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Non dem Vermögen erhielt die Tochter ein stattlich Teil. Die Hochzeit wurde am 16. Januar l 725 gefeiert. Die Brüder des Bräutigams dichteten einen Tafel- carmen. Darin wird in überschwenglicher Weise den Schönen des Sachsenlandss gesungen und versichert, daß dis Gberlausitz „auch schöne Kinder zeigen" kann. Das Lied rühmt insonderheit die Braut als „liebes Kind", als „edle Gabe", als „tugendsames Weib", ein „frommes Priesterkind", als „Kleinod", bei dem sich „Schönheit und Tugend findt". „Ihr Naturell läßt sie von keiner Falschheit wissen, weil sie die Gottesfurcht zur Vorschrift hat erkiest, sie kann die Schlacken von dem Golds reinlich scheiden, ihr angenehmes Tun preist ihrer Eltern Sucht", heißt es dann weiter. Nnd wenn am Schlüsse der Verse der Hoffnung Ausdruck gegeben wird, daß sich bald ein „Substitutchen" einstellen möge, so ist dies bald in Erfüllung gegangen: zwölf Kinder entsprossen dem Bunde, das dritte war Gotthold Ephraim. „Eine zufriedene Ehe" nennt die Leßingin ihren Bund mit ihrem Gatten und zwar in einem Briefe an Gott hold Ephraim anläßlich seiner Verehelichung mit Eva König. Ghne Aweifel war dis Ehe auf reiches inneres Glück gegründet. Friede und Eintracht, gegenseitiges Tragen und Sichverstehen gab es all die "Zahre hin durch in dem Psarrhause. Sank und Hader kannte man nicht. Das verdient bei des Pfarrer Lessings Tempe rament hoch angeschlagen zu werden. Er war Brause kopf und Heißblut. Die heftigen Kämpfe, die er mit Etat und Bürgerschaft führte, die Demütigungen und Kränkungen, die dem freimütigen Manne widerfuhren, klangen auch in den Kreis der Familie herein. Die stille Frau hat schwer darunter gelitten. Sie war es, die den später einsamen Mann tröstete und aufrichtete. Au all den Widerwärtigkeiten kamen Not und Sorge. Frühzeitig riß der Tod fünf Kinder aus dem trauten Familienkreise, später rief er noch zwei hoffnungsvolle Söhne ab. Dazu kam die unausgesetzte Not ums Brot. Bei seiner Freigebigkeit geriet der Pfarrer immer tiefer in Schulden. Trotzdem wollte er aus seinen Söhnen etwas Rechtschaffenes machen. Mit Ausnahme eines hat er alle studieren lassen. Wie kärglich die Familie gelebt hat, erhellt daraus, daß Pfarrer Lessing jahrelang fast kein Gehalt erhielt, weil es seine Gläubiger im Voraus mit Beschlag belegt hatten. Der schwerste Schlag für die Frau war der Tod ihres Gatten. Sie stand mit ihrer Tochter Salome, die bei ihr im Hause blieb bis an ihr Ende, am Krankenbett, pflegte ihn und betete für ihn und sah, wie er sanft hinüberging in den Tod. Es war am 22. August 1776, einem Mittwoch. Nach dem Tode hatte die Frau mit fast noch größeren Sorgen zu kämpfen. Die Gläubiger drängten ungestüm auf Begleichung ihrer Forderungen, und es war doch kein Heller im Hause. Erst auf ihr Bitten hin gewährte ihr der L7at der Stadt ein Gnadengehalt auf mehrere Monate. Freilich mußte sie davon noch die Vertretung im geistlichen Amte bestreiten. Seltsamerweise achteten die Kamenzer Geistlichen die Notlage der Witwe nicht; keiner hatte ein Einsehen, jeder ließ sich auch die ge ringste Amtshandlung voll bezahlen. Sie beschwerte sich darüber beim Äate, allerdings ohne Gehör zu finden. Erst in den Geistlichen aus den Nachbardörfern