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Das attschtesifGe Vauernhaus Sveriaufttzer Stils in Görlitz / s sind wohl anderthalb Jahrzehnte her, daß ein alter, verdienter Freund unseres Museums, Herr Gustav Ludwigin Tschirne (Kr. Bunzlau), unfern Museums direktor auf ein altes Bauernhaus in Waldau OL. aufmerksam machte, in dem sich im Oberstock eine köstliche „gute Stube" befand. Und wozu ist denn ein Museum da, wenn es nicht mit beiden Händen zugreift, wo es gilt, altheiliges Bolks- und Kulturgut vor dem Verderben zu erretten und der Nach welt zu erhalten? — Es wäre nicht schwer gewesen, die schön bemalten hölzernen Wandbekleidungen und die ebenso schön be malte Decke mit ihren Unterzügen aus diesem Zimmer zu ent- fernen, das doch nur mehr als eine Art Schüttboden diente und sonst leer stand. Der Ankauf gelang damals aus vielen Gründen nicht, aber Herr Ludwig wie der Museumsdirektor behielten das Zimmer unentwegt im Auge, bis die Baufälligkeit des Ober stocks und des Dachgeschosses den Besitzer, Herrn Rudolf Neu mann in Waldau, zur Erneuerung des Oberbaues zwang. Die sofort eingelestete/i Verhandlungen führten bei dem bereitwilligen Ent gegenkommen des Herrn Neumann und der steten Unterstützung der Herren Ludwig (Tschirne) und Bau meister Hersel aus Ullersdorf bei Naumburg am Queis nunmehr bald zum erwünschten Ziele, und so wur den alle wertvollen Wände und Decken nebst den Türen und Fenstern des Oberstockes im April 1924 sei tens des Museums käuflich erworben, ein Besitz, der von allen Kunst- und sachverständigenMännern als etwas ganz Eigenartiges erkannt wurde. Aber was nützten die aus ihrem Zusammenhang im Raume entfern ten Bretter und Balken, wenn sie jahrlang in einem Bauschuppen liegen sollen, wo sie nur ihren Wert, ihre tadellose Erhaltung und ihre unversehrte Bemalung mit der Zeit durch Wurmfraß und Moder ver lieren mutzten? Es hätte dies einen niemals zu ersetzenden Verlust edel sten deutschen Kulturgutes bedeutet. — Also: das Zimmer wiederher stellen und irgendwo einbauen! Man hat ja Zimmer verschiedenster Art selbst in ganz neue Museen einge baut — aber die alte zupassende Umwelt fehlt ihnen und läßt sie wie gefangene Vögel in fremdester Um gebung und Gesellschaft erscheinen. Jedoch auch dies ging in Görlitz nicht an, da die reichen Fonds für einen Erweiterungsbau der Gedenk halle von der Inflation restlos ver schlungen sind und in der heutigen Zeit an eine baldige Wieder-Auf füllung selbst bei größtem Optimis mus nicht gedacht werden kann: die einst so reichlich und freiwillig für den prächtigen Aufschwung unsres schönen Museums fließenden Quellen sind versiegt, die Mehrzahl der alten hochverdienten Gönner ist nicht mehr, und die Gegenwart zählt leider noch wenige Männer, die die unschätz baren Kräfte zu schätzen wissen, die unsere deutsche Kultur von einst und heute aus Gegenwart und Vergangenheit für den Neuaufbau deutschen Kraftbewußtseins und deutschen Aufstiegs auf allen Gebieten hervorzuzaubern und zu beleben vermag! So mußte zunächst der Plan eines großen Crweiterungs- baues aufgegeben, aber, wenn nicht wertvollste heimische, Kultur güter verkommen sollten, eine allmähliche Abhilfe geschaffen werden: ein Bauernhaus heimischen Stils für das altehrwürdige alte Volksgut! Und von welcher namenlosen Wichtigkeit ist nicht nur die Erhaltung solchen Volksgutes in einem geeigneten Hause, sondern der Bau eines solchen Hauses selbst! Ein altes stil- und stim mungsvolles Bauernhaus nach dem andern schwindet, und an seine Stelle tritt ein abschreckend nüchterner Schablonenbau — oft sogar aus rohen Ziegeln: kunstlos im Äußern, kunstlos im Innern. Ja ganze Dörfer sind im Laufe von kaum zwei Jahr zehnten in dieser entsetzlichen Weise „modernisiert" worden. Die Hammergut in der Görlitzer Heide