungen wurden alte Volkslieder. Am beliebtesten waren Liebeslieder. Welcher Art dieselben waren, mögen die nachstehenden Proben, die ich von ehe maligen Blumenmädchen sammelte, erkennen lassen. Unersetzlich Mich kann nichts mehr ergötzen, von allen Erdenschätzen kann keiner dich ersetzen. Ich bleibe wie geblendet vom Glanz, den du gespendet, der für mich immer endet. Und wenn ich beide Hände auch voller Rosen fände, doch keinen Strauß ich bände. Wem sollte ich ihn geben? Seit ich dich sah entschweben, ist tot mir alles Leben. . Dein muß ich stets gedenken. um dich ich mich kränken, Bis sie zu dir mich senken. Lied Du herziges Kind, du Liebchen so traut, dir schlug mein Herz, wie ich dich erschaut. Ach dein muß ich denken in Freud und Leid, dein muß ich bleiben für alle Zeit. Bist meine Sonne, bist meine Welt, bist ja mein Stern am Himmelszelt. Die Liebe Wer lieben will, muß leiden, ohne Leiden liebt man nie, da genießt man süße Freuden, wenn die Lieb von Leiden ist. Ich weiß nicht, was mir fehlt, ich sterb vor Ungeduld, an allen meinen Leiden ist nur die Liebe schuld. Die Liebe, ja die Liebe, die hats so wett gebracht, die hat mich armes Mädchen aufs Krankenbett gebracht. Hätt ich dich nicht gesehen, wie ruhig könnt ich sein, leider ist es geschehen, mein Herz gehört nicht mein. Die Rosen in dem Garten, die Blätter fallen ab, ich kann dich nicht erwarten» erwarte dich das Grab. Der sterbende Soldat Die Sonne sank nach Westen, vollendet ist die Schlacht, sie senkt ihre Schleier in tiefe, dunkle Nacht. Und mitten unter Toten liegt sterbend ein Soldat, es kniet an seiner Seite sein treuer Kamerad. Ein Haupt wiegt sich zum andern, das sterbend spricht zu Vernimm, o treuer Bruder, was mir am Herzen liegt, sihm: Nimm diesen Ring vom Finger, wenn ich gestorben bin, und all die treuen Briefe, die im Tornister find. Und sollte dich einst führen in die Heimat das Geschick, so bringe meinem Liebchen das Liebespfand zurück. Sag ihr, ich bin geblieben bei Nachod in der Schlacht, hab in den letzten Zügen der Teuren noch gedacht. Und soll sie einst führen einen andern zum Altar, so soll sie mein Grab zieren jährlich nur einmal. Da sanken Mond und Sterne mit ihrem Silberlicht und schienen dann dem Toten ins bleiche Angesicht. Vollbracht sind seine Taten, er ruht im kühlen Grab, und hat auch nicht vergessen sein Liebchen bis in den Tod. Die Neiße von der Quelle bis zur Mündung „Unsere Neiße wird oft recht geringschätzig beurteilt. Wer aber bis zum Quellgebiet der Neiße im Jsergebirge vordringt und einmal flußabwärts bis zur Mündung in die Oder wandert, der wird erstaunt sein über die Rein heit des Wassers und über die Fülle von Schönheit, die über den Neißelaus ausgegossen ist." So beginnt Adolf Scho rt sch, der bekannte Zittauer Künstler den Begleittext zu einer Reihe von duftigen Federzeichnungen, die letzthin in geschmackvoller Mappe unter dem Titel „Die Neiße von der Quelle bis zur Mündung" im Verlage von Haupt L Schwager in Zittau sZittauer Morgenzeitung) erschienen. „Blicke will ich weiten, Herzen will ich gewinnen für unseren oft geschmähten Heimatfluß" so fährt er fort, und man muß beim Durchblättern der Zeichnungen, die jede für sich auf dunklem Karton aufgeklebt sind, wirklich sagen, daß ihm dies gelungen ist.