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gegentritt, so schwer ist es. Hierfür eine ausreichende Er klärung zu finden. Man hat die verschiedensten Ursachen hierfür angegeben, z. B. die Anlage von Starkstromleitun gen auf dem Lande, Verfolgung und Abschuß während der Brutzeit, Nahrungsmangel infolge der fortschreitenden Entwässerung, sowie durch Kultivierung der Sumpflände reien, die Zerstörung vorhandener Niststätten und Mangel au geeigneten Nistgelegenheiten. Man hat auch feststellen können, daß unsere Störche ihr Fortpflanzungsgeschäft aus uns vorläufig noch unbekannten Gründen immer mehr und mehr vernachlässigen und größere Ruhepausen in ihrem Brutgeschäft eintreten lassen, also eine Degenerations erscheinung! Ferner ist ein nicht zu unterschätzender Fak tor des Rückganges darin zu suchen, daß der Storch durch das massenweise Vertilgen mit Arsenik vergifteter Heu schrecken in seinen südafrikanischen Winterquartieren zu grunde geht. Verschiedene Theorien weisen auch darauf hin, daß der Storch allmählich aus unseren Gebieten nach Osten abwandere, um sich in den wasserreichen und sump figen Niederungen der russischen Ebene anzusiedeln. Es sind also zahlreiche Gründe, dis auf den Bestand des Storches ungünstig einwirken. Es kann indessen hier nicht unsere Aufgabe sein, auf alle genannten Gründe, die die rapide Abnahme „Adebars" bedingen, näher einzu gehen. Uns interessiert vor allem die Frage: Kann man die Abnahme durch entsprechende Gegen maßnahmen einschränken und verzögern, und welcher Art wären dieselben? Da wir eine Gegenmaßnahme in Neuan siedl u n gs v e r s u ch e n durch Bau künstlicher Nester erblicken, die geeignet erscheint, den Bestand des Storches zu heben oder seine Abnahme wenigstens zu hem men, ist es notwendig, kurz einmal die oben erwähnte Frage über den Mangel an geeigneten Nistgelegenheiten näher zu beleuchten. Obwohl auch in unseren sächsischen Brutgebieten jedes Jahr eine große Anzahl Nester leerstehen und nicht be wohnt werden, fehlt es trotzdem an geeigneten Brut plätzen. Die Wohnungsnot spielt also tatsächlich eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Storch will hoch und frei wohnen, findet er jedoch keine entsprechende, ihm zusagende Nistgelegenheit, so verzichtet er kurzerhand auf das Brüten und zieht auf und davon. Die vielen leerstehenden Nester sind größtenteils solche, denen der Mensch mit seiner Kul tur und seinen lärmenden Fabriken zu' nahe gerückt ist. Der Storch will möglichst abseits von allem Lärm und aller Industrie ungestört seine Jungen großziehen, und so sind zahlreiche Nester nur aufgegeben worden, weil sie zu niedrig waren und ihm kein sicheres, ruhiges Verweilen gestatteten. Bekanntlich ist ja der Storch vom Baum- zum Hausbrüter geworden, brütet aber auch heute noch oft auf Bäumen. So stehen beispielsweise von den im Jahre 1928 in der Amtshauptmannschaft Großenhain noch 6 besetzten Nestern allein 4 auf Bäumen, 3 befinden sich auf Eichen und das vierte auf einer Ulme. Auch Linden und Pappeln werden ebenso gern bezogen. Das einzige Baumnest in der Amtshauptmannschaft Bautzen befindet sich in Malschwitz auf einer Linde. Es besteht nun die Gefahr, daß die Aste der Horstbäume zu weit über das Nest hinauswachsen und so den Storch beim Anfluge auf das Nest ganz erheblich hindern. Werden die überragenden Aste nicht rechtzeitig verkürzt oder entfernt, so sieht sich der Storch gezwungen, das Nest aufzugeben und verläßt es. So werden alljährlich erbitterte Kämpfe um den Besitz gutgelegener Nester zwischen den eingesessenen und neu- hinznkommenden Störchen ausgefochten. Oftmals werden dabei die schon im Nest befindlichen Eier zerschlagen und zur zweiten Brut ist es dann vielfach zu spät, sodaß keine Jungen mehr erbrütet werden können. Dieser Ausfall an Nachwuchs kann selbstverständlich, in Anbetracht des an sich schon