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Las Material für die genannten Betriebe. Da diese dem Luxusgewerbe «»gehörten, waren sie und mit ihnen die Goldschlägerei von der Mode stark abhängig. Wie ging nun das Schlagen vor sich? Um uns darüber die nötige Klarheit zu verschaffen, treten wir im Geiste einmal bei einem Goldschlägermetster ein. Bekleidet mit einer Arbeitsschürze, ohne Jacke, mit auf gestreiften Hemdärmeln, so daß wir die kräftigen Ober armmuskeln sehen können, heißt er uns willkommen und ist gern bereit, uns seinen Betrieb zu zeigen. Goldstaub hängt ihm an Bart und Haar, bedeckt mit leisem Schimmer die Schürze, liegt auf dem Boden und spielt in der Luft der Werkstatt, in der mehrere Gehilfen mit großen Häm mern jenes dumpfe Pochen verursachen, das wir von außen gehört haben. Der „goldreiche" Meister führt uns zunächst in eine N^cnstube, wo an langen Tafeln Mädchen und Frauen sitzen, die geschickt mit langen hölzernen Hand zangen kleine Metallblättchen zwischen Papier ober Haut blätter einlegen oder herausnehmen. Es sind die Ein- und Auslegerinnen. Er erzählt uns, daß er das Blattmetall, das sind dünngewalzte Kupferlegierungen aus Nürnberg— Fürth, dem Hauptsitzc der deutschen Blattmetallindustrie, bezieht und in seinem Betriebe veredelt und verfeinert. Das geschieht auf folgende Weise: Das Metall wird in kleine 4:4 Zentimeter große Blättchen gerissen und dann zwischen Pergamentblätter eingelegt. Eine Arbeit, die wir eben von den geschickten Frauenhänden ausgeübt sehen. 500 Blatt bilden eine sogenannte „Quetsche", die in der Werk statt von den Gehilfen mit einem 10—12 Kilogramm schwe ren Eisenhammer auf einem Schlagstein geschlagen werden. Dadurch werden die Metallblättchen größer, aber auch dünner. Nach einiger Zeit werden sie von den Frauen wie der aus der „Quetsche" ausgelegt. Dann kommen sie zu je 1000 Stück in eine Büchse und werden im Feuer geglüht. Dadurch wird das Metall weicher. Wenn der Gehilfe dabei nicht anfpatzt, kommt es vor, daß die Blätter zusammen schmelzen und dadurch unbrauchbar werden. Das geglühte Metall wird wieder in 4 Teile gerissen und nun in die sogenannte Form eingelegt. Das sind 1000—1200 Haut blätter, die aus dem Dünndarm von Rindern hergestellt sind. Die ersten und letzten Blätter werden nicht belegt. Die Form wird in eine Schutzhülle eingesteckt und nun kann das „Schlagen" beginnen. Auf dem Schlagstein aus Syenit oder Granit bearbeitet nun der Gehilfe die Form mit wuchtigen Schlägen seines Eisenhammers etwa 3—4 Stunden. Wird die Form durch die Schläge warm, so wird sie eine Zeit lang zwischen Eisenplatten gekühlt. Es gehört Kraft und Geschicklichkeit dazu, die Form richtig zu schla gen und das Metall gleichmäßig zu vergrößern. Die erst 4:4 großen Blättchen werden 16:16 groß und ganz zart. Ist die Form ausgeschlagen, so nimmt die Auslegerin das feine Blattmetall zwischen den Hautblättchen heraus und legt es zwischen Seidenpapier zu je 100 Blatt. Diese bilden einen „Schlag", 100 Schlag bilden eine „Kiste". Eine leichte Arbeit war es also nicht, und angenehm war der Aufenthalt in den dunstigen, goldfarbigen Räu men auch nicht. Wer keine gesunde Lunge besaß, bekam es leicht „auf die Brust" und die Heilanstalt Hohwald hat manchen Goldschlägergehilfen wieder ausheilen müssen. Aber der Verdienst war im Verhältnis zu den Löhnen in der Textilindustrie hoch. Für 100 Schlag erhielt der Ge hilfe vor dem Kriege 19 Mk. und konnte je nach der Ge schicklichkeit und dem Eifer 15—30 Mk. am Ende der Woche nach Hause bringen. Auch die Auslegerinnen wurden im Akkord bezahlt und erhielten für 100 Schlag 3.50 Mk. Sie verdienten die Woche etwa 12—15 Mk. Da auch früher schon Mann und Frau, oder Vater und Tochter arbeiteten, so verdienten sich die Goldschlägergehilfen ein schönes Stück Geld. Manche von ihnen sparten sich ein Häuschen zusam men, um sich dann selbständig zu machen, viele aber waren als