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darstellt. Da an dieser Stätte auch unsere Lausitz in ent sprechendem Maße zur Geltung kämmt, behalten wir uns vor, in einem besonderen Aufsatz darauf zurückzukommen. Keiner, den der Weg nach Dresden führt, sollte den höchst genußreichen Besuch des Landesmuseums verabsäumen! — Die drei vom Landesverein gestellten Autos, die zur Fahrt in die Landeshauptstadt gedient hatten, brachten die Thalia- leute am Sonntagnachmittag in die Heimat zurück. Der die kühnsten Erwartungen übersteigende Erfolg der Reiche nauer in Dresden verdient noch insofern eine ganz beson dere Bewertung, als er mehr als alles andere dazu bei tragen kann, die draußen im Lande bestehenden und von unkundigen Literaten noch genährten Vorurteile gegen unsere Lausitz und ihr Volkstum wirksam zu zerstören. In diesem Sinne würde die höchstwahrscheinltche Folge zu be grüßen sein, daß Wilhelm Friedrich und seine Getreuen künftig recht oft zu den Veranstaltungen des Landes vereins Sächsischer Heimatschutz herangezogen werden. Zum Schluffe sei noch auf die ganz hervorragend günstige Be urteilung hingewiesen, die dieser „Lausitzer Abend" in den „Dresdner Nachrichten" gefunden hat. Rd. — über den Lausitzer Abend des Sächsischen H e t m a t s ch utz e s lassen sich die „Dresdner Nachrichten" wie folgt vernehmen: Es war in der Tat ein wirkliches Wunderwaffer köstlichen Humors, das die Reichenauer mitgebracht hatten und am Freitag im übervollen Vereins- tzaussaale der Dresdner Heimatschutzgemeinde darboten. Diese nahm denn auch die Gabe freudigst hin, so daß gar oft herzbefreienües Lachen den weiten Raum erfüllte. Kristallklar sprudelte der Witz von der Bühne herab. Aus dem Volke geboren, haftete ihm nichts Gekünsteltes an. Alles blieb natürlich und urwüchsig. Wie viel Schönes, wie viel Gesundheitbringenöes enthält nicht das Wasser des Brunnens unseres Volkstums, der leider schon halb verschüttet ist. Wie sehr muß man es aber auch denen dan ken, die sich drum mühen, derartige Herrlichkeiten wieder zu heben und uns schnellebigen Menschen nahezubringen. Dieser Dank gilt in erster Linie dem Heimatschutz und wei ter insbesondere den Männern und Frauen, die sich aus ihrer Liebe zur heimatlichen Scholle heraus in den Dienst dieser Sache gestellt haben. Unsere Oberlausitzer sind gar wackere Menschen. Derb und poltrig, dabei aber auch ur gemütlich und bisweilen etwas dickfellig. Man glaubte es Rudolf Gärtner-Hellerau sofort, daß solche Typen in seiner Heimat leben, wie er sie uns in seinen launigen Gedichten und Erzählungen schilderte. Man sah richtig das rote Kapüzel, die blitzenden Äuglein des Mädels, das den Buben mitfahren läßt auf seinem Schlitten, sich jedoch das Lenken vorbehält selbst später im Ehestands man fühlte mit dem Kammersänger die Verwunderung, daß die Schul zen noch besser mit der Kehle fortkonnte, ohne auf dem Konservatorium gewesen zu sein. Man freute sich der Lebendigkeit der Tänze, die weit eindrucksvoller waren, als „das Gehampel" der heutigen Zeit, und hatte seine Lust an der schaurig-schönen Musik der spielfreudigen Kapelle. Man folgte gespannt den Vorgängen auf der Bühne in Wilhelm Friedrichs, des Heimatdichters, Stück „'s Wunn e r w o ass e r". Verschrobener als der Löchelgrund- bauer kann wohl niemand sein, und verrannter in eine absurde Idee wird auch nicht so leicht jemand sein. Darum mußte die Heilung denn so drastisch erfolgen. Gespielt wurde der harmlose Schwank durch die Heimatspiel schar „Thalia" Reichenau mit so viel Natürlichkeit, Lebendigkeit und Komik, daß man staunen mußte. Es war eben ein Stücklein Heimat, an der das Herz hängt. Und was in dieser wurzelt, bleibt echt und ungekünstelt jederzeit. Wervl für Vie Dveeiarrsßtzer Heinratzettungr Probenummern werden aus Wunsch kostenlos und