fand sie willige und uneigennützige Helfer. Mit Glücksgütern war das Leben dieser Frau nicht gesegnet. Trotzdem hat es nicht an Freuden gefehlt. Ihre größte Freude waren ihre Kinder. Ihnen war sie bis in ihr Alter hinein eine treujorgende, aufopfernde Mutter. „Wir haben eine sehr treue und rechtschaffene Mutter verloren", schreibt Salome an einen ihrer Brü der nach dem Tode der Mutter. Sie selbst aber zählt sich in einem Briefe an Gotthold Ephraim unter die „glückseligen Mütter". Freilich bereitete ihr auch die Erziehung ihrer Kinder manchen Kummer. Schwer kam sie es an, als sie erfuhr, daß Gotthold Ephraim in Leipzig unter die „Komödiantsnschreiber" gegangen sei, wo es doch ihr sehnlichster Wunsch war, er möchte Geist licher werden. Sie war es, die ihn von dieser „falschen Bahn" abzubringen versuchte. „Die Mutter weinte bitterlich und gab ihren Sohn zeitlich und ewig verloren" berichtete einer der Söhne. Als alle Tränen und Bitten nichts halfen, verfiel man auf eine List: Man schrieb nach Leipzig, die Mutter sei todkrank, Lessing solle un verzüglich nach Hause kommen. Hernach hat sich die Mutter Vorwürfe gemacht, daß sie es so angestellt hat. Denn es war ein harter Winter, und sie fürchtete, er möchte auf der Aeise krank werden. Als er in die Stube trat, war aller Groll vergessen, und die Mutter hatte nur noch eins Sorge: er möchte sich erkältet haben. Da steht sie in ihrer ganzen mütterlichen Liebe und Güte vor uns. Immer war die Freude groß, wenn Gotthold Ephraim nach Hause kam. Das geschah allerdings nicht allzuoft, vergingen doch sogar mitunter "Zahre, daß ec einen Brief nach Kamenz sandte. Im Jahre 7756 traf er die Eltern in Dresden und ging mit ihnen auf kurze Seit nach Kamenz. Damals sah er den Vater das letzte Mal. Zwanzig "Zahre später, im Januar 1776, kehrte er, aus Italien kommend, wieder einige Tage im Vaterhause ein. Vergessen war die Kränkung, dis er ihr wenige "Zähre vorher bereitet hatte. Damals war es ihr Herzens wunsch gewesen, er solle, weil er der Berufenste sei, des Vaters Lebenslauf schreiben. Er schlug es aber ab, weil er „es den dummen und Wechaften Kamenzern zu Ge fallen" nicht tun wollte. Jetzt sah er sie das letzte Mal. Es war im Januar. Im "Zuli erfaßte sie ein schweres Leiden, das sie aufs Krankenlager warf. Monatelang hat sie unter furchtbaren Schmerzen zugebracht, von denen sie der Tod am 7. März ^1777, einem Freitag, abends 1/2I6 Nhr erlöste. An ihrem Sterbebette weilte Salome. Vier Tags später trug man sie hinaus auf den Friedhof, wo sie an der Seite ihres Gatten zur ewigen Äuhe gehettet wurde. Sie hatte ein Alter von 74 "Zähren erreicht. Ihr Leichenstein ist (wie der ihres Mannes) noch erhalten. Er trägt folgende Inschrift: „Dessen Ehe gattin war "Zustina Salome Leßingin, gebohrne Fellerin. Sie erblickte d. 3. Nov. 1763 zu Gersdorf bey Kamenz das Licht der Welt, wo Ihr Vater M. Gottfried Feller der nachherig Pastor Primarius zu Kamenz, damals Pastor war. hsyrathete 1725 den damaligen Archidia- konus zu Kamenz, M. "Zohn Gottfried Leßing, und zeugte mit ihm 12 Kinder, von welchen noch 5 am Leben sind: genoß 45 "Zahre das Glück einer vergnügten Ehe, lebte im Wittwenstande 7 "Zahr u. starb sanft und selig d. 7. Martii — 74 "Zahre ihres Alters 1777". Gtto Flösjel.