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Die Frauenkirche in (Zittau Bon Oberlehrer Theodor Michel, Zittau Auf einer östlich vor der inneren Stadt gelegenen Anhöhe, derselben, von der aus im siebenjährigen Kriege das alte Zittau von den österreichischen Kanonen in Brand geschossen und in einen Trümmerhaufen verwandelt wurde, erhebt sich eine kleine, altersgraue Kirche, die abseits von dem lauten Getriebe der Stadt dort draußen auf den stillen Gräberfeldern des Frauen friedhofs die Totenwacht hält und bei aller Einfachheit in Form und Aufbau mit ihrem hochragenden Umriß und Turm ein so freundlich anmutendes Bild gewährt, die Kirche zu Unser lieben Frauen. Freilich bietet sie sich nicht mehr frei und unverhiiklt dem Auge dar wie damals, als die Vorstädte noch dörflichen Charakter trugen und die Kirche den einzigen hohen Punkt in der Linie ihrer Um gebung bildete, in die sie hinein gewachsen war wie auf dem Lande draußen unsere alten Dorfkirchen in die brcitgelagerte Masse der Bauernhäuser. Seit die Stadt die Fesseln der Mauern und Tore ge sprengt hat und die geschloffenen Häuserreihen der Borstädte den freien Ausblick mehr und mehr beengten, kommt der Anblick des frei auf seiner Höhe ragenden Kirchleins für die Belebung und Bereicherung des Stadtbildes nur noch in sehr beschränktem Maße in Betracht. Welche Wirkung vollends die Kirche im Stadt- und Landschastsbilde gehabt haben mag, als sie noch das vor mehr als 600 Jahren von Kreuzherren des Iohanniterordens errichtete, weit umfangreichere und schönere Gotteshaus war, das 1473 bis auf die wenigen Reste, die uns in Chor und Querschiff der heutigen Kirche erhalten geblieben sind, ein Raub der Flammen wurde, davon dürften wir uns kaum noch eine rechte Vorstellung machen. Immer hin ist die Kirche auch in ihrer heutigen viel dürftigeren Er scheinungsform unserer vollen Beachtung wert und enthüllt dem tiefer schauenden und sie liebevoll betrachtenden Auge Reize, die ihrem Bilde Glan; und Farbe verleihen und sie bedeutungs voller erscheinen lassen, als der flüchtige Blick zu erkennen vermag. In den folgenden Zeilen soll versucht werden, ihrer baulichen Eigenart und ihren Schönheitswerten die gebührende Würdigung zuteil werden zu lassen. Hasten wir zunächst das Bild der Kirche fest, wie es sich außerhalb der Kirchhofsmauern darstellt. Auf der Nordseite der Frauentorstraße, dort, wo gegenüber der Abzweigung des Friedhofsweges zwischen den beiden insel- artig vorgeschobenen Giebelhäusern über dem Giebel der Kirche der hübsche Dachreiter erscheint, und noch schöner und freier ein kleines Stück weiter an der Ausmündung der Komtur straße, nimmt ein Bildausschnitt der Kirche gefangen, der ein Stück von Alt-Zittau lebendig werden läßt. Nur wenige Schritte weiter befinden wir uns an der platzarttgen Erweiterung der Straße, die die Nsrdansicht der Kirche freigibt. Sie wirkt durch die Geschlossenheit des Bildes, das die einzelnen Gebäudeteile zu einer schönen Einheit zu sammenfügt. Vermöge ihres hochgelegenen Standortes und ihrer freien Lage kommt die Kirche hier auch für die Belebung des Stadtbildes als kräftig betonter, bildhaft wirkender Ab schluß einer der hauptsächlichsten Zufahrtsstraßen an einem wichtigen Berkehrspunkte der Stadt in Betracht, und nach der Seite der baulichen Gestattung ist sie dadurch bemerkenswert, daß hier das sonst an keinem anderen Punkte außerhalb der Friedhofs mauer sichtbar werdende Chorhaus erscheint, das den baugeschichtlich bedeutsamsten Bestandteil der Kirche bildet. Der aufmerksame Beobachter nimmt schon hier deut lich den Unterschied wahr, der in der stilvollen Ausbildung des Chors und dem übrigen ganz schmucklosen Baukörper der Kirche besteht, welcher erst wieder in dem zierlich durchgebildeten Dachreiter sein Gegenstück findet. Mag die hübsche Bildwirkung der Kirche auf diese Gegensätzlichkeiten der baulichen Ausgestaltung, auf das gute Maßverhältnis, in dem Dach- und Turmkörper sich ergänzen, auf die in diesen Bauteilen zum Aus druck kommende starke Betonung der wuchtig aufstrebenden Linie zurückgeführt werden, so ist es doch vor allem der gut und kraft voll gestaltete, die gesamte übrige Baumaffe beherrschende und be krönende Turm, der in seinen anmutigen Umritzlinien, seiner zierlichen Laterne und seinem in eine hohe Spitze auslaufenden Helm hier wie überall, wo wir seiner ansichtig werden, wesentlich zur malerischen Gesamtwirkung der Kirche beiträgt. Neben ihrer hohen Lage verdankt sie es vor nehmlich ihm, dem hübschen, aus seinem hohen Sitze frank und frei aufragenden Dachreiter, wenn sie auch aus weiterer Entfernung, etwa von den Poritscher oder Eckartsberger Höhen gesehen, in der Silhouette ihrer Umgebung einen besonders betonten Punkt bildet und sich im Gesamt bilde der Stadt als Vorstadlkirche auch gegenüber den wuch tiger und höher aufragenden Baumassen der inneren Stadt behauptet. (Abb. I. Frauenkirche, Ansicht von Norden.) Zu noch wirkungsvollerem Ausdruck kommt die Kirche, wenn wir sie in ihrer Eigenart als Begräbniskapelle mit dem stimmungsvollen Friedhof im Vordergründe betrachten. Nähern wir uns ihr aus der südwestlichen Richtung, indem wir bei der Stadtgärtnerei in die Hammerschmiedtstratze einbiegen, so glauben wir in dem Bilde natürlicher Schönheit, das uns hier ent gegentritt, in dem Zusammenklang von Giebel, Dach und Turm der Kirche mit dem weitgespannten Rahmen der Friedhofs bäume, in den sie gleich einem Ahnenbilde in kostbarer Fassung hineingestellt ist, in dem terraffenartig in weitem Raume zu ihr aufsteigenden Gräberhain mit seinem vielgestaltigen Denk malsschmuck die tiefempfundene Sprache unserer Vorfahren zu 1. Die Zittauer Frauenkirche gegen Norden Nach Originalzeichnung von Prof. Richard Michel Aus dem zwischen Straße und Kirche liegenden Teile stand der ehemalige Lomturhos