portofrei zugesandt. ! Warum das Städtlein Schirgiswalde vergessen ward Franz Rösler, Schirgiswalde Es wird so mancherlei vergessen auf der Welt, nicht bloß Bücher und Regenschirme, sondern sogar Frauen und Kinder. Aber daß man gleich eine ganze Stadt vergessen kann, dürfte nicht so leicht vorkommen. In der Oberlausitz ist einst ein solches Stücklein geschehen. Das ging so zu: An der sächsischen Grenze lagen vor reichlich 100 Jah ren verschiedene Gebiete, die, obwohl rings von sächsischem Boden umschlossen, zu Böhmen gehörten. Darunter befand sich auch das kleine, verträumte Städtchen Schirgiswalde. Seit Jahrhunderten war das so. Nun kam auf einmal der Kaiser Napoleon und machte die Österreicher in der grim men Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli 1809 wehrlos. Kaiser Franz mußte viel Geld bezahlen und verlor auch verschiedene Gebietsteile. Hierbei befanden sich jene Land schaften, die an der sächsisch-böhmischen Grenze lagen, also auch Schirgiswalde. Im Schönbrunner Schlosse, wo der Franzosenkaiser die Friedensbedinguugen aufsetzte, wurden für redes abgetretene Land die nötigen Urkunden abgefaßt, fein gesiegelt und unterschrieben. Die kleinen Gebietsteile an der sächsisch-böhmischen Grenze sollte der Sachse be kommen, weil er dem Napoleon in der Schlacht mit 19 000 Mann hatte beistehen müssen. Die Abtretungsurkunden wurden in Wien richtig abgefaßt. Als man sie in Dresden öurchsah, fehlte eine: die von Schirgiswalde. Kein Mensch wußte und weiß es heute noch nicht, wo sie hingekommen ist. Mau suchte eifrig nach und schrieb nach Wien. Das Schriftstück blieb verschwunden. Ein neues konnte man vom Franzosenkaiser nicht ausstellen lassen, denn der be fand sich schon sonstwo. Er war auch nicht gewöhnt, sich mit solchen Kleinigkeiten abzugeben. Die Wiener Schreiber freilich besaßen ein Verzeichnis, worauf alle die abzu gebenden Gebiete der Reihe nach aufgeführt waren. Daß sie diese Urkunde dem Sachsen nicht geben mochten, ist ihnen nicht zu verdenken. Also suchte man weiter nach dem Ausreißer. Die übrigen Gebietsteile wurden einstweilen auf Grund der Urkunden dem Sachsenlande einverleibt. Nur Schirgiswalde nicht. Das Städtlein ohne Papier weg zunehmen, getrauten sich die Sachsen nicht. Dazu waren sie zu ehrlich. Und der Stadtrichter Reime von Schirgiswalde hätte ja auch die Abnehmer sicherlich gleich nach der Ab tretungsurkunde gefragt und gesagt: „Wo steht denn das geschrieben?" Denn er war den Sachsen gar nicht grün, weil sie zum Napoleon hielten, wenngleich nur zwangs weise. Woche auf Woche verrann, aber die Urkunde kam nicht herzu. Unterdes hielt der Franzosenkaiser die Welt mit seinen Kricgszügen so in Atem, daß man in Dresden auf das kleine Städtlein an der Spree vergaß. So kam es, daß Schirgiswalde verlassen blieb. Das war schlimm für das Städtlein: Es hatte auf einmal keinen Herrn mehr. Die Sachsen durften sich's nicht aneignen, solange die Urkunde fehlte. Die Wiener aber durften es nicht behalten, denn bei ihnen stand es schwarz auf weiß zu lesen, daß Schirgiswalde abzutreten sei. An wen, kümmerte sie nicht. Es auf eigne Faust zurückzuneh men, getrauten sie sich nicht. Mit dem Napoleon war ja nicht zu spaßen. Sie ließen also ihren Oberrichter nicht mehr nach Schirgiswalde gehen und hoben die dortige k. u. k. Lottokollektion auf. Ferner sandten sie ein Schreiben an den Stadtrichter des Inhalts, daß von nun an die Ver günstigung aufhöre, alljährlich die gesetzlich bewilligte Menge von allerlei notwendigen Waren zollfrei aus Böh men zu holen. Auch möchten sie keine Steuern und Rekru ten mehr aus Schirgiswalde haben. Was nun die letzten beiden Punkte betraf, so waren die Schirgiswalder gar nicht böse darüber. Aber die ersten zwei Absätze gefielen ihnen nicht. Ringsum von sächsischem Gebiet umgeben, galt