lustige Brüder bekannt, die gern einmal „Leben schön" machten und öfters einen „hinter die Binde" gossen, um den Staub hinunter zu spülen. In ihrem Liede sangen sie dann: Gold und Silber, die Metalle Kommen uns zu Händen alle, Doch kein Silber und kein Gold Bleibt dem armen Schläger hold. Die Goldschlägermetster freilich kamen zu keinem Wohl stände, selten konnte einer von ihnen als Rentner sein arbeitsreiches Leben beschließen. Was er als Gehilfe ver diente, das setzte er als Meister zu. Das lag an verschie denen Ursachen. Zunächst war die Konkurrenz zu groß. Die Goldschlägerei halt sich in der Lausitz sehr stark ver breitet. Im Jahre 1862 wurde sie von einem gewissen Her mann Pietzschmann in Großschönau eingeführt. Dieser hatte in Dresden gelernt und sich in diesem Jahre in Groß schönau selbständig gemacht. Er arbeitete zunächst mit sei nem Bruder und einem gewissen Hofmann zusammen, später machten auch diese sich selbständig und arbeiteten mit ihren Frauen und Kindern. Die Kinderarbeit war lange Zeit in dem Gewerbe üblich, auch Lehrlinge wurden sehr viele angelernt. Mit diesen billigen Arbeitskräften konnten sich die Kleinmeister lange Zett halten. Immer mehr Ge hilfen machten sich selbständig und verpflanzten das Ge werbe in die Umgegend von Großschönau. In Großschönau selbst waren um 1900 etwa 20 Goldschlägermetster vor handen. Dazu kamen die Blattmetallfabriken von Carl Schiffner, die bis 96 Leute beschäftigte, Hermann Bischoff, die bis 60 Leute hatte, und Dutschke in Neuschönau, der 30—40 Arbeiter hielt. Eine große Anzahl der Kleinmeister arbeitete in eigener Werkstatt, lieferte aber an die großen Betriebe das fertige Metall ab. Auch in Zittau hatte sich das Gewerbe ausgebreitet und zählte hier 6 Meister, die etwa 30—40 Gehilfen, 20 Lehrlinge und ebensoviele Arbeits mädchen beschäftigten. Die erste Werkstatt errichtete hier B. Hofmann in der Weberstraße. Er wurde später der Ober meister der Innung, die sich über die ganze Kreishaupt mannschaft Bautzen erstreckte und die Meister in Bautzen, Löbau (2), Jonsdorf, Waltersdorf, Lückendorf, Spitzkun- nersdorf, Oybin, Kottmarsdorf, Oberseifersdvrf, Dittels- dorf, Königshain und Hirschfelde zusammenfaßte. Je mehr sich das Gewerbe ausbreitete, desto stärker wurde auch die Gehilfenschaft. Diese organisierte sich im Deutschen Metallarbeiterverbande. Sie suchte dauernd die Arbeits- und Lohnverhältnisse zu verbessern. Ihrem Ein flüsse gelang es, die Kinderarbeit zu beseitigen. Auch gegen das Anlernen einer zu großen Zahl von Lehrlingen wandte sie sich. Es kam wiederholt zu Streiks und Aussperrungen. Der größte war im Jahre 1903, wo die Arbeit 22 Wochen ruhte. Der Streik kostete dem Deutschen Metallarbeiter verband über 200 000 Mark, da auch das Hauptgebiet der Blattmetallindustrie, Nürnberg—Fürth, beteiligt war. In ihrem Fachorgan: „Der Schläger" vertrat die Gehilfenschaft vor allem den Tarifgedanken, der sich allmählich auch durch setzte. Für den Kleinmeister bedeuteten aber alle diese Er folge der Gehilfen eine Erschwerung der Geschäftes. Dazu kam noch, daß die Goldschlägermeister meist nicht besonders kapitalkräftig waren. Sie blieben von ihren Lieferanten abhängig, bei denen sie die Formen und das Metall kauften. Außerdem gelang es ihnen selten, direkt an ihre Abnehmer, die Leistenfabriken oder Prägereien, zu liefern. Sie verkauften an Händler, die in Dresden, Berlin oder Nürnberg saßen und mit dem Zwischenhandel wahr scheinlich das meiste Geld verdienten. Den Rückgang des Gewerbes aber führte vor allem der geänderte Geschmack herbei. Mit der in den 90 er Jah ren des vorigen Jahrhunderts aufkommenden Kunstrich tung waren die prunkenden Goldleisten und goldbedruck ten Papiere und Karten nicht mehr vereinbar. Man wandte sich von ihnen als altmodisch ab und bevorzugte Qualität des Holzes oder Papieres ohne Goldschmuck. Das war für die Metallschläger ein schwerer Schlag. Aber auch das Be-