vorhandenen Rückganges, merklich ins Gewicht fallen. Ich bin deshalb durchaus der Ansicht und stehe damit nicht vereinzelt da, daß man einen Teil der all jährlich erscheinenden überzähligen Stör che an unsere Heimat fesseln könnte, wenn man ihnen geeignete Nistplätze schaffte. Noch erfolgversprechender werden diese Neuansfiedlungs- versuche, wenn man dem Storche nicht nur durch das Bereitstellen von sicheren Nestunterlagen behilflich ist, son dern sich die allerdings nicht unerhebliche Mühe macht, in geeigneten Gebieten künstliche Nester zu bauen! Unter geeigneten Gebieten versteht mau da bei nicht nur Gegenden, die von allem Lärm und der Indu strie verschont geblieben sind, sondern auch solche Gegen den, die zugleich dem Storche in Bezug auf Nahrung die denkbar günstigsten Lebensbedingungen bieten. Der Storch ist ein ausgesprochener Niederungsvogel und bevorzugt wasserreiche Jagdgebiete mit möglichst viel feuchten Wie sen, Sumpfgeläude und Teichanlagen. Ich habe nun den ersten derartigen Neuan siedlungsversuch durch den Bau eines künst lichen Nestes in der Oberlausitz unternommen, und zwar in dem Dorfe C o m mcra u a. d. Spree. — Schon seit dem Jahre 1885 hat sich auf dem Strohdach der Scheune des Gutsbesitzers Linack ein Storchnest befunden. Bis zum Jahre 1925 brüteten die Störche regelmäßig und brachten stets Junge auf. 1923 kam während der Brutzeit ein alter Storch abhanden, und der andere fütterte die bereits er brüteten Jungen allein weiter und brachte sie auch durch. 1924 fand sich jedoch wieder ein Paar ein und zog drei Junge auf,' auch 1925 waren ebenfalls Junge vorhanden. Im Jahre 1926 wurden die Störche jedoch im Brutgeschäft gestört, und es wurden in diesem Jahre keine Jungen großgezogen. Die Störche beflogen zwar noch das Nest, kehrten im folgenden Frühjahr jedoch nicht wieder zurück, sodaß das Nest verwaiste. Im Frühjahr 1928 wurde das Strohdach der Scheune ausgebessert und dabei das Nest mit samt der Unterlage entfernt. Mit Rücksicht auf die ideale Lage des alten Nestes und das äußerst günstige Jagdgebiet mit sumpfigen Wiesen und einem umfangreichen Teichgebiet, das sich dem Storche dort bietet, entschloß ich mich, den Versuch zu machen, Freund „Adebar" in Commerau von neuem auzusiedelu. Am 2. Oktober 1928 begann ich mit meinem ornitho logischen Mitarbeiter bei strömendem Regen mit dem Bau Die Arbeiten wurden dadurch ganz besonders erschwert, daß das Gebälk des Dachgerüstes sehr morsch war, sodaß dessen Befestigung im Inneren der Scheune einen vollen Tag in Anspruch nahm. Am Abend des zweiten Tages war die Arbeit soweit gediehen, daß wir ein außerordentlich festes Untergestell für das Nest fertig hatten, und am drit ten Tage konnte der eigentliche Nestbau beginnen. Es dürfte nur wenigen bekannt sei», welche verhält nismäßig riesigen Ausmaße eiu Storchnest besitzt, zumal diese sehr oft unterschätzt werden. Der Umfang eines sol chen beträgt 4,50 bis 6 Meter, der Durchmesser 1,20 bis 1,60 Meter. Die Höhe ist sehr verschieden und schwankt zwischen 30 und 150 Zentimeter. Zu seinem Bau verwendet der Storch alle nur erdenklichen Materialien, die bei fast allen Horsten annähernd gleich sind und keine sonderlichen Veränderungen aufweisen. Das Nest ruht für gewöhnlich auf einer festen Unterlage, einem Wagenrad, einem Korb oder auch auf einem eigens dazu hergestellten Gerüst und besteht in seinem Unterbau aus Asten und Reisern, die mit Lehm, Erde und Rasenbatzen verankert und verflochten werden und zusammen oft das recht ansehnliche Gewicht von durchschnittlich 4 bis 7 Zentner ergeben. Vis auf eine unscheinbare Mulde, in die die Eier gelegt werden, ist das Nest völlig eben und mit trockenen Schilfstücken, Quecken und gelbem Gras ausgepolstert. Bisweilen findet man in „Adebars" Neste, im trauten Verein mit den Jungen, die merkwürdigsten Dinge: Alte Strümpfe, Pelzmützen